(rb). Detlef Kleinert ist tot. Ohne Zweifel war er der profilierteste Politiker der niedersächsischen FDP, der seine Weggefährten nicht nur im Wortsinn um Haupteslänge überragte. Rechtsanwalt, Versicherungsunternehmer, Schatzmeister der Partei, beinahe drei Jahrzehnte hindurch Bundestagsmitglied und eine Weile Bundesvorstandsmitglied der Liberalen, gescheit, schlau, immer wohlinformiert: Es will noch nicht in den Kopf, dass einem der Hannoveraner nie mehr in der Stadt über den Weg laufen wird, seine kräftige Stimme und sein herzhaftes Lachen verstummt sind.
Die wichtigste der vielen Begabungen Kleinerts war vermutlich, dass er Atmosphäre zu schaffen verstand. Egal, ob im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, bei den Koalitionsgesprächen 1974 mit der SPD und deren sprödem Alfred Kubel oder während besonders zäher Verhandlungen im Rechtsausschuss des Parlaments reichten einige lose, aber gescheite Bemerkungen Kleinerts, dass aus gereizter Unnachgiebigkeit vertrauensvolle Fairness wurde und vernünftige Gesetzesregelungen beschlossen wurden. Seine Gesprächspartner aus den inzwischen „alten“ Parteien, in denen er ebenso wie in der FDP nicht wenige Gegner hatte, haben das stets neidlos anerkannt. Viele seiner Sprüche sind haften geblieben: „Einige halten Grimassenschneiden schon für Profilbildung“, meinte er irgendwann, als die FDP gerade mal wieder ihr Image zu polieren versuchte.
Der einstige Münchener Corpsstudent, der sich Anfang der 1950-er dem kleinen, aber feinen und unabhängigen FDP-Nachwuchsverband LSD anschloss, hat die linken Strömungen in seiner Partei stets mit Argwohn betrachtet. Seine FDP sollte so sein wie Genscher, wie Lambsdorff, wie Scheel, mithin wie er selber, auf gar keinen Fall so wie die Hirschs oder die Schuchardts. Detlef Kleinert war rechts von der Mitte daheim und hatte für Utopien nichts übrig, vielleicht weil sein Juristenverstand dafür nicht taugte. Politik muss zu Ergebnissen führen, war eine seiner Maximen. Und dafür arbeitete er erfolgreich im Rechtsausschuss des Bundestags. Die damals auch in den eigenen Reihen höchst umstrittene Aufhebung der Verjährung von Mord hat er mit durchgesetzt; für die Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 175, der wie ein Damoklesschwert über den Homosexuellen hing, hat er geworben; auch die Reform des Scheidungsrechts hat er mitformuliert. Was soll’s, dass er daneben auch ein paar kleinere Klientelanliegen durchboxte. Ein typischer Kleinert-Satz lautete, er wolle im Bundesanzeiger von den Früchten seiner Tätigkeit lesen, sein Name brauche jedoch nicht in den Tageszeitungen zu stehen.
Wo er freilich einige Male recht unfreundlich wenn nicht bösartig erwähnt wurde. Mal war ein handfester Knatsch in einer Kneipe der Grund, mal war es eine alkoholbenebelte Rede im Bundestag, die er aus dem Stegreif zu halten hatte (und die sich im Protokoll dennoch besser liest als Reden mancher seiner abstinenten Kollegen). Der dem prallen Leben zugewandte Kleinert, der übrigens nichts gemein hatte mit der anrüchigen „Hannover-Connection“, hat die Häme hingenommen und bei sich vermutlich gedacht, was kümmert es die dicke Eiche, wenn sich das Borstenvieh an ihr reibt.
Detlef Kleinert starb am 17. Juni. Kaum einer wusste von seiner schweren Erkrankung. Ende Juli hätte er den 84. Geburtstag gefeiert. Vielleicht wieder mit einem seiner schönen Gartenfeste, die nun nur noch gute Erinnerung sind. p.s.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #117.