10. Juni 2021 · Parteien

Weil beschwört die „respektvolle“ Zusammenarbeit der GroKo

Schon in gut einem Jahr könnte Schluss sein – denn der Terminplan der Verfassung sieht als frühestmöglichen Zeitpunkt der nächsten Landtagswahl Mitte Juli 2022 an, also in schon 13 Monaten. Die gestrige Landtagssitzung haben Grüne und FDP dazu genutzt, der gegenwärtigen SPD/CDU-Koalition eine „offensichtliche Handlungsunfähigkeit“ zu attestieren. Einen Ansatzpunkt sahen Stefan Birkner (FDP) und Julia Hamburg (Grüne) in einem Zitat, das Ministerpräsident Stephan Weil am 29. Mai kurz vor seiner Wiederwahl als SPD-Landeschef auf dem Landesparteitag in Hildesheim vorgetragen hatte: Zwischen Union und SPD, sagte er damals, gebe es „nicht auflösbare Meinungsverschiedenheiten“ in der Finanzpolitik – und Weil verknüpfte das mit dem selbstformulierten Ziel, nach der nächsten Landtagswahl solle es wieder eine rot-grüne Mehrheit in Niedersachsen geben.

Nun fragten FDP und Grüne, ob SPD und CDU angesichts solcher Bewertungen überhaupt noch in der Lage seien, in wenigen Wochen einen neuen Landeshaushalt aufzustellen. Birkner wiederholte allerdings nicht seinen Rat, den er vergangene Woche beim FDP-Landesparteitag hinzugefügt hatte: Man möge die Regierungsarbeit rasch beenden und vorzeitig einen neuen Landtag wählen, am besten parallel zur Bundestagswahl am 26. September 2021.

In gut einem Jahr könnte schon gewählt werden. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will trotz rot-grüner Träume kein BLatt zwischen die Koalitionäre von SPD und CDU kommen lassen. - Foto: nkw (Archivbild)

In drei Anläufen versuchte die Opposition, den Zustand der Koalition in der Landtagssitzung zu erhellen – über eine aktuelle Debatte und zwei dringliche Anfragen. Auskunft gaben von der Regierungsbank Ministerpräsident Weil und Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Vor allem Weil verteidigte seine Aussage vom Parteitag, wobei seine damalige Erwartung in Richtung Rot-Grün nicht näher thematisiert wurde. Laut Weil ist „Verantwortungsbewusstsein“ die Basis für das Zusammengehen von Sozial- und Christdemokraten 2017 gewesen.

Beide Partner seien „unterschiedlich in der Geschichte, in der Rangfolge der Themen und auch im Stil“. Aber, fügte der Regierungschef lobend hinzu, zwischen Christ- und Sozialdemokraten habe es „vom ersten Tag an eine sehr respektvolle Zusammenarbeit“ gegeben, einen „pfleglichen Umgang miteinander“. Dazu gehöre die gegenseitige Rücksichtnahme in Bereichen, die dem jeweils anderen besonders wichtig sind, und „große Kompromissbereitschaft in allen anderen Themen“. Dafür, so Weil, „danke ich den beiden Koalitionsfraktionen“.

Opposition sucht Widerspruch im Detail

Die Opposition gab sich Mühe, in einigen Detailfragen noch Unterschiede zwischen den beiden großen Fraktionen herauszuarbeiten. So hatte die SPD wiederholt Sympathie für das Modell des DGB erkennen lassen, dass ein landeseigener Fonds eine Milliarde Euro vom Land als Basiskapital bekommt, damit dann Schulden von zehn Milliarden aufnimmt und dieses Geld in die Sanierung von Landesvermögen steckt. Finanzminister Hilbers ist dagegen. Auch die Gründung einer neuen Landeswohnungsbaugesellschaft, bei der das Land selbst Sozialwohnungen im großen Stil erwirbt, teilt die Geister – die SPD will es, die CDU sieht es skeptisch. Ein ähnliches Modell ist für die Sanierung der Hochschulen im Gespräch. Hilbers betonte, dass das DGB-Modell eines Fonds dann „eine klare Umgehung der Schuldenbremse und damit rechtswidrig“ sei, wenn die einzige Zuführung vom Land direkt komme. Vertretbar sei nur ein Modell, das auch privates Kapital einbezieht, sogenannte ÖPP-Modelle etwa wie bei der Autobahnfinanzierung über eine Maut.

Ulf Thiele (CDU) meinte, die SPD wisse nur zu gut, dass die Schuldenbremse in der Verfassung stehe und Abweichungen davon gar nicht möglich seien. Daher hätten Weils Worte beim Parteitag vor allem der Pflege der sozialdemokratischen Seele gedient. Johanne Modder (SPD) versicherte, die Landesregierung leiste trotz Meinungsverschiedenheiten „hervorragende Arbeit in der größten Krise des Landes“, während die FDP auf „Frontalopposition“ schalte. Was die Landeswohnungsbaugesellschaft angeht, meinte Weil, eine Lösung sei in dieser Wahlperiode nicht mehr zu erwarten. Man werde das Ob und Wie dieser Idee aber gründliche erarbeiten, prüfen und abwägen.

Jörg Bode (FDP) wollte noch einmal den Finger in die Wunde legen und zitierte einen Passus auf der Website des von Bernd Althusmann (CDU) geführten Wirtschaftsministeriums. Dort wird unter dem Stichwort „Entlastungsoffensive für den Mittelstand“ vom Bund gefordert, die Arbeitszeitregeln neu zu ordnen – weg von einer täglichen und hin zu einer wöchentlichen Bestimmung der maximalen Arbeitszeit. Der Ministerpräsident ging darauf kurz ein und sagte: „Diese Vorschläge waren noch nicht Gegenstand der regierungsinternen Diskussion.“ Hier werde die Meinungsverschiedenheit also trotz der öffentlichen Verbreitung über die Website des Ministeriums toleriert.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #109.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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