1. Feb. 2022 · 
Umwelt

Wie 3D-Modelle die nachhaltige Nutzung des Grundwassers erleichtern können

Wasser bedeutet zweierlei – Leben und Gefahr. Wasser in die richtigen Bahnen zu lenken sowie klug und nachhaltig zu nutzen, ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben Niedersachsens. Moore macht es zu Klimarettern, Städte kann es in heißen Sommern kühlen. In der Natur ist es Lebensraum und Artenretter. Die Landwirtschaft braucht das Wasser so sehr wie die Industrie. Zu viel davon zerstört jedoch Ernten und im schlimmsten Fall sogar Städte. Das Politikjournal Rundblick bringt eine Artikelserie über das Wasser. Heute Teil zwei: Grundwasser nachhaltig bewirtschaften.

Für die Wasserwirtschaft sind 3D-Modelle von Erdreich und Wasser äußerst hilfreich. | Grafik: GettyImages/mel-nik

Man könnte meinen, an Niederschlag mangelte es in Niedersachsen nicht. Doch diese Annahme stimmt nicht mehr ganz. Extreme Hitze und trockene Sommer haben in den vergangenen Jahren an den Reserven gezehrt. Im Winter regnete es dann manchmal kaum genug, um die Vorräte wieder aufzufüllen. An 23 Prozent der Messstellen in Niedersachsen wurde im vergangenen Jahr ein Rückgang des Grundwasserspiegels festgestellt. Setzt sich dieser Trend fort, gibt es Probleme für viele wichtige Bereiche – zunächst natürlich für die Trinkwasserversorgung, denn 85 Prozent davon werden in Niedersachsen über das Grundwasser gedeckt.

Dass diese Sorge nicht nur theoretischer Natur ist, zeigte im Sommer 2020 das Beispiel Lauenau im Landkreis Schaumburg, wo das Trinkwasser plötzlich knapp wurde und die Menschen zum Wassersparen angehalten werden mussten. Das Grundwasser wird allerdings auch von der Landwirtschaft genutzt, für die Feldberegnung oder als Trinkwasser für die Tiere – und auch die Industrie und das Gewerbe sind auf Wasser angewiesen. Und für die Natur muss am Ende schließlich auch noch ausreichend Wasser übrigbleiben.

Große Koalition will Klima-Messnetz fürs Grundwasser

Wie also kann das Grundwasser in Niedersachsen vom Menschen so genutzt werden, dass es für seine Zwecke ausreicht, ohne dass andere Bereiche Schaden nehmen? Die Große Koalition hat einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht, gestern gaben Experten im zuständigen Umweltausschuss ihre Stellungnahmen dazu ab. Die Regierungsfraktionen stellen sich darin ein Klima-Messnetz vor, mit dessen Hilfe möglichst viele und tagesaktuelle Daten zum Grundwasserstand erhoben werden können. Die Daten sollen dazu beitragen, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu schauen und so die Bewirtschaftung des Grundwassers besser zu regulieren. Es schwebt ihnen zudem vor, dass Meldestufen analog zu jenen für das Hochwasser auch für das Grundwasser festgelegt werden könnten: Sinkt das Grundwasser also unter eine gewisse Schwelle, sollen dann bestimmte Schutzmaßnahmen in Kraft treten. So weit, so einfach. Doch die Welt der Wasserwirtschaft ist etwas komplizierter.

Wasserverbandstag-Geschäftsführer Godehard Hennies. | Foto: privat

Der Wasserverbandstag für die Länder Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gab in seiner Stellungnahme zunächst zu bedenken, dass die Dynamiken beim Hochwasser und beim Grundwasser grundverschieden seien. Das Hochwasser entwickelt sich rasant und unmittelbar, das Grundwasser langsam und zeitverzögert. Die Trockenstände der vergangenen Jahre seien beispielsweise bereits mehrere Jahre vorher ablesbar gewesen, erklärte Godehard Hennies, Geschäftsführer des Wasserverbandstags. Eine tagesaktuelle Analyse hätte keinen weiteren Erkenntnisgewinn gebracht, meint er, zumindest nicht in den Lockergesteinsbereichen in Niedersachsen. Zudem werde das Grundwasser von vielen Faktoren beeinflusst: dem Niederschlag und der Verdunstung, der Entnahme und der Entwässerung. Nicht nur Hennies vom Wasserverbandstag, auch Egon Harms vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV) mahnte deshalb im Umweltausschuss ein Verfahren an, das dieser Komplexität Rechnung trägt.

