Wie sich die Stimmung wandelt in der Politik: Zu Beginn der Sommerpause wurden die SPD-Landtagsabgeordneten, die sich in diesem Jahr für den Bundestag oder ein Landrats- oder Bürgermeisteramt bewerben, von einigen belächelt. Die SPD, damals im Umfragetief, galt nicht als gute Heimat für erfolgversprechende Wahlkämpfe.

Inzwischen ist es anders. Neun SPD-Landtagsabgeordnete, also ein Sechstel der Fraktion, strebt am 12. und am 26. September zu neuen Ufern. Inzwischen können sie alle mit einem Erfolg rechnen, und das liegt am überraschend starken Bundestrend für die Sozialdemokraten, der sich in verschiedenen Umfragen abbildet. Frauke Heiligenstadt kann in Northeim Bundestagsabgeordnete werden, Christos Pantazis in Braunschweig und Dunja Kreiser in Wolfenbüttel. Petra Emmerich-Kopatsch kann Bürgermeisterin von Clausthal-Zellerfeld werden, Jörg Domeier Samtgemeindebürgermeister in Nord-Elm. Tobias Heilmann könnte Landrat in Gifhorn werden, sein Kollege Bernd Lynack Landrat in Hildesheim – und Alexander Saipa Landrat in Goslar. Sogar Frank Henning hätte eine Chance auf den OB-Posten in Osnabrück, obwohl er dort bisher nicht als Favorit galt.

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Wenn das alles so käme, würde die SPD vermutlich ein rauschendes Fest feiern – und neun Nachrücker auf der Landesliste im Landtag willkommen heißen. Unter ihnen können auch altbekannte Gesichter sein wie Gerd Will aus der Grafschaft Bentheim oder Renate Geuter aus Friesoythe. Geuter war früher jahrelang die Finanzexpertin der SPD – und sie kann es wieder werden, sollte Heiligenstadt, die derzeit diese Aufgabe wahrnimmt, in den Bundestag wechseln.

Für die SPD wäre ein Wahlerfolg im September bei Bundestags- und Kommunalwahlen also mit einer Auffrischung (über teils Altgediente) der eigenen Reihen im Landtag verbunden – das könnte Kraft spenden für den Landtagswahlkampf, der nächstes Jahr bevorsteht. Womöglich gäbe es gar die Chance auf eine Änderung im Kabinett, sollte Olaf Scholz (SPD) Kanzler werden und die SPD auch den nächsten Bundesinnenminister stellen. Dafür böte sich als Seehofer-Nachfolger dann Boris Pistorius an, der Landes-Innenminister. Auch Bundes-Generalsekretär Lars Klingbeil aus Walsrode könnte ins Kabinett gehen und neben Hubertus Heil als weiterer Niedersachse in Berlin aufsteigen. Das sind also derzeit nicht die schlechtesten Aussichten für Niedersachsens SPD. Solche Perspektiven liefern einen Motivationsschub.

Missmut bei der CDU

Bei der CDU sieht die Lage gegenwärtig ganz anders aus. Hier macht sich Missmut breit. Die Spitze der Bundespartei hatte sich, starken Sympathiebekundungen der Basis für Markus Söder zum Trotz, klar für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten entschieden. Ähnlich war es bei der Landespartei, hier zeigte CDU-Landeschef Bernd Althusmann gegenüber Laschet die Treue, ebenso andere führende Köpfe der Niedersachsen-CDU. In einer Kreisvorsitzenden-Konferenz war im April die Stimmung kurz zuvor jedoch eine andere gewesen – dort hatte sich eine stark wahrnehmbare Strömung zugunsten von Söder bemerkbar gemacht.


