In Niedersachsen steht demnächst eine Entscheidung an, die auf den ersten Blick recht unspektakulär ist – auf den zweiten dann nicht mehr. Es geht um die Verlängerung des Schienennetzes im Bereich Weser-Ems, das bisher bis 2026 an die Nord-West-Bahn vergeben ist. Wie das Wirtschaftsministerium auf Anfrage mitteilt, kann die bisher vorgesehene Frist bis 2028 verlängert werden, vielleicht sogar noch weiter. Das ist deshalb nicht unwahrscheinlich, da hinter der neuen Ausschreibung eine Grundsatzfrage steckt: Nach welcher Technik sollen die Züge künftig, also in den Jahren nach 2030, im Raum Weser-Ems verkehren?

Vor Jahren war der elektrische Betrieb anvisiert worden, dessen strikte Umsetzung aber daran leidet, dass auf weiten Strecken die elektrischen Oberleitungen noch fehlen. Jetzt kommen zwei alternative Wege in die Planung: entweder ein Zugverkehr mit batteriebetriebenen Zügen, die regelmäßig neu aufgeladen werden müssen, oder aber der Einsatz von Wasserstofftechnik, die eine Zukunftstechnologie ist und eine Initialzündung für einen großflächigen Umbau der Verkehrswirtschaft darstellen könnte.
Zur Vorbereitung dieser grundsätzlichen Entscheidung, die im Wirtschaftsministerium fällt, hat die DB Netz AG ein Gutachten geschrieben. Dieses ist dann vom Oldenburger Energiekonzern EWE bewertet und ergänzt worden. Nach Auskunft eines Sprechers von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hat das DB-Gutachten das Votum über die künftige Antriebstechnik „vorbereitet“. Eine Entscheidung darüber solle „noch in diesem Jahr“ fallen. Auf die Frage, zu welcher Form das Ministerium neigt, gibt es aus dem Ministerium keine definitive Antwort. Die Investitionsbedarfe für die Infrastruktur, die Betriebskosten und die Fahrdynamik der Fahrzeuge müssten verglichen werden – und das vor dem Hintergrund des Fahrplans, der kürzere Takte vorsehen soll. Grundsätzlich eigne sich die Wasserstoff-Variante für längere Strecken.
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Aber auch der Aufwand für die Wasserstofftankstelle (EWE plant eine größere für Oldenburg, die 2023 fertig sein soll) müsse berücksichtigt werden – im Vergleich zu sogenannten „Strominseln“, an denen batteriebetriebene Züge nachgeladen werden müssten. So könne eine Tankfüllung Wasserstoff für 600 bis 1000 Kilometer reichen, also für eine Tagesleistung des Wasserstoffzuges, der Tankvorgang dauere eine halbe Stunde. Batterieelektrische Triebzüge müssten alle 80 bis 100 Kilometer neu geladen werden, das Laden brauche jeweils eine Viertelstunde. Dieser Vergleich spricht also für Wasserstoff.
Besonders in den Blick gerät jetzt aber die Strecke zwischen Oldenburg und Osnabrück, die bisher nicht über elektrische Oberleitungen verfügt. Das Wirtschaftsministerium erklärt dazu: „Wenn man die Fahrplanverbesserungen erreichen will, muss die Reisezeit hier verkürzt werden.“ Nun empfehle das DB-Gutachten, diese Strecke zu elektrifizieren, also neue Oberleitungen zu bauen. Dazu erklärt aber das Wirtschaftsministerium: „Wir gehen inzwischen davon aus, dass die angestrebte Fahrzeitreduktion auch bei Einsatz von Fahrzeugen mit alternativer Antriebstechnik (also ohne eine Vollelektrisierung) erreichbar ist.“
Ein durchgängiger Halbstundentakt solle zwischen Oldenburg und Osnabrück erreicht werden. Auch auf der Strecke Delmenhorst-Wildeshausen sollen mehr Züge verkehren, ein Ausbau sei zwischen Delmenhorst und Hesepe nötig. In dieser Position klingt nun Skepsis gegenüber dem vor 14 Jahren formulierten, bisher nicht offiziell aufgehobenen Ziel einer „Vollelektrisierung“ der Strecke Osnabrück-Oldenburg an. Aus gutem Grund, denn der Bau von durchgängigen Oberleitungen wäre teuer und zeitaufwendig.

Definitiv klingt das Nein des Wirtschaftsministeriums zu einer Vollelektrisierung dieser Strecke allerdings bisher noch nicht, und so sehen Skeptiker das Risiko eines taktischen Vorgehens: Wird das Wirtschaftsministerium am Ende vielleicht doch die Batterie-Variante wählen, um Druck beim Bund für eine Vollelektrisierung der Strecke Oldenburg-Osnabrück zu entfalten? Bisher war der Bund diesbezüglich abweisend mit Blick auf seinen Bundesverkehrswegeplan. Wenn aber nun die Batterie-Variante käme, würde dahinter das Ziel vermutet, über diesen Zwischenschritt eine schnellere Vollelektrisierung der Strecke Oldenburg-Osnabrück durchzusetzen und im nächsten Schritt sehr viel mehr Güterzüge als bisher dort verkehren zu lassen.
Der Abfluss eines stark wachsenden Güteraufkommens am Jade-Weser-Port Richtung Süden könnte dann womöglich zwischen Oldenburg und Osnabrück laufen – mit allen negativen Folgen für die Anwohner und die Verkehre. Im DB-Gutachten ist von Investitionen für Kreuzungsbahnhöfen die Rede, und das Ergebnis könnte sein, dass 58 Güterzüge täglich dort verkehren könnten – also 30-mal mehr als bisher. Eine solche Masse ließe sich dann wohl über Wasserstoff-Züge noch nicht bewältigen, was gegen diese Variante spräche. Allerdings: Für den Abfluss riesiger Mengen an Güterverkehr vom Jade-Weser-Port Richtung Süden kämen auch alternative Bahnrouten in Betracht. Wie ernsthaft diese gegenwärtig geprüft werden, bleibt noch unklar.