Zurück in den Beruf: Für viele Hausfrauen ist das ein Hindernislauf
Von Isabel Christian
Irgendwann reichte es Daniela Wiese. Die abschätzigen Blicke, der Spruch „Du arbeitest doch nicht, du hast doch Zeit“, damit sollte endlich Schluss sein. Elf Jahre war Daniela Wiese Hausfrau und Mutter – und erfuhr, wie wenig diese Aufgaben noch immer in der Wahrnehmung der Gesellschaft zählen. „Das, was man zu Hause leistet, das nimmt niemand ernst“, sagt sie. „Man hat mir so oft das Gefühl gegeben, ich tue nichts und ich kann nichts, bis ich es schließlich selbst geglaubt habe.“
Als sie und ihr Mann sich trennten, wusste Daniela Wiese, dass sich jetzt etwas ändern müsse. „Ich musste wieder arbeiten gehen.“ In Politik und Wirtschaft wird viel über Teilzeit gesprochen. Und Studien zeigen, dass immer mehr Mütter schon wenige Monate bis Jahre nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Beruf einsteigen. Oft auch, weil die Familie mit einem Gehalt nicht über die Runden kommt. Doch es gibt auch viele Mütter, die mit dem ersten Kind aus dem Beruf aussteigen und lange Zeit nicht wiederkommen. Weil sie es so wollen oder weil ihr Kind ihre gesamte Aufmerksamkeit braucht. Wenn sie nach Jahren wieder zurück ins Arbeitsleben wollen, stehen sie vor schier unüberwindlichen Hürden. Doch darüber wird bislang nur wenig gesprochen.
Natürlich hatten wir dadurch zwar weniger Geld, aber unser Kind ist wichtiger als ein Urlaub. Und die vielen Termine, das wäre mit zwei berufstätigen Eltern schwer zu vereinbaren gewesen.
Daniela Wiese wäre gern viel früher wieder arbeiten gegangen. Drei Jahre wollte sie zu Hause bleiben, bis ihr Sohn Joris aus dem Gröbsten raus ist. Doch als der Junge drei war, stellten Ärzte bei ihm eine Entwicklungsverzögerung fest. „Man hat uns gesagt, er könne nie sprechen und selbst mit Förderung seien die Aussichten nicht gut“, sagt Daniela Wiese. Aufgeben kam für sie allerdings nicht infrage. „Ich wollte ihm helfen, also blieb ich zu Hause.“ Ihr Mann Dirk war einverstanden: „Natürlich hatten wir dadurch zwar weniger Geld, aber unser Kind ist wichtiger als ein Urlaub. Und die vielen Termine, das wäre mit zwei berufstätigen Eltern schwer zu vereinbaren gewesen.“
In den kommenden Jahren drehte ich Daniela Wieses Leben fast nur um Joris. Sie fuhr mit ihm regelmäßig zum Arzt, ging mit ihm in die Reha und zum Logopäden. Jeden Tag übte sie mit ihm Sprech-Aufgaben, musste ihn oft dazu motivieren. „Die meisten anderen Eltern machen das mit ihren Kindern ein paarmal in der Woche. Aber ich wollte das Beste für Joris herausholen.“ Mit großem Erfolg. Joris ist heute zwölf, besucht eine Gesamtschule in Hannover und zählt zu den guten Schülern. Dass er eine Entwicklungsverzögerung hat, merken Außenstehende nicht. „Wenn man ihn etwas fragt, dann lässt er sich manchmal Zeit mit der Antwort. Wir wissen, was dahintersteckt, aber ein Fremder würde einfach nur denken, er ist ein bisschen verträumt“, sagt sein Vater.
Erziehungsarbeit wird von der Gesellschaft nicht honoriert
Doch während es für Joris bergauf ging, ging es für Daniela Wiese bergab. Immer musste sie sich rechtfertigen, was sie denn den ganzen Tag täte. „Das nagt schon an einem“, sagt sie. Und auch die Beziehung zu ihrem Mann litt. „Ich musste Kollegen und Freunden auch oft erklären, warum meine Frau nicht arbeitet. Und habe selbst oft gedacht: ‚Ich habe heute das und das gemacht. Und was hat sie geleistet?‘ Die Unzufriedenheit hat sich einfach eingeschlichen“, sagt Dirk Wiese. Irgendwann ging es nicht mehr weiter, sie trennten sich. „Ab dem Zeitpunkt war mir klar, dass ich eine Arbeit brauchte. Ich musste schließlich eine Wohnung suchen und wollte nicht von Hartz IV leben“, sagt Daniela Wiese.