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Dennoch zeigte Althusmann seine Verbundenheit mit Laschet, und einige in der CDU meinen nun hinter vorgehaltener Hand, bei einer drohenden Niederlage am 26. September könnte das auch Althusmann beschädigen. Immerhin muss sich die CDU demnächst neu aufstellen für die Landtagswahl, die schon in gut einem Jahr sein wird – und eine demoralisierte CDU könnte anfällig werden für heftige Flügelkämpfe. Drei CDU-Landtagsabgeordnete peilen derzeit nach anderen Ämtern – Mareike Wulf will in den Bundestag, Jens Nacke und Kai Seefried wollen Landräte werden. Mittlerweile ist bei allen dreien fraglich, ob sie das schaffen können. Wulf tritt in einem SPD-geprägten Wahlkreis an, ihr Listenplatz 9 ist zwar gut – aber auch nur dann, wenn die CDU insgesamt stark genug bleibt, ausreichend Abgeordnete im Bundestag zu stellen.

Bei lediglich 20 Prozent Zweitstimmenanteil wäre das nicht so. Womöglich, heißt es aus der Partei, zieht die Liste kaum. Nacke und Seefried haben in ihren Landkreisen zudem engagierte Gegenkandidaten für die Landratsposten. Anders als bei den Sozialdemokraten ist damit die Frage der Neuaufstellung der Landtagsfraktion im Herbst unsicher. Sollte Nacke neuer Landrat werden, spricht aber einiges dafür, dass der frühere Innenminister Uwe Schünemann neuer Parlamentarischer Geschäftsführer an der Seite von Landtags-Fraktionschef Dirk Toepffer wird und damit Nacke beerbt.

Veränderungen bei den Grünen

Auch die Grünen im Landtag müssen sich auf Veränderungen einstellen – denn drei profilierte Landtagsabgeordnete, das entspricht einem Viertel der Fraktion, haben gute Aussichten auf den Wechsel in den Bundestag. Stefan Wenzel und Helge Limburg sind zwei davon, sie genießen als langjährige Parlamentarier bisher den Ruf, die Partei gut auf mögliche Koalitionen mit der SPD oder der CDU und die FDP nach der nächsten Landtagswahl vorbereiten zu können. Für die Dritte in diesem Kreis, Susanne Menge, gilt das weniger, sie wird eher als polarisierend beschrieben. Aber die drei Nachrücker, die im Fall der Fälle in den Landtag kommen dürften, haben auch eine realpolitische Ader und könnten gut Wegbereiter für eine Regierungsbildung mit grüner Beteiligung auf Landesebene sein.

Auf den nächsten Plätzen der Nachrückerliste steht die Osnabrücker Landrätin Anne Kebschull (die ablehnen dürfte), dann der Hannoveraner Thomas Schremmer und Marie-Christine Kollenrodt, derzeit Landratskandidatin der Grünen in Göttingen. Es folgen der Braunschweiger Finanzpolitiker Gerald Heere und die Hannoveranerin Maaret Westphely. Beide, Heere und Westphely, werden dem Realo-Flügel zugeordnet und haben auch bereits Landtagserfahrung. Der absehbare Verlust von Wenzel und Limburg in der Landtagsfraktion scheint also durchaus aufgefangen werden zu können.

Zwei FDPler wollen Landräte werden

Auch die FDP im Landtag könnte nach der Kommunal- und Bundestagswahl zu einer Neuaufstellung veranlasst werden. Zwei profilierte Abgeordnete, Christian Grascha aus Einbeck und Björn Försterling aus Wolfenbüttel, bewerben sich als Landräte. Chancen werden besonders Grascha zugeschrieben, da er als gemeinsamer Bewerber von FDP und CDU die Northeimer Landrätin Astrid Klinkert-Kittel herausfordert und einen besonders engagierten Wahlkampf betreibt.

Nun stärkt der aktuelle „Genosse Trend“ auch in Northeim die amtierende Landrätin und schmälert Graschas Erfolgsaussichten. Aber noch sind ja knapp zwei Wochen Zeit bis zur Landratswahl. Als Nachrückerin im Fall von Graschas Wechsel stünde die Unternehmerin Tanja Kühne aus Walsrode bereit. Für das Profil und den Kurs der FDP im Landtag wären damit wohl keine Änderungen verbunden. (kw)