Die Meldestufen der Regierungsfraktionen erscheinen den Wasserbewirtschaftern eher holzschnittartig. „Der Grundwasserleiter ist nicht wie eine Badewanne, das ist ein ganz, ganz komplexes Gebilde“, erklärte Harms und verdeutlichte dies mit Darstellung der unterirdischen Sand-, Ton- und Kiesschichten. „Nur mit Strömungsmodellen kann man Konsequenzen für die Wasserentnahme erkennen“, sagte er und erläuterte, dass sich die Konflikte ums Grundwasser auf die ersten zwei Meter der darunter gigantischen Grundwasserkörper fokussieren würden. Denn diese oberen Schichten sind jene Bereiche, aus denen auch die Landwirtschaft oder die Natur ihre Bedarfe decken.

Wasserverbände setzen auf 3D-Modelle

Die Wasserverbände setzen deshalb auf dreidimensionale Modellierung der unterirdischen Gesteinsformationen und eine computergestützte Auswertung dieser Daten. Hennies beschrieb ein Forschungsprojekt, bei dem geologische Modelle, Strömungsmodelle und Nitrat-Transportmodelle miteinander verschränkt und im Zusammenhang betrachtet werden können. Berücksichtigt werden dabei die unterschiedlichen Gesteinsschichten und deren Durchlässigkeit, wodurch ein „wesentlich genaueres und zuverlässigeres“ Grundwasser-Strömungsmodell erarbeitet werden kann, so Hennies. Hätte das Land bessere Daten und würden diese mit modernen Methoden auswerten, würden die Regionen in die Lage versetzt, die Bewirtschaftung des Grundwassers besser steuern zu können, meinen die Vertreter der Wasserverbände.

Quelle: OOWV

Wasserverbandstag-Chef plädiert für Baukastenkonzept

Hennies erläuterte zudem, dass man die vorhandenen Programme und Modellierungen besser miteinander vernetzen könnte. So habe man beispielsweise aus der Verbindung von Grundwasser- und Wasserhaushaltsmodell erkennen können, dass in den betrachteten Regionen nicht die fehlende Grundwasserneubildung, sondern die Entwässerung das Problem war. Weil jede Region ihre Besonderheiten hat, setzt der Wasserverbandstag auch auf regionalisierte Maßnahmen.


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Absolute Schwellenwerte beim Grundwasser, die dann gewisse Handlungsforderungen nach sich zögen, findet Hennies problematisch – erst recht dann, wenn diese gleichförmig für das gesamte Land gelten sollten. Das sieht man übrigens auch bei den kommunalen Spitzenverbänden so: „Was für die Küste gilt, gilt nicht für Heide oder Harz“, sagte Thorsten Bludau vom Landkreistag im Umweltausschuss des Landtags. Er plädierte für ein Baukastenkonzept, das Maßnahmen bereithält, die von Behörden oder Wasserversorgern vor Ort gezogen werden könnten.

Quelle: OOWV

Das mittel- bis langfristige Ziel sollte es aus Sicht der Wasserverbände sein, für das gesamte Bundesland eine geologische Modellierung zu erstellen. Harms vom OOWV erklärte jedoch, dass es die Aufgabe des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) sein sollte, eine solche flächendeckende Kartierung zu beauftragen. Wenn Niedersachsens Untergrund dann sichtbar gemacht wurde, könnten alle Beteiligten viel besser erkennen, wo noch Wasser entnommen werden kann – und wo man das besser nicht tun sollte.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #019.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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