Doch wie sollte sie einen Job finden? „Ich war ja so lange raus aus dem Berufsleben, fühlte mich alt und völlig unqualifiziert.“ Und in ihren alten Beruf als Verkäuferin in einer Drogeriemarktkette wollte die 40-Jährige nicht zurück. Also ging sie zur Agentur für Arbeit und da brach die Verzweiflung aus ihr heraus: „Ich kann nichts.“ Die Arbeitsvermittlerin aber hatte eine Idee und stellte ihr das von der Agentur finanzierte Programm „Zurück in den Beruf“ vor. Ein 14-wöchiges Projekt, bei dem Frauen wie Daniela Wiese nicht nur Bewerbungstraining bekommen und auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben vorbereitet werden, sondern auch neues Selbstvertrauen schöpfen lernen. „Danach war ich richtig erleichtert. Nicht nur, weil ich gemerkt habe, dass es noch mehr Frauen wie mich gibt, sondern auch, weil ich wusste, ich bekomme professionelle Unterstützung.“
Es ging erstmal darum, mir wieder Mut zu machen und meine Stärken wiederzuentdecken.
Organisiert wurde das Programm vom Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft (BNW). Der Bildungsträger unterstützt seit 15 Jahren Frauen aus unterschiedlichen Branchen beim Wiedereinstieg in den Beruf. Viele Karrierewege, eine Herausforderung: Nach längerer Auszeit für die Familie wieder Schritt fassen mit der Arbeitswelt und ihren schnellen Veränderungen. Viermal im Jahr können sich bis zu 16 Frauen auf den Wiedereinstieg in den Beruf vorbereiten. Im August 2017 ging es für Daniela Wiese los. Mit ihr saßen noch elf andere Frauen im Kurs, die meisten wahren ähnlich lange wie sie aus dem Berufsleben raus. „Eine war dabei, die hatte seit 20 Jahren nicht mehr gearbeitet.“
Das Programm ist für Frauen mit Berufsabschluss, aber für Akademikerinnen gibt es ein ähnliches Angebot. In den ersten Wochen führte Daniela Wiese viele Gespräche mit Sozialpädagogen. „Es ging erstmal darum, mir wieder Mut zu machen und meine Stärken wiederzuentdecken“, sagt sie. In anderen Kursen konnten die Frauen ihre Computerkenntnisse auffrischen oder auch zum ersten Mal den Umgang mit dem PC lernen. „Ich komme gut mit dem Computer klar und konnte dadurch anderen Frauen helfen. Das war auch gut für mein Selbstbewusstsein“, sagt Daniela Wiese. Allerdings wäre es aus ihrer Sicht besser gewesen, wenn der Kurs noch länger gedauert hätte und der Schwerpunkt EDV größer gewesen wäre. „Einige Frauen konnten danach gar nicht gleich in den Beruf, sondern mussten noch einen EDV-Kurs machen. Da ging natürlich Zeit verloren.“ Zum Schluss musste jede Frau ein sechswöchiges Praktikum absolvieren, Daniela Wiese verbrachte es in der Verwaltung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
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Bei dem Programm geht es allerdings weniger darum, die Frauen direkt in Arbeit zu vermitteln, als ihnen vielmehr zu helfen, sie psychisch wiederaufzubauen, ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Familie mit einem Berufsleben vereinbaren können, und den in ihrer Situation passenden Beruf zu finden. „Die meisten, die an dem Programm teilnehmen, wollen erst mal in Teilzeit arbeiten und schauen, ob sich das mit ihren familiären Aufgaben vereinbaren lässt“, sagt Cornelia Springfeld, bis vor kurzem Geschäftsstellenleiterin des BNW und mitverantwortlich für Wiedereinstiegsprogramme für Frauen. Die Kurse sind nach Branchen und Abschlüssen unterteilt, und die meisten Frauen belegen zurzeit das Projekt „Back to Job“ für Frauen mit akademischem Abschluss in einem naturwissenschaftlichen Zweig.
Knapp die Hälfte schafft nach den Kursen direkt den Sprung in eine Anstellung, die andere Hälfte qualifiziert sich weiter. Auch Daniela Wiese hat gleich eine Anstellung gefunden, in einer Agentur für die Weiterbildung von Pflegekräften. Dabei ist ihr jedoch das Glück zu Hilfe gekommen. „Vorher habe ich auch viele Bewerbungen geschrieben und auch viele Absagen bekommen“, erzählt sie. Diese Anzeige sei allerdings anders geschrieben gewesen als der Standard. Offener, freundlicher, ansprechender. „Da habe ich versucht, meine Bewerbung im gleichen Stil zu schreiben – und habe die Chefin so überzeugt, dass sie mich direkt eingestellt hat.“ Dabei geholfen hat ihr ihr neu erworbenes Selbstbewusstsein. „Vorher hätte ich mich das so nicht getraut.“ Und auch ihr Privatleben hat sich zum Guten gewendet. Mit ihrem Mann ist sie nun wieder zusammen. „Es hat viel zwischen uns verändert, dass ich nun wieder arbeite.“