Zwischenlager nahe Holzminden? Das stößt parteiübergreifend auf Vorbehalte
Die Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) hat der Kritik des Grünen-Umweltpolitikers Christian Meyer an dem geplanten Logistikzentrum für radioaktive Abfälle in Würgassen (Nordrhein-Westfalen) entschieden widersprochen. Die Aussagen Meyers seien „in mehrfacher Hinsicht falsch“ gewesen, sagte Christian Möbius, Generalbevollmächtigter des BGZ-Logistikzentrums, gestern im Umweltausschuss des niedersächsischen Landtags. Es sei nicht richtig, dass der gesamte Atommüll Deutschlands quer durch die Republik transportiert werden solle, sondern nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Auch gehe es bei dem Logistikzentrum nicht darum, radioaktives Material aufzubereiten, sondern nur um eine Sortierung der Abfallgebinde. Meyers Anschuldigung, bei der Standortentscheidung für Würgassen sei an den Kriterien „getrickst“ worden, wies Möbius sogar „aufs Schärfste“ zurück. Der Standort Würgassen liege in einem 200-Kilometer-Radius um das Endlager Schacht Konrad (Salzgitter), das Grundstück sei etwa 30 Hektar groß und liege mindestens 300 Meter von Wohnbebauung entfernt, zudem sei es kein Naturschutzgebiet. Alleinstellungsmerkmale des Standorts an der niedersächsischen Grenze seien zudem der direkte Gleisanschluss an die Solling-Bahn sowie die einschlägige Vornutzung als Zwischenlager. Würgassen liegt an der Weser nahe Bad Karlshafen. Holzminden ist 23 Kilometer entfernt.
Im Umweltausschuss verteidigten Möbius und Heinz-Walter Drotleff, Bereichsleiter des Logistikzentrums, gestern die Pläne der BGZ. Anders als die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist die BGZ nicht mit Endlagerung befasst, sondern damit, die atomaren Abfälle aus den Zwischenlagern bereitzustellen. Im Koalitionsvertrag von 2018 sei dazu festgehalten worden, dass für die „zügige Einlagerung ein Bereitstellungslager unverzichtbar“ sei – und die BGZ umgehend mit den Vorbereitungen beginnen solle. Im März 2020 hat die BGZ daher erstmals umfassend über ihre Planungen berichtet: Ab 2027 sollen schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Endlager Schacht Konrad eingelagert werden. Das Logistikzentrum, das nun am Standort des ehemaligen AKW Würgassen errichtet werden soll, bekommt dabei eine zentrale Funktion. Die Aufgabe des Logistikzentrums sei eine „kontinuierliche und termingerechte Bereitstellung von Abfallgebinde für Schacht Konrad“, erläuterten die Vertreter der BGZ. Bislang seien die radioaktiven Abfälle noch in Zwischenlagern überall in der Republik eingelagert. Weil immer mehr Atomkraftwerke abgebaut werden, füllten sich die Zwischenlager mit Abfallprodukten wie Filtern, Rohrleitungen oder Kleidung. Allerdings habe man dabei in der Vergangenheit kein System verfolgt. Würden nun Transporte zum Endlager gefahren, hieße das, man müsse nach dem System „first in, last out“ verfahren: Was zuerst eingelagert wurde, kommt erst als letztes wieder raus. Vor Ort gebe es keine Möglichkeit, die Materialien zu sortieren, erklärte Drotleff. Im Endlager Konrad sollen die radioaktiven Abfälle allerdings vorsortiert und gebündelt untergebracht werden. Deshalb sei nun ein solches Lager in Würgassen nötig.
In einem 650.000 Kubikmeter großen Bau soll der radioaktiv verseuchte Müll nach und nach angeliefert, sortiert und neu konfektioniert werden. Von dort aus gehen dann Transporte zum Endlager Schacht Konrad. Möbius von der BGZ betonte gestern im Umweltausschuss, dass durch dieses Verfahren sowohl die Zahl der Transporte als auch die Dauer des Einlagerungsprozesses stark verringert werden könnten. Würde man ohne Logistikzentrum verfahren, müssten über einen sehr langen Zeitraum viele kleinere Transporte direkt an das Endlager geschickt werden. Das zeitliche Risiko würde sich erhöhen, meint Möbius. Das Logistikzentrum könnte hingegen mit sehr viel größeren Lieferungen aus den Zwischenlagern befüllt werden – die Zahl der Transporte würde also geringer ausfallen. In Würgassen könnten die Materialien dann bis zu drei Jahre lang zwischengeparkt und in geeigneten Zusammenstellungen gebündelt in den Schacht Konrad transportiert und dort unter die Erde gebracht werden.
Miriam Staudte, atompolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, mutmaßte jedoch, das Logistikzentrum solle in Wirklichkeit nur den Druck aus den maroden Zwischenlagern nehmen. Außerdem umgehe man damit eine Diskussion darüber, welches Zwischenlager zuerst den Schacht Konrad beliefern dürfe. Dass künftig täglich Transporte mit radioaktiven Abfällen auf Schienen durch Niedersachsen transportiert werden sollen, findet die Grünen-Politikerin auch aus Sorge vor terroristischen Anschlägen bedrohlich. Hermann Grupe, FDP-Landtagsabgeordneter aus dem Weserbergland, leuchtet die Standortwahl nicht ein. Im Umweltausschuss fragte er: „Müsste man nicht vor Ort die Logistik so gestalten, dass man vor Ort den vollen Zugriff hat?“ Auch Uwe Schünemann, CDU-Landtagsabgeordneter aus Holzminden, plädiert für die Option, die Steuerung an den Zwischenlagern derart zu gestalten, dass ein zwischengeschaltetes Logistikzentrum nicht notwendig wird.