Von Niklas Kleinwächter

„Fridays for future“ ist eine eher weibliche Bewegung. Dieses Bild drängt sich nicht nur auf, wenn man die prominenten Köpfe der Klima-Protestbewegung betrachtet, sei es Greta Thunberg in Schweden oder Luisa Neubauer in Deutschland. Eine Studie bescheinigt den Klimaaktivisten sogar, zu zwei Dritteln weibliche Anhänger zu haben. Doch ist „Fridays for future“ auch eine feministische Bewegung?

Was hat Klimaschutz mit Feminismus und Anti-Rassismus zu tun? – Foto/Grafik: nkw

Ein Aufsatz auf der Internetseite der hannoverschen Regionalgruppe argumentiert vehement für diese Position und appelliert, der Klimaprotest möge sich zum Beispiel mit dem Frauenkampftag solidarisieren. Aber auch bei anderen Kundgebungen, sei es der Christopher-Street-Day der Lesben- und Schwulenbewegung oder die Anti-Rassismus-Kundgebungen unter dem Motto „Black Lives Matter“, tauchten die Aktivisten von „Fridays for future“ zuletzt vermehrt auf und meldeten sich zu Wort. Richtet sich die Bewegung gerade neu aus? Stellt sie sich gar breiter auf, um größere Ziele zu erreichen? Oder versuchen sie nur, ein wenig von den anderen Protesten zu profitieren, während sie selbst derzeit nicht demonstrieren können?


Lesen Sie auch:

#AlleFürsKlima: So lief die Demo in Hannover

Alle Staatsziele sind gleich, aber manche sind gleicher

Sollen die Klimaaktivisten mehr Einfluss auf die politischen Prozesse bekommen?


Die Klammer, die all diese Themen zusammenhalte, sei die Klimagerechtigkeit, erläutert im Rundblick-Gespräch Lou Töllner, Pressesprecherin von „Fridays for future„ Hannover. Die Lage der indigenen Völker beispielsweise, deren Lebensraum durch Abholzung oder Klimawandel bedroht sei, habe die Bewegung schon von Anfang an beschäftigt. Über die Zeit seien nun immer neue Aspekte hinzugekommen, derer sie sich erst bewusst werden mussten. Vieles habe dabei mit der eigenen, sehr privilegierten Situation der Aktivisten zu tun. „In Deutschland geht es uns vergleichsweise gut, während Aktivisten im globalen Süden mit Angst vor Verfolgung leben müssen“, sagt Töllner. Jetzt wolle man die eigene Reichweite nutzen, um nicht nur das originäre Anliegen der Klimaaktivisten nach vorn zu bringen, sondern auch andere, schwache Gruppierungen zu unterstützen.

Die globale Erhitzung führt dazu, dass immer mehr Naturkatastrophen auftreten – und diese unterscheiden nach Geschlecht.

Was aber hat Klimaschutz mit Feminismus zu tun? Auf der Homepage der hannoverschen Ortsgruppe von „Fridays for future“ findet man eine mehrere Seiten lange Abhandlung zu dem Thema, die direkt auf der Startseite beworben wird. Darin konstatieren die Klimaaktivisten, dass Frauen sehr viel häufiger Opfer des Klimawandels würden. „Die globale Erhitzung führt dazu, dass immer mehr Naturkatastrophen auftreten – und diese unterscheiden nach Geschlecht“, heißt es dort. Ein bemerkenswerter Satz, möchte man doch meinen, dass eine Naturkatastrophe gar keinen eigenen Willen hat und auch nicht die Fähigkeit besitzt, sich auszusuchen, wen sie nun heimsucht. Das sieht man bei „Fridays for future„ allerdings anders. „Weltweit sind Frauen stärker vom Klimawandel betroffen“, schreiben sie weiter.

