17. Aug. 2022 · 
Inneres

Wie frei sind die Abgeordneten? Neue Debatte über Nebentätigkeiten steht bevor

Mit der endenden Legislaturperiode des Landtags steht auch die Frage im Raum, wie die Landtags-Geschäftsordnung der nächsten, nämlich der 19. Wahlperiode des Landtags aussehen soll. Viel spricht dafür, dass diese schon in der konstituierenden Sitzung beschlossen werden soll – also nach dem aktuellen Terminplan am 8. November. Das heißt nun aber, dass schon jetzt die Vorbereitungen für mögliche Änderungen in die Wege geleitet werden müssten. Nach den bisherigen politischen Einlassungen der verschiedenen Fraktionen ist dabei mit mehreren Neuregelungen in bestimmten Themenbereichen zu rechnen – mit einer klareren Rechtsstellung für die fraktionslosen Abgeordneten, mit der Frage der familienfreundlichen Gestaltung von Mandaten und mit einer noch transparenteren Regelung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten.

Aktuelle Nebentätigkeiten: Besonders spannend dürfte die Diskussion über die Frage werden, ob und in welcher Form die Nebentätigkeiten und -einkünfte von Abgeordneten künftig allgemein bekannt gemacht werden sollen. Bisher müssen die Abgeordneten die Arbeiten, die sie neben ihrem Mandat leisten, gegenüber der Landtagspräsidentin angeben. Das gilt auch für Firmen- und Kapitalbeteiligungen. Sie werden dann auch im Handbuch des Landtags veröffentlicht, allerdings nur dann, wenn diese über einer Bagatellgrenze von 1000 Euro monatlich oder 10.000 Euro im Jahr liegen. In Form von Stufen. Die unterste Stufe geht bis maximal 3500 Euro, die höchste regelt Einkünfte von 250.000 Euro aufwärts. Zwei CDU-Abgeordnete gelten gemeinhin als diejenigen, die Spitzenverdiener sein könnten – Uwe Dorendorf aus Lüchow-Dannenberg, der eine Versicherungsagentur betreibt, und Thomas Ehbrecht aus dem Eichsfeld, der mehrere Geschäftsführerposten innehat. Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hatte kürzlich recherchiert und festgestellt, dass jeder Sechste der derzeit 137 Abgeordneten 2020 und 2021 Nebeneinkünfte erzielt habe. Dabei sei es in einigen Fällen zu einer verzögerten Übermittlung von Angaben gekommen, da Corona-bedingt Steuererklärungen verspätet abgegeben wurden. In anderen Fällen sind Abgeordnete an Unternehmen beteiligt und in der Geschäftsführung aktiv, erhalten aber nur ein minimales Salär dafür, das unter der Bagatellgrenze liegt.

Diskussion über Änderungen: Die Grünen dringen seit langem darauf, die Bestimmungen über die Angabe von Nebentätigkeiten zu verschärfen. Der SPD-Landesvorstand hat vor Monaten einen ähnlichen Beschluss gefasst: Künftig solle nicht erst ab 1000 Euro monatlich, sondern schon vom ersten Euro des Nebenverdienstes an eine Anzeigepflicht gegenüber der Landtagspräsidentin bestehen. Die Höhe der Nebeneinkünfte müsse auch konkret veröffentlicht werden, nicht wie bisher nur in Stufen. Allerdings macht der SPD-Landesvorstand eine wichtige Einschränkung, es solle „gegebenenfalls Ausnahmen des Schutzes Dritter“ geben, die etwa Rechtsanwälte betreffen. Dabei geht es darum, dass ein Abgeordneter mit Nebentätigkeit Rechtsanwalt durch eine Transparenzpflicht gegenüber Konkurrenten, die nicht Mandatsträger sind, benachteiligt sein könnte – wenn man die Mandanten und den Umfang der Mandatsarbeit einschätzen kann. Schließlich hat die SPD-Spitze beschlossen, Unternehmensbeteiligungen von Abgeordneten nicht erst ab 25 Prozent anzuzeigen, sondern schon ab fünf Prozent der Stimmrechte. Abgeordnete sollten auch den Umfang der Nebentätigkeiten angeben – damit erkennbar ist, welchen Zeitaufwand sie dafür brauchen. Dahinter steckt die Skepsis, ob Abgeordnete in solchen Fällen überhaupt noch genügend Zeit für ihre Mandatstätigkeit aufwenden.

Einwände gegen viel Transparenz: Vor allem von der CDU, aber auch aus den Reihen der FDP sind die bisherigen Rufe nach „mehr Transparenz“ bei Abgeordneten-Nebentätigkeiten nicht nur wohlwollend aufgenommen worden. Kritiker sehen als Teil des freien Mandates auch das Recht zu Nebentätigkeiten, die sich sogar zugunsten der Unabhängigkeit des Politikers auswirken könnten, da er mit den Nebeneinkünften wirtschaftlich unabhängiger werde und freier entscheiden könne.

Familienfreundlichkeit und Fraktionslose: Spannend ist auch die Debatte darüber, ob es in der nächsten Legislaturperiode die Möglichkeit einer Auszeit für Abgeordnete geben könnte. Bisher muss ein Parlamentarier, der krankheitsbedingt oder wegen familiärer Pflicht aussetzen muss, sein Mandat niederlegen und einem Nachrücker Platz machen. Die Ehrenamtskommission hatte beraten, ob man nicht eine vorübergehende Vertretung regeln könne. Wie ein solcher Schritt verfassungskonform geregelt werden kann, steht aber bisher in den Sternen. Ein offener Punkt in der Debatte über die Geschäftsordnung ist auch der Umgang mit fraktionslosen Abgeordneten. Laut Verfassung haben auch sie besondere Rechte – aber bisher spiegelt sich das in der Landtags-Geschäftsordnung nicht wider.

Dieser Artikel erschien am 18.8.2022 in Ausgabe #141.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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