Bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit Sitz in Peine ereignen sich in jüngster Zeit aufregende Dinge. Kurz vor Weihnachten war bekannt geworden, dass sich das größte von der BGE organisierte aktuelle Projekt, die Suche nach einem nationalen Atommüll-Endlager, in die Länge zieht. Anstelle von 2031 als bisher angepeiltem Termin für die Festlegung eines Standortes war nun von „frühestens 2046“ die Rede, auch 2068 wurde als Möglichkeit erwähnt. Im Dezember erklärte das von Steffi Lemke (Grüne) geführte Bundesumweltministerium, ein Endlager solle für eine Million Jahre Sicherheit bieten – dann müsse ein ehrgeiziger Zeitplan für die Standortfindung hinter den maximalen Anforderungen an die Stabilität zurückstehen. Aus der BGE hatte es geheißen, die Auswertung der geologischen Daten möglicher Endlagerstandorte dauere vermutlich länger als zunächst geplant, entsprechend müssten auch die möglichen Methoden angepasst werden.

Das war Ende 2022. Inzwischen nun verdichten sich Hinweise auf personelle Änderungen. BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz (CDU), der vor fünf Jahren als junger, engagierter Hoffnungsträger in die Gesellschaft gerufen worden war, verlässt sie demnächst und heuert beim Stromversorger RWE Power an. Er soll für die Abwicklung von Kernkraftwerken zuständig sein. Es gibt einige, die in diesem Wechsel ein Compliance-Problem sehen, da Kanitz von einer Behörde mit Zuständigkeit für die Kernenergie in ein Unternehmen der Kernenergie geht. Die Nummer eins der Geschäftsführung, Stefan Studt (SPD), früher Innenminister in Schleswig-Holstein, scheidet im August aus der BGE aus, wie im Dezember bekannt wurde. Sein Vertrag endet dann – und soll nicht verlängert werden. Damit ist die Bundesbehörde nicht nur kopflos, sondern wirkt obendrein noch geschwächt durch die offen eingestandene Verzögerung bei der Endlagersuche. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Victor Perli sah gegenüber der „Braunschweiger Zeitung“ einen Grund für das wenig professionelle Arbeiten der BGE ihre Politisierung, die von der damaligen Großen Koalition vor einigen Jahren betrieben worden sei. Da jetzt ein Ingenieur mit langer Berufserfahrung und Kenntnissen für die Endlagerplanung gesucht werde, könne man das als spätes Eingeständnis einer verfehlten Personalpolitik bewerten. Dem Politikjournal Rundblick sagte Perli, die Fehler weiteten sich auf andere Bereiche aus: Die Asse-Begleitgruppe habe sich aus Protest aufgelöst, nachdem die BGE zehn Jahre für eine Skizze zum Rückholungsplan gebraucht habe und sich Standortvergleichen verweigere. Beim Schacht Konrad habe es 60 Planänderungen, erhebliche Verzögerungen und explodierende Kosten gegeben – ebenfalls verantwortet von der BGE.
Sind nun beide BGE-Spitzen für die verzögerte Endlager-Suche haftbar zu machen?
Sind nun beide BGE-Spitzen für die verzögerte Endlager-Suche haftbar zu machen – oder spielt nicht vielmehr der gegenwärtige politische Einfluss eine weit größere Rolle? Verantwortlich für die Atompolitik ist das Bundesumweltministerium, und zunächst müsste die BGE und im zweiten Schritt das Bundesumweltministerium selbst Rede und Antwort stehen, wenn in den kommenden Jahren über die Eignung verschiedener Orte als Atommüll-Endlager gestritten würde. Die Verschiebung des Starttermins entlastet nun weniger die Planer bei der BGE, sondern vermutlich stärker noch all jene, die in der politischen Diskussion Ansprechpartner wären, zu allererst das Bundesumweltministerium. Mit der Verzögerung stellen sich nun aber neue Probleme: Wie steht es um die atomaren Abfälle, die nun noch länger an den Zwischenlagern – etwa in Gorleben oder an den bisherigen Kernkraftwerken – ausharren müssen? Außerdem betreibt die BGE das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle Schacht Konrad in Salzgitter, das DDR-Endlager Morsleben bei Helmstedt und die Asse bei Wolfenbüttel. Wohin sollen nun die Fässer aus der Asse gebracht werden, eignet sich nicht Salzgitter? Und was ist mit den Einsprüchen gegen den Planfeststellungsbeschluss zu Salzgitter, den BUND und Nabu vorgebracht haben? Gestern hat der für diese Entscheidung zuständige niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne) erklärt, er werde diesen Antrag, der von Kommunen des Braunschweiger Landes vehement unterstützt wird, intensiv prüfen und rasch darüber entscheiden.