9. Mai 2025 · 
InterviewVerkehr

„Wenn das Geld kommt, müssen wir liefern“: Das plant Straßeninfrastrukturchef Quander

Vor einem Jahr hat Timo Quander die Leitung einer der größten Landesbehörden in Niedersachsen übernommen – unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe. Seither hat er neue Strukturen, neue Beteiligungsformate und mehr Offenheit nach außen geschaffen – viele Baustellen im wörtlichen wie übertragenen Sinn. Mit dem Rundblick spricht der Präsident der Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) über Brückensanierungen, Bürgerbeteiligung, Fachkräftemangel und die Frage, ob der Staat eigentlich zu kompliziert plant.

Timo Quander (rechts) spricht mit Christian Wilhelm Link über seine Pläne für die NLStBV. | Foto: Andreas Moseke

Rundblick: Herr Quander, bevor wir über Brücken, Baustellen und Beteiligung sprechen – erzählen Sie uns doch kurz Ihren Weg zum Präsidenten der NLStBV.

Quander: Ich bin Hannoveraner, Anfang 50, verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Ich habe in Hannover Jura studiert, auch mein Referendariat hier absolviert und bin danach in den Landesdienst eingestiegen. Mein Ziel war immer das Wirtschaftsministerium. Meine „Assessorenrotation“ habe ich im Geschäftsbereich des Innenministeriums, zum Beispiel in der Landesvermessung durchlaufen. Später klappte der Wechsel ins Wirtschaftsministerium, wo ich viele Jahre mit verschiedensten Aufgaben betraut war – etwa mit dem Glücksspielstaatsvertrag, in der Kartellbehörde und der EFRE-Finanzkontrolle. Zum Schluss koordinierte ich noch die Aktenvorlage in der sogenannten Vergabeaffäre.

Rundblick: Das war damals eine komplexe Angelegenheit, wie lief das genau?

Quander: Ursprünglich sollte ich nur die interne Koordination des Wirtschaftsministeriums übernehmen. Doch die Anforderungen des mit der Untersuchung betrauten Ausschusses weiteten sich rasch auf alle Ressorts, Gesellschaften und nachgeordneten Behörden aus. Schließlich koordinierten wir das mit einem kleinen Team insgesamt tatsächlich aus einem Kellerraum im Ministerium heraus, wenngleich ein großer.

Rundblick: Wie ging es danach für Sie weiter?

Quander: Nach dem Regierungswechsel ging ich ins Umweltministerium und leitete dort zuletzt das Rechtsreferat der Atomabteilung. Zu Beginn dieser Legislatur wechselte ich erneut ins Wirtschaftsministerium als Leiter des Referats Kabinett/Landtag und stellvertretender Abteilungsleiter Z.

Rundblick: Was hat Sie motiviert, sich für die Präsidentschaft der NLStBV zu bewerben?

Timo Quander leitet seit Anfang 2024 die mehr als 3000 Mitarbeiter starke Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. | Foto: Link

Quander: Ich kannte die NLStBV bereits durch meine Querschnittsaufgaben, aus "Kleinen Anfragen" und Parlamentsdebatten. Diese Mischung aus technischen und rechtlichen Fragestellungen fand und finde ich höchst spannend – wie in der Landesvermessung und im Atomrecht. Ich kann den Technikern zwar nicht in ihrer Profession helfen, dafür aber ihre Arbeitsgrundlagen verbessern: gemeinsam mit vielen ganz engagierten Kollegen den strategischen Rahmen setzen, die Organisation optimieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen bewerten.

Rundblick: Ihr Wechsel fiel mitten in die Hochwasserlage Anfang 2024. Wie war das?

Quander: Im Ministerium hatte ich plötzlich fast täglich mit der NLStBV zu tun. Unsere Straßen waren überflutet. Ich habe dabei den Betriebsdienst erlebt und ihn sofort als das Herz der NLStBV wahrgenommen: orange und voller Einsatz für unsere Straßen. Das hat mir gezeigt, wie wichtig unser Betriebsdienst ist. Rettungskräfte, Pendler, quasi das gesamte gesellschaftliche Leben – wir alle sind auf freie und sichere Straßen angewiesen. Da wusste ich: Mit deiner Bewerbung hast du alles richtig gemacht.

Rundblick: Wird dieser Einsatz auch von der Bevölkerung anerkannt?

