Ab dem 1. Januar des neuen Jahres könnte die Wolfspolitik in Niedersachsen und bundesweit eine ganz andere sein. Doch noch bleiben viele Fragen unbeantwortet. Erst Ende November wollen sich die Umweltminister der Länder auf einen neuen gemeinsamen Kurs verständigen. Vorschläge dazu hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am 12. Oktober vorgestellt. Diese sehen vor, dass nach einem festgestellten Nutztierriss in einem Radius von einem Kilometer um den Tatort und für einen Zeitraum von 21 Tagen unkompliziert der Abschuss von Wölfen erlaubt werden können soll. Eine DNA-Überprüfung zur Identifizierung des Einzeltiers würde künftig entfallen.

Voraussetzung für die zeitnahe Entnahmeerlaubnis wäre allerdings, dass die Länder zuvor Problemregionen mit einer erhöhten Wolfs-Aktivität definiert haben und der Vorfall sich in einer solchen Region ereignet hat. Wie diese neuen Regelungen zur Entnahme von Problemwölfen nun aber im Detail ausgestaltet und im Land umgesetzt werden, konnte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) am Freitag im Plenum des niedersächsischen Landtags noch nicht abschließend erklären.
Die AfD-Fraktion hatte dazu in der Fragestunde entsprechend nachgehakt. Die Abgeordneten wollten wissen, wie die „Region mit erhöhtem Rissvorkommen“ inhaltlich, räumlich und zeitlich definiert werden soll, unter welchen Voraussetzungen die Bejagung von Wölfen bei einem Großtierriss überhaupt stattfinden können wird und ob sich für Jäger mit Revieren in etwaigen Abschuss-Zonen irgendwelche Verpflichtungen ergeben könnten.
Obwohl Meyer zunächst auf die noch ausstehende Beschlussfassung der Umweltministerkonferenz verwiesen hatte, führte er anschließend zumindest die Position der niedersächsischen Landesregierung aus. Grundsätzlich wolle man, „so viel wie möglich zum Schutz der Tierhalter erreichen“, versicherte der Minister im Landtag, ohne ausführlich auf eine Konkretisierung zur Festlegung der Problemwolf-Regionen einzugehen. „Wir wollen Handlungsmöglichkeiten haben. Wo wir viele Nutztierrisse haben, müssen wir handeln können.“
An anderer Stelle und zu anderer Zeit hatte Meyer aber bereits ausgeführt, dass man sich bei der Bestimmung der Regionen nicht nur an der Ausbreitung des Wolfsbestands orientieren werde, sondern an vermehrten Nutztierrissen. Inwiefern man sich an den Grenzen der Kommunen orientieren wird, in welchem Prozess die Regionen ausgewiesen und inwiefern die Gültigkeit überprüft wird, bleibt derweil noch unklar.

Im Landtag sagte Meyer lediglich, die Landesregierung wolle sich dafür einsetzen, dass es künftig klare Regeln und viel Spielraum für die Länder gebe. Bezüglich der Regelungen zu Großtierrissen sagte Meyer, dass man die bisherigen Regelungen beibehalten wolle. Soll heißen: Der zumutbare Herdenschutz soll etwa bei Pferden und Rindern auch dann schon als gegeben angesehen werden, wenn die Tiere in der Herde auftreten. Einen wolfsabweisenden Zaunbau rund um Pferdekoppeln und Rinderweiden strebt Meyer nicht an.
Zu den möglichen Verpflichtungen, die sich für Jäger aus einer Ausnahmegenehmigung ergeben könnten, erklärte der Umweltminister, dass künftig dasselbe gelten solle wie bislang: Man wolle keine Verpflichtung zur Umsetzung des Abschusses, sondern eine Ermöglichung. Wer konkret die Abschüsse im Auftrag des Staates durchführen wird, wollte Meyer aber nicht ausführen – zum Schutz der Betroffenen. Die Auftragserteilung solle anonym bleiben, „egal ob Jäger oder Polizisten“: Die Abschüsse würden auch künftig von sachkundigen Menschen ausgeführt, die auf Grundlage des Rechts handelten, sagte Meyer.

Anne Kura, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, warf der AfD-Fraktion vor, das Thema zu nutzen, um eine emotionalisierte Debatte anzuzetteln und Verunsicherung zu schüren. Das sei ihnen diesmal aber nicht gelungen, meinte sie. Aufgrund der Frage der AfD-Abgeordneten zu möglichen Verpflichtungen für Jagdberechtigte und Mutmaßungen über die Nutzung von Hochsitzen durch fremde Kräfte stellte die Politikerin der Grünen die Motive der Fraktion infrage: „Wollen Sie unbürokratisch handeln? So ein Vorschlag liegt auf dem Tisch. Oder wollen Sie es nur weiter verkomplizieren und bürokratische Hürden aufbauen, indem wir hier darüber diskutieren, wer wann auf welchem Hochsitz sitzen kann?“

Marco Mohrmann, agrarpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, warf dem Umweltminister unterdessen vor, mit unterschiedlichen Zahlen zu hantieren, die Auffälligkeit der Rudel herunterzuspielen und Wolfsabschüsse gar nicht erleichtern zu wollen. Dass derzeit ein zügiges Handeln bei Nutztierrissen ausbleibt, sieht er als Beleg dafür, dass entweder die Aussage der Bundesumweltministerin, dass eine Gesetzesänderung nicht nötig sei, nicht stimmte – oder aber die Landesregierung in Hannover bei raschen Wolfsabschüssen blockiere.
Mohrmann appellierte an Meyer: „Machen Sie sich im Sinne der Menschen im ländlichen Raum nützlich, ergreifen Sie den Steigbügel und verhelfen Sie der Bundesministerin Lemke in den Sattel, damit sie das umsetzen kann, was sie selbst im Koalitionsvertrag vereinbart hat.“