Migrantenquote bei fast 40 Prozent
Frank Klingebiel (CDU), der Oberbürgermeister, ist gegenüber Visionen zwar nicht abgeneigt. Aber er spricht, ganz Pragmatiker, lieber über die aktuellen Herausforderungen. Salzgitter hat mit 8,5 Prozent eine erhöhte Arbeitslosenquote, die Gewerbesteuer schwankt stark, die Einnahmen aus der Einkommensteuer sind eher bescheiden, weil viele gut situierte Bürger außerhalb wohnen. Vor allem aber gibt es das Problem mit den Zuwanderern, die Migrantenquote liegt nahe 40 Prozent. Weil viele Flüchtlinge aus Syrien, die nach der Anerkennung keine Arbeit fanden und günstige Unterkünfte brauchten, in die alten und heruntergekommenen Werkswohnungen zogen, entstanden dort mit der Zeit „Parallelgesellschaften“. Betroffen sind fünf ohnehin schon sozial schwierige Wohnviertel. In einigen Kindergärten und Schulen wurde dort nicht mehr deutsch gesprochen, es gibt immer wieder Reibereien mit Nachbarn. Im Oktober 2017 entschloss sich die Landesregierung auf Drängen der Stadt, eine Zuzugssperre zu verhängen. Seither dürfen anerkannte Flüchtlinge hier nicht mehr heimisch werden. Doch die bis dahin zugezogenen Menschen leben hier noch immer, die günstigen Wohnungen gibt es auch noch, und in jüngster Zeit sind sie begehrt vor allem unter osteuropäischen Neu-Bürgern, knapp 2000 von ihnen sind in den vergangenen vier Jahren gekommen. 6000 ehemalige Flüchtlinge, überwiegend Empfänger staatlicher Leistungen, und knapp 2000 zugezogene Ost-Europäer - „das gibt sozialen Sprengstoff“, berichtet der Oberbürgermeister. [caption id="attachment_44219" align="alignnone" width="585"]
Andere Kommunen sind neidisch auf Salzgitter
Die ersten Überlegungen von Klingebiel, vorgetragen im Herbst vergangenen Jahres, sahen so aus: Die Stadt muss die leerstehenden 3000 Wohnungen kaufen, das kostet etwa 80 Millionen Euro. Noch einmal diese Summe sei nötig, um die Integration der Flüchtlingen in den betroffenen Stadtteilen langfristig zu organisieren – über Kindergärten, Schulen, Sprachförderung und Betreuung. Da die Stadt selbst kein Geld hat, sei man auf die besondere Hilfe und Unterstützung des Landes angewiesen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lässt seit Monaten keine Gelegenheit aus, sein eigenes Engagement für die Stadt zu betonen. So wird es auch kommenden Montag sein, wenn er vor Ort in Salzgitter auftritt und das Förderprogramm verkündet. Wie aber soll dies aussehen? Die Frage hat in den vergangenen Monaten intern zu einigen Debatten geführt. Nicht nur manche Kommunalvertreter schauten neidisch auf Salzgitter, auch in der Landespolitik gab es lange unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche. Für Klingebiel ist wichtig, dass die Stadt zunächst einige der leerstehenden Häuser erwirbt, dort investiert (etwa die Zusammenlegung zweier kleiner zu einer großen Wohnung oder der Anbau von Balkons) und neue, attraktive Wohnangebote schafft – notfalls aber auch unbewohnbare Unterkünfte abreißt. Auf diese Weise könne der Bildung von Slums vorgebeugt werden. Auch Investitionen in zwingend notwendige Angebote für Kinderbetreuung, Sprachförderung und Schulplätze, die gerade in Gebieten mit hohem Ausländeranteil umso nötiger sind, sollten hinzukommen.