1. Okt. 2018 · 
Soziales

445.000 Euro verpulvert? Problematische Auftragsvergabe belastet Sozialressort

Im Sommer vergangenen Jahres, noch vor der Landtagswahl, ist es offenbar im Sozialministerium zu einer problematischen Auftragsvergabe gekommen. Das war zu der Zeit, als die damalige rot-grüne Landesregierung generell dem Vorwurf ausgesetzt war, Vorschriften für die Verträge mit Unternehmen nicht genau genug beachtet zu haben. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick ging es in dem erst jetzt bekanntgewordenen Fall um eine Landeszuwendung, mit der unter anderem der Aufbau eines Dolmetscherpools finanziell unterstützt werden sollte. Dabei bekam ein Anbieter aus einem Topf mit 1,75 Millionen Euro fast 445.000 Euro. Es soll sich dabei um das Ethnomedizinische Institut (EMZ) aus Hannover gehandelt haben. Nun ist fraglich, ob dieses Geld verpulvert wurde – und das auch noch für ein sinnloses Vorhaben. Das Projekt wurde gestoppt und das Ministerium hat gravierende Fehler bei der Ausschreibung eingestanden. Ein Sprecher des Sozialressorts teilt auf Anfrage mit, dass der Fall derzeit „evaluiert“ werde.

Sozialministerium versuchte, die Sache in Ordnung zu bringen

Beobachter wunderten sich bereits im vergangenen Sommer, dass ausgerechnet der Anbieter EMZ ausgewählt wurde. So gilt der Leiter des Instituts, Ramazan Salman, zwar als agil und hervorragend vernetzt, sein Institut war zuvor aber nicht durch eine besondere Expertise und eine entsprechende personelle Ausstattung in diesem Bereich aufgefallen. Das Geld aber war da, der Bedarf ebenfalls. Nachdem es anschließend Nachfragen im Sozialministerium gegeben hatte, wurde man sich offensichtlich auch dort ziemlich bald bewusst, dass das Verfahren nicht ordentlich abgelaufen war. „Das Kind war allerdings schon von Anfang an in den Brunnen gefallen. Das war nicht mehr zu heilen“, sagt ein Experte, der damals auf der Seite der Anbieter involviert war. Das Sozialministerium habe allerdings versucht, die Sache zumindest weitgehend und so gut es ging wieder in Ordnung zu bringen. Aus dem Ministerium selbst heißt es, dass im vergangenen Sommer „eine interne ex-post-Analyse“ zum Ergebnis hatte, dass „eine Bescheid-Erteilung erst nach einem Aufruf zur Antragseinreichung hätte erfolgen können“. Die Sach- und Rechtslage mache es nun erforderlich, ein erneutes Auswahlverfahren durchzuführen, wenn das Programm über den 30. November 2018 hinaus fortgeführt werden solle. Dies werde derzeit evaluiert.
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In der Antwort des Sozialministeriums auf eine Landtagsanfrage der Grünen hieß es im April 2018, als Teil des Interessenbekundungsverfahrens seien 13 Bewerbungen von juristischen Personen des privaten Rechts eingegangen. Schon zum Zeitpunkt der Antwort dürfte dem Ministerium aber klar gewesen sein, dass das wohl nur die halbe Wahrheit ist. Denn bereits Ende Januar hatte sich ein Anbieter im Ministerium schriftlich nach dem Stand der Dinge erkundigt. Schon damals könnte aufgefallen sein, dass das Verfahren nicht ganz korrekt abgelaufen ist. Das Ministerium antwortete dem Anbieter allerdings erst Ende Juli, also ein halbes Jahr später. „Unzulässigerweise ist in diesem Verfahren auf eine Aufforderung zur Einreichung von Zuwendungsanträgen verzichtet worden“, heißt es darin. Es sei auch unzulässig gewesen, das Schreiben des Anbieters als Antrag auf Erteilung einer Zuwendung umzudeuten. Das Ministerium änderte daraufhin abrupt die Vorgaben. Das Projekt endet deshalb vorerst am 30. November, die 445.000 Euro sind allerdings weg. „Der in diesem Verfahren erteilte Bewilligungsbescheid ist aus den vorgenannten Gründen als unzulässig anzusehen. Dieser Umstand hat jedoch keine Auswirkungen auf die Bestandskraft des Bescheides“, heißt es in dem Schreiben.

Experten zweifeln Sinnhaftigkeit der Förderung an

Möglich ist, dass das Programm ohnehin still und heimlich in der Schublade verschwindet. Laut der Antwort auf die Grünen-Anfrage sollte der Projektträger zunächst einmal die regionalen Gegebenheiten begutachten und feststellen, wo überhaupt ein Bedarf an zusätzlichen Dolmetscherdienstleistungen besteht. Experten sagen allerdings, dass die Verfahren vor Ort auch im vergangenen Jahr bereits funktioniert haben. Von den Landesmitteln hätten demnach entweder der Träger selbst oder im besten Fall die Kommunen finanziell profitiert, wenn der Träger, dem die Landesmittel zugesprochen wurden, diese durch niedrigere Preise als Vorteil an die Kommunen weitergegeben hätte.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #173.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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