Quander: Leider oft zu wenig. Wenn wir eine Fahrspur sperren dient dies dem Erhalt und der Sicherheit der Straße und damit uns allen. Wenn wir uns nicht um unsere Straßen kümmern, wird’s marode. Der Betriebsdienst ist nunmal der zentrale Faktor für den Erhalt der Infrastruktur.

Rundblick: Was macht die NLStBV sonst noch?

Quander: Ich dachte früher, ich kenne diese Behörde – Straßenbau, Planfeststellungen auch für Hochspannungsleitungen, Radwege, Luftverkehr. Aber da gibt es noch viel mehr. Wir haben zum Beispiel die Hafenbehörde und die Hafensicherheitsbehörde übernommen. Oder: Der Stellenwert des Umweltmanagements, das heißt Eingriffe zu kompensieren, ist schon lange ein Riesenthema. Deswegen ist es jetzt auch eine eigene Rubrik auf unserer Website.

Brückensanierung in Niedersachsen: Vom Problem zur Priorität

Rundblick: Seit dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden ist das Vertrauen in die Brückensicherheit vielerorts gesunken. Müssen wir uns auch in Niedersachsen Sorgen machen?

Quander: Ich persönlich mache mir keine Sorgen. Wir haben rund 4800 Brücken auf Bundes- und Landesstraßen – davon etwa 150, die wir besonders im Blick haben. Prozentual ist das also überschaubar. Aber natürlich sind 150 Brücken für sich genommen nicht wenig. Sie sind oft viele Jahrzehnte alt, ursprünglich auf 24 Tonnen ausgelegt – heute fahren 40-Tonner drüber und davon mehr als zehnmal so viele wie ursprünglich gedacht. Die Brücken sind in die Jahre gekommen, deswegen müssen wir da jetzt ran.

Rundblick: Gibt es bei bestimmten Baujahren oder Materialien besondere Risiken?

Quander: Ja, zum Beispiel bei bestimmten Sorten Stahl, die vereinzelt verbaut wurden. Auch wir haben solche Bauwerke. Aber wir kennen sie und kümmern uns gezielt um das Monitoring und die Sanierung.

Rundblick: Wie genau gehen Sie mit Blick auf die Brücken vor?

Quander: Unser Ziel ist, den Brückenbestand langfristig in ein Erhaltungsgleichgewicht zu bringen – also eine stabile Lage, bei der wir mit unseren Ressourcen dauerhaft hinkommen. Um das zu erreichen, haben wir eine Handlungsstrategie mit acht Bausteinen entwickelt. Die umfasst unter anderem eine Projektpriorisierung, die Einrichtung eines zentralen Fachdezernats, digitale Überwachung und organisatorische Maßnahmen. Die Strategie wurde im Landtag vorgestellt. Große Teile sind bereits in der Umsetzung. Ende der 2020er wollen wir sie evaluieren.

Rundblick: Was bedeutet „digitale Überwachung“ konkret?

Quander: Sensoren zeigen uns, ob sich etwas in der Brücke bewegt, ob Spannungen auftreten, wie sich das Tragverhalten verändert. Damit erkennen wir frühzeitig Probleme und können rechtzeitig reagieren. Ziel ist eine moderne Überwachung, die nicht erst bei einem Schaden aktiv wird.

Rundblick: In Berlin wird über große Infrastrukturpakete diskutiert. Was erwarten Sie – und was heißt das konkret für Ihre Behörde?

Quander: Wir wissen noch nicht, wie groß das Paket für die NLStBV am Ende wird. Aber Niedersachsen ist Transitland. Stichworte sind hier die Hafenhinterlandanbindung, Energiewendekorridore, Logistik und verstärkt auch militärische Mobilität. Wenn neue Mittel bereitgestellt werden, werden wir sicher profitieren. Es geht dabei nicht nur um Neubau, sondern vor allem um Erhalt, um Brückenertüchtigung und gleichzeitig um Anpassung an neuere Anforderungen im Umweltschutz und Klimawandelfolgen. Entscheidend ist aber: Wir müssen in der Lage sein, das auch umzusetzen. Deshalb müssen wir schon heute in die Planung einsteigen – unabhängig davon, ob die Mittel nun morgen oder übermorgen fließen. Wenn es beispielsweise über das Windhundprinzip läuft oder zeitlich begrenzte Programme aufgelegt werden, profitieren die Länder, die vorbereitet sind. Und vorbereitet zu sein heißt, Planungen in der Schublade zu haben. Gleichzeitig benötigen wir die Vereinfachung gesetzlicher Verfahren und vor allem das notwendige Personal. Wenn das fehlt, helfen auch viele Milliarden nicht weiter.

