
Gerade bei den Menschen, die im Gefängnis abwarten müssen, ist das eine Art Aufbewahrung. Das entspricht nicht rechtsstaatlichen Gepflogenheiten.
Zuvor hatten Medien bereits darüber berichtet, dass Ende Dezember vergangenen Jahres fast 80 verurteilte Straftäter und psychisch Kranke in Freiheit auf einen Platz im Maßregelvollzug warten. Das betrifft auch Menschen, bei denen dieser Vollzug bereits 2017 und 2018 angeordnet worden war. Genthe spricht von einem massiven Problem für den Rechtsstaat. „Gerade bei den Menschen, die im Gefängnis abwarten müssen, ist das eine Art Aufbewahrung. Das entspricht nicht rechtsstaatlichen Gepflogenheiten“, sagt der FDP-Politiker im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Seiner Meinung nach hätte die Landesregierung schon längst handeln müssen, schließlich sei das Problem nicht einfach und schnell zu beheben. Es sei allein schon sehr schwierig, genügend Psychiater und Pflegekräfte zu finden.
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Die angespannte Situation in der Justiz wird auch durch die Zahl der Überlastungsanzeigen deutlich, die bei den Behördenleitungen der Staatsanwaltschaften und Gerichte eingehen, wenn zum Beispiel durch länger erkrankte Kollegen die Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist. Die Zahl der Überlastungsanzeigen hat sich seit 2016 mehr als verdoppelt. Im Jahr 2016 gab es laut Justizministerium insgesamt 50 Überlastungsanzeigen, im vergangenen Jahr waren es 112. Allein 45 Anzeigen gingen im Bezirk des OLG-Bezirks Braunschweig ein. Hier hat vor allem der Komplex um Volkswagen dazu geführt, dass „die Staatsanwaltschaft an ihrer Belastungsgrenze arbeitet“, wie es in der Antwort des Ministeriums heißt. 36 Anzeigen gab es im OLG-Bezirk Celle. Darüber hinaus hat es dem Ministerium zufolge auch mündliche Überlastungsanzeigen an die Behördenleitungen gegeben, die statistisch nicht erfasst worden seien. Das Ministerium verneinte die Frage des Abgeordneten, ob Anzeigen durch die Generalstaatsanwaltschaften oder eine andere Behördenebene gestoppt worden seien. „Die Abfrage des staatsanwaltschaftlichen Geschäftsbereichs hat ergeben, dass die Generalstaatsanwaltschaften oder andere Behördenebenen keine Überlastungsanzeigen ‚stoppen‘“, heißt es in der Antwort. Dem Justizministerium zufolge muss berücksichtigt werden, dass es an einer klaren Definition der „Überlastung“ fehle und überdies keine Zeiterfassung stattfinde. Sie würde es ermöglichen, einen erhöhten beziehungsweise zu hohen Arbeitsanfall einfacher zu verifizieren. Im Falle einer Überlastungsanzeige überprüfe die Behörden- oder Geschäftsleitung die Belastungssituation in der Organisationseinheit und schaffe bei Bedarf Abhilfe, heißt es in der Antwort.