Nicht nur Klimaschutz, sondern Klimagerechtigkeit

Die Argumentation dahinter verläuft so: Der Klimawandel belastet zunächst den globalen Süden stärker als den globalen Norden. Und im Süden – also beispielsweise in Afrika oder Lateinamerika – geht es den Frauen noch sehr viel schlechter, sie sind benachteiligter als auf der Nordhalbkugel, und gehen häufiger schlecht bezahlten Arbeiten nach, müssen sich zudem um die Kinder kümmern. Aus diesem Grund, weil sie insgesamt schlechtergestellt sind, treffe sie dann auch die Klimakrise stärker. Die Argumentation geht aber noch weiter. Die feministische Lesart erstreckt sich über die Folgen sowie die Ursprünge der Klimakrise. So referieren die Aktivisten, dass Frauen in der Klimakrise auch noch zusätzlich Opfer sexualisierter Gewalt würden. Und überhaupt komme es gerade nur zur Klimakrise, weil alte weiße privilegierte Männer in den Chefetagen der Welt den Ton angäben. So schließt sich der Kreis, so bilden Klima-Aktivismus und Feminismus eine Allianz.

Wenn Menschen aufgrund ihrer Sexualität der Zugang zu Schutzeinrichtungen verwehrt wird, ist das alles andere als Klimagerechtigkeit.

Diese Argumentation wiederholt sich analog auch beim Einsatz für sexuelle Minderheiten oder gegen Rassismus. „Klimagerechtigkeit geht nur antirassistisch“, schrieb „Fridays for future“ im Zusammengang mit den Black-Lives-Matter-Kundgebungen vor einer Woche. Und in einer Videobotschaft zum Christopher-Street-Day eine weitere Woche zuvor erklärten die jungen Klimaaktivisten, sie sähen den Klimawandel nicht nur als Umwelt- oder technisches Problem, sondern als gesellschaftlich-politisches. Auch Lesben, Schwule oder Transsexuelle litten stärker unter dem Klimawandel, heißt es dort weiter, und auch hier liege das Grundproblem in diskriminierenden Strukturen vor allem im globalen Süden, sowie an heterosexuellen Männern in der politischen Führung. „Wenn Menschen aufgrund ihrer Sexualität der Zugang zu Schutzeinrichtungen verwehrt wird, ist das alles andere als Klimagerechtigkeit“, erklären sie.


https://www.facebook.com/fridaysforfuturehannover/videos/263526551386433/


Die Argumentation wiederholt sich und wird immer wieder zur Systemfrage: Eine Gesellschaft, die Frauen nicht gleichbehandelt wie Männer, schützt auch kein Klima. Ein Staat, der rassistisch agiert, schützt auch kein Klima. Eine Parteivorsitzende, die gegen die Homo-Ehe ist, schützt auch kein Klima. Töllner erklärt, zwischen all diesen Aspekten gebe es einen sehr engen Zusammenhang. Als Paradebeispiel nennt sie den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, in dem sich all das vereine: er sei rassistisch, sexistisch und stelle sich gegen Minderheiten – und dann lässt er eben auch den Regenwald abholzen.

Sind privilegierte Männer das Problem?

Welche Schlussfolgerung zieht die Bewegung nun aus diesem Gedankenkonstrukt? Sind die alten weißen Männer das Grundproblem des Systems, das es zu beseitigen gilt? „Das Problem sind Menschen, die sich ihrer Privilegien nicht bewusst sind“, erklärt Töllner. „Das ist kein Vorwurf an diese Gruppe. Sie muss sich nur ihrer Privilegien bewusstwerden und dann entsprechend handeln.“ Doch das reicht ihnen am Ende eben auch noch nicht, eine Quote soll dennoch her.

Die will sich „Fridays for future“ nun übrigens auch selbst verschreiben. Man mache auch in den eigenen Strukturen immer wieder Erfahrungen mit Sexismus, erzählt Töllner. Und es sei ja bekannt, dass Männer immer auf die machtvollen Posten drängten. Deshalb habe sich jetzt eine feministische Struktur gegründet und ein Forum, das darauf achtet, dass die Posten quotiert verteilt werden. Sogar in der eigenen, weiblich dominierten Bewegung möchte sich „Fridays for future“ nun also vor männlichen Einflüssen schützen.