Just zum Auftakt der letzten Plenarwoche vor der Sommerpause spitzt sich ein zentrales Thema überraschend zu: Droht die Trägerstruktur der Nord/LB, die 2019 in aufwendigen Verhandlungen besprochen und beschlossen wurde, nun an einem Streit über IT-Investitionen zu zerbrechen? Am Montag sagte der Präsident der Sparkassen in Hessen-Thüringen, Stefan Reuß, gegenüber dem Informationsdienst „Bloomberg“: „Wir könnten uns durchaus vorstellen, unsere gehaltenen Nord/LB-Anteile abzugeben, sollte Niedersachsen ein entsprechendes Angebot vorlegen.“

So klar hatte sich öffentlich bisher noch kein Sparkassenvertreter zu dem Thema geäußert. Gleichzeitig erklärte er seine Sympathie für einen möglichen Deal rund um die „Braunschweigische Landessparkasse“ (BLSK), die bisher ein Teil der Nord/LB ist. Im Braunschweiger Land pochen die Städte Braunschweig und Salzgitter, sowie die Kreise Wolfenbüttel, Helmstedt und Holzminden seit langem darauf, auf die BLSK mehr Einfluss zu haben – da sie die einzigen Kommunen in Deutschland seien, die nicht die Hoheit über die Sparkasse in ihrem Gebiet haben. Reuß sagte in dem Interview, die deutschen Sparkassen könnten „die BLSK übernehmen und im Gegenzug ihre Nord/LB-Anteile an Niedersachsen abgeben“. An Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) richtete er die Erwartung, seine eigenen Vorstellungen konkreter als bisher zu erläutern. Weil hüllt sich seit Tagen in Schweigen.

Die jüngsten Aussagen des Sparkassenpräsidenten für Hessen und Thüringen setzen nun die niedersächsische Landesregierung unter Druck. Der seit Monaten schwelende Grundsatzkonflikt wird nun zunehmend auf öffentlicher Bühne ausgetragen: Die Nord/LB hat eine neue IT nötig, die 500 Millionen Euro kosten soll. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und der Sparkassenverband aus Niedersachsen (SVN) sind für diese Anschaffung.
Die Familie der übrigen deutschen Sparkassen und die Familie der Landesbanken, die in zwei Gesellschaften namens „Fides“ vereint sind, stellen aber 24 Prozent der Anteile bei der Nord/LB – und sie sagen bisher nein und blockieren damit die IT-Anschaffung. Aus ihrer Sicht solle die Nord/LB schrumpfen und sich nicht zu einer zu starken Landesbank entwickeln – denn das bereite den übrigen Landesbanken und Sparkassen Konkurrenz.

Ministerpräsident Weil ging Anfang Juni in die Offensive und sagte auf dem Deutschen Sparkassentag, bei einer Nicht-Einigung über die Ausrichtung der Nord/LB müsse man „die Partnerschaft der Landesbanken und Sparkassen notfalls freundschaftlich und einvernehmlich beenden“. Dass Weil sich in der Weise vor größerem Publikum einließ, war nach Einschätzung einiger Kritiker im Landtag fahrlässig – „damit hat er die Büchse der Pandora geöffnet“, erklärte vor wenigen Wochen ein Abgeordneter, der ungenannt bleiben will. Weil hätte, so meinte er, alle Träger der Nord/LB an ihre Mitverantwortung erinnern und den Konflikt still beilegen sollen. Jetzt aber fache er den Streit erst richtig an.

Der Weg einer stillen Verständigung scheint nun kaum mehr möglich zu sein. Nachdem schon der Präsident der ostdeutschen Sparkassen, Ludger Weskamp, Anfang Juni die Abgabe der Nord/LB-Anteile als „vorstellbar“ bezeichnete, markiert die im Ziel ähnliche und in der Form noch viel deutlichere Aussage von Stefan Reuß nun eine neue Eskalationsstufe in dem Streit. Die von den Sparkassen offen kommunizierte Variante sieht so aus: Die Fides-Gesellschaften würden als Träger der Nord/LB aussteigen, das Land Niedersachsen würde die Anteile übernehmen. Gleichzeitig würden die Fides-Gesellschaften aber die dann aus der Nord/LB herausgeschnittene BLSK tragen, sozusagen im „Ringtausch“.

Allerdings hat diese Überlegung offenbar zwei Haken. Erstens dürfte die deutsche Sparkassen- und Landesbankenfamilie kein Interesse an einer dauerhaften Trägerschaft der BLSK haben, die Übernahme ist wohl nur gedacht als Zwischenschritt auf dem Weg zur Übertragung an die Kommunen im Braunschweiger Land. Diese müssten dafür aber viel Geld aufbringen, das ist nicht einfach, die Kreditaufnahme müsste das Innenministerium genehmigen. Zweitens wäre auch die Allