Enercon-Krise: Weil sieht Klimaschutz in der Bewährungsprobe
Niedersachsens Ministerpräsident Stepan Weil warnt vor einem Rückbau der Windkraft in Deutschland. Nach einem Treffen mit Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig in der Staatskanzlei in Hannover forderte Weil, das Repowering – also den Ersatz von Windkraftanlagen durch neue und leistungsfähigere Windräder – zu erleichtern. Derzeit gingen nach und nach in großer Menge die Windanlagen der ersten Generation vom Markt und diese müssten durch moderne Anlagen ersetzt werden.
„Es muss möglich sein, dass der Standort nicht in jeder Hinsicht von Anfang an neu und umfänglich überprüft und genehmigt werden muss. Bei der Überprüfung sollte man sich nur auf die neuen Aspekte beschränken, zum Beispiel auf der Höhe der Anlage“, forderte Weil. Wenn es nicht gelinge, die Windräder durch moderne Anlagen zu ersetzen, werde es nicht nur keinen Zubau bei der Windenergie geben. „Dann droht sogar ein Rückbau. Das ist in Zeiten des Klimaschutzes ein Ergebnis, das niemandem vermittelt werden kann“, warnte der Ministerpräsident. „Der Klimaschutz steht in der Bewährungsprobe. Es ist der letzte Schuss vor den Bug, das muss noch nicht die Talsohle sein“, meinte Weil zur Situation bei Enercon.
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Weil nimmt in der gesamten Windkraftbranche eine große Verunsicherung wahr. „Die ganze Branche geht am Stock und das hat natürlich auch politische Ursachen“, sagte er und sprach sich dafür aus, die aktuellen Streitpunkte umgehend anzugehen, zum Beispiel die Regelung zum Sicherheitsabstand bei Radaranlagen der Deutschen Flugsicherung. Flugsicherung sei ein hohes Gut, aber man werde die Regelungen anschauen und überprüfen müssen.
Zudem plädierte Weil für einfachere Genehmigungsverfahren und eine Debatte mit Naturschutzorganisationen darüber, wie man Artenschutz und den Aufbau erneuerbarer Energie miteinander verbinden könne. In nahezu drei Viertel aller Klagen gegen Windenergieanlagen geht es um den Artenschutz. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann sagte, Kernpunkt des schleppenden Windkraft-Ausbaus seien die örtlichen Klagen. „Wir sind alle für Windenergie, aber die persönliche Betroffenheit führt oft zur Klage und zur Verhinderung eines solchen Projektes. Das hat in den letzten zwei Jahren massiv zum Einbruch der Windenergiebranche geführt.“ Althusmann warnte davor, die Gesamtverantwortung nur bei der Bundesebene abzuladen. Man dürfe es sich nicht zu einfach machen.
Die Messe ist gelesen. Die Genehmigungsphasen in den Gemeinden dauerten zwischen drei und fünf Jahren, also zu lange.
Für Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig kommen mögliche Maßnahmen der Politik, die jetzt angeschoben werden könnten, für die bis zu 3000 Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, zu spät. „Die Messe ist gelesen. Die Genehmigungsphasen in den Gemeinden dauerten zwischen drei und fünf Jahren, also zu lange“, so Kettwig. Es sei in der Vergangenheit etwas weggebrochen, was man nicht habe auffangen können.
Enercon komme von knapp 2000 Megawatt installierter Leistung im Jahr 2017 auf noch 350 Megawatt in diesem Jahr. „Man hat uns den Stecker gezogen, und wir hatten auch keinen Akku, um das aufzufangen.“ Er warnte auch vor einer schwierigen Situation bei den Zulieferern. Es drohe eine Kettenreaktion. Enercon selbst werde sich nun neu sortieren und zu einem global agierenden Unternehmen werden.
Niedersachsen übernimmt Abstandsregelung des Bundes nicht
Ministerpräsident Weil kündigte zudem an, Niedersachsen werde die Abstandsregelung des Bundes, nach der zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen künftig mindestens 1000 Meter Abstand liegen sollen, nicht übernehmen. Das würde zu einer weiteren drastischen Reduzierung der verfügbaren Flächen führen. Derzeit würde eine Regelung für Niedersachsen geprüft, denn das Bundesrecht sieht eine Klausel vor, dass einzelne Länder abweichen können.
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Professor Hubert Meyer, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages, warnte davor, die Akzeptanz in der Bevölkerung aufs Spiel zu setzen. „Jede Veränderung der Spielregeln führt dazu, dass die Schwierigkeiten exponentiell wachsen“, sagte Meyer im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Eine niedersächsische Regelung könne daher auch dazu führen, dass nicht der Ausbau der Windkraft beschleunigt werde, sondern das Wachstum der Probleme. Meyer sieht nicht die Genehmigungsverfahren als Problem für die Flaute in der Windenergiebranche.
Der Ablauf der Verfahren, die der Gesetzgeber schließlich vorgebe, habe sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. Vielmehr seien die Förderbedingungen seitens des Bundes das Problem. Diese hätten sich verändert, wodurch der Bau neuer Anlagen deutlich an Attraktivität verloren habe. Meyer plädierte auch dafür, die Diskussion um die Windenergie auf Landesebene von der Problematik des Unternehmens Enercon zu entkoppeln. Strategische Fehler eines weltweit agierenden Unternehmens seien nicht allein mit einem starken Ausbau der Windkraft in Niedersachsen zu korrigieren.