Es ist ein gutes Signal, dass dieser unsägliche Versuch, Lehrer an den Pranger zu stellen, bisher schief geht.
Rundblick: Ein anderes Thema ist das „Meldeportal“ der AfD – die Partei hatte Eltern dazu aufgerufen, solche Lehrer zu melden, die im Unterricht gegen die AfD wettern. Nun wird berichtet, dass die Resonanz auf diese Portale, die neben anderen Ländern auch in Niedersachsen eingerichtet worden, recht gering blieb.
Tonne: Es ist ein gutes Signal, dass dieser unsägliche Versuch, Lehrer an den Pranger zu stellen, bisher schief geht. Ich führe das auch auf die große Debatte zurück, die wir darüber geführt haben. Wir erleben aber in Niedersachsen immer wieder Versuche der AfD, abseits von Online-Pranger, Schulen in ihrer Arbeit zu beeinflussen – mit unsäglichen Angriffen auf Lehrer und auch auf Schüler. Das führt zur Verunsicherung. Dort ist es unsere Aufgabe, dass wir uns schützend vor Schulleitungen und Lehrer stellen. Bitte lasst nicht zu, dass ein solcher Druck von außen dazu führt, dass Ihr Eure Arbeit ändert. Wir brauchen einen breiten, gesellschaftlichen Schulterschluss gegen solche Versuche, Lehrkräfte in eine Ecke zu stellen, in der sie Angst haben müssen.
Rundblick: Am Mittwoch müssen Sie nach Goslar zum Philologentag. 2018, als Sie schon einmal dort waren, haben Sie Entlastungen für Gymnasiallehrer rund ums Abitur versprochen. Was ist daraus geworden?
https://soundcloud.com/user-59368422/wurden-sie-schon-opfer-von-hassnachrichten-herr-tonne
Tonne: Was wir 2018 versprochen haben, ist umgesetzt. Punkt. Ich fahre nicht zu den Verbandstagungen mit der Absicht, ein Bündel von Geschenken abzuliefern. Wir sollten dort eine gute Debatte darüber führen, was wir machen müssen, um Belastungen zu senken und Lehrern Freiräume zu schaffen, damit sie richtig guten Unterricht gestalten können. Wir müssen aber auch schauen, was wir umsetzen können. Die Philologen werden ihre Forderungen vortragen – und wir sagen: Auch weiterhin arbeiten wir daran, Verbesserungen im Bereich der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und Schulleitungen zu erzielen, auch mit Blick auf die Arbeitszeit, die Unterrichtsversorgung und die Ressourcen. Wir haben eine vernünftige Dialogstruktur mit dem Philologenverband und die behalten wir bei. Dass die Verbände sehr deutlich ihre Forderungen vortragen, ist gleichwohl ihr gutes Recht. Aber richtig ist auch: Wir haben einen deutlich höheren Bedarf an Lehrern im Bereich von Hauptschule, Realschule, Oberschule. Das sollten wir nicht verschweigen, sonst wäre es unredlich.
Rundblick: Sie planen eine Kampagne, um neue Lehrer zu werben. Was kann man dazu schon verraten?
Tonne: Sie wird aus zwei Teilen bestehen. Das eine ist: Wir möchten, dass die Gesellschaft hohe Wertschätzung gegenüber Lehrern hat. Lehrer müssen nicht alles auffangen, was schiefläuft im Zusammenleben der Menschen, sondern sie haben eine wichtige Aufgabe als Lehrkraft. Dafür gilt es, danke zu sagen. Daneben gibt es den werbenden Aspekt – schaut Euch an, was wir alles anbieten. Macht Euch auf den Weg, werdet Lehrer! Im Dezember werden wir die Kampagne der breiten Öffentlichkeit vorstellen.
Ich will den Anspruch nicht aufgeben, dass diejenigen, die in die Schule gehen, das angstfrei tun können.
Rundblick: Liegt es nicht auch am Geld: Die GEW möchte einen Stufenplan, um möglichst alle Lehrer auf mindestens A13 zu bringen. Wie steht es darum?Tonne: Die Stufen zu beschreiben, ist ja noch relativ einfach. Wir haben uns entschieden – ab August 2020 findet die erste Stufe statt, das ist verbindlich. In vielen anderen Ländern wird noch diskutiert. Im nächsten Jahr wollen wir gemeinsam schauen, wann wir weitere Schritte auf die Spur setzen. Mir geht es nicht darum, vergleichend irgendeine Arbeit wichtiger oder weniger wichtig zu qualifizieren, wenn es um die Gegenüberstellung von Gymnasial- und Hauptschullehrern geht. Wir müssen prüfen, wie hat sich Arbeit von Lehrern verändert gegenüber früher – und rechtfertigt das eine andere Bezahlung? Ich glaube: Ja, das ist so. Wir müssen Lehrer besser bezahlen, vor allem im Bereich von Grund-, Haupt- und Realschullehrern. Aber die Sache ist im Detail sehr kompliziert, und es ist auch keinem geholfen, wenn Gerichte eine Entscheidung später wieder einkassieren.
Rundblick: Lassen Sie uns noch über „Hate Speech“ reden. Wir haben den Rücktritt des Landeselternratsvorsitzenden Mike Finke, der sich über aggressive Angriffe beklagte, und wir haben Berichte über Politiker, die sich zunehmend Anfeindungen ausgesetzt sehen. Sind Sie auch betroffen?
Tonne: Das kommt leider immer wieder vor. Das ist etwas, was – gefühlt – auch zunimmt. Ich reagiere unheimlich empfindlich, wenn man morgens aus der Haustür tritt und hat in der Nacht offensichtlich irgendwelche Kaffeetassen an die Wand geworfen bekommen. Das muss einen nachdenklich machen. Den Rücktritt von Mike Finke habe ich mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Wenn ehrenamtlich engagierte Menschen keinen anderen Ausweg als Rücktritt sehen, dann ist da insgesamt etwas ins Rutschen gekommen. Ich will den Anspruch nicht aufgeben, dass diejenigen, die in die Schule gehen – Schüler, Lehrer und Mitarbeiter – das angstfrei tun können. Eigentlich muss es sogar unser Anspruch sein, dass sie glücklich in die Schule gehen. Wir werden gemeinsam im Dezember beraten, was wir präventiv tun können und repressiv – Gewalt gegen Lehrer und Schüler geht nicht. Wichtig ist auch, der Verrohung von Sprache entgegenzuwirken. Wir müssen lernen, wie wir uns vernünftig in der Sache streiten können, uns aber trotzdem ins Gesicht gucken, nachher auch die Hand geben und sagen: Wir haben eine unterschiedliche Position, aber wir gehen respektvoll miteinander um. In Schulen geht es darum: Wie können wir Mitsprachen und Teilhabe so ausgestalten, dass Schüler lernen wie wichtig es ist, sich in der Sache auseinanderzusetzen – aber dabei anständig in der Wortwahl zu bleiben.