Personal, Präsenz, Partizipation: NLStBV stellt sich neu auf

Rundblick: Die Konkurrenz um Fachkräfte ist groß. Womit kann Ihre Behörde punkten?

Quander: Wir haben 13 regionale Geschäftsbereiche, neben der Zentrale in Hannover. Wir schreiben neuerdings Stellen ohne festen Standortbezug aus. Die Kollegen können sich ihren Dienstort aussuchen. Diese Flexibilisierung wirkt.

Rundblick: Was bringt das genau?

Quander: Wir erreichen Leute, die sich sonst nicht beworben hätten. Wir stärken die Fläche – auch mit hochwertigen Arbeitsplätzen. Und wir binden Kollegen, die sonst zur Konkurrenz gewechselt wären.

Rundblick: Bürgerbeteiligung ist ein weiteres großes Thema. Beispiel Westschnellweg in Hannover – was haben Sie dort ausprobiert?

Quander: Wir haben erstmals einen Bürgerrat durchgeführt. Zufällig ausgewählte Bürger aus den besonders betroffenen Stadtteilen sowie aus allen weiteren Bezirken der Stadt und den westlichen Regionskommunen haben an drei Wochenenden sehr engagiert übergeordnete Empfehlungen an die Planung, den Bau und den zukünftigen Westschnellweg erarbeitet. Dabei haben sie übrigens auch intensiv über Zielkonflikte diskutiert: Verkehrsfluss, Klima, Artenschutz, Flächenverbrauch. Externe Experten haben sie bei ihrer Beratung unterstützt.

In kleinen Gruppen berät der Bürgerrat zum Westschnellweg gemeinsam mit Experten. | Foto: NLStBV

Rundblick: Was haben Sie aus dem Prozess mitgenommen?

Quander: Die Leute wollen sich frühzeitig einbringen – nicht erst, wenn alles entschieden ist. Solche Formate bringen neue Perspektiven, schaffen Vertrauen in die rechtsstaatlichen Verfahren und stärken letztlich unsere Demokratie – auch wenn mit dem Ergebnis natürlich nicht alle am Ende zufrieden sind. Wir wollen diese Formate ausbauen, wo es sinnvoll ist.

Rundblick: Kann das Proteste verhindern?

Quander: Sicher nicht ganz. Aber: Bürgerbeteiligung hilft, Konflikte frühzeitig zu erkennen. Die Erfahrungen am Südschnellweg zeigen, dass eine frühe Beteiligung der Stakeholder und die frühe Information der direkt betroffenen Bürger allein nicht mehr reichen.

Rundblick: Straßenneubau steht politisch zunehmend unter Druck. Ist das für die NLStBV überhaupt noch ein Thema?

Quander: Der Erhalt hat bei uns ganz klar Vorrang. Aber es gibt auch Situationen, in denen man um einen Ausbau oder Neubau nicht herumkommt – zum Beispiel bei Ortsumgehungen oder auf Strecken, bei denen wir feststellen: Das reicht einfach nicht mehr. Wir haben übrigens seit 2021 keine Zuständigkeit für Autobahnen mehr, aber insbesondere bei den Bundesstraßen gehören der Aus- oder Neubau punktuell schon dazu.

Rundblick: Was ist Ihr Ziel für die kommenden Jahre?

Quander: Eine leistungsfähige, sichere Infrastruktur, die dem Mobilitätsbedürfnis unserer Bürgerinnen und Bürgern dient. Und: Die NLStBV als attraktive Arbeitgeberin bekannter machen – als Arbeitgeberin mit Transparenz, Verlässlichkeit und Flexibilität.

Rundblick: Und was wünschen Sie sich von der Bundespolitik?

Quander: Ich will das mal global beantworten – mit einem Motto Niedersachsens: „Einfacher, schneller, günstiger.“ Wenn das gelingt, profitieren wir alle.

Dieser Artikel erschien am 9.5.2025 in Ausgabe #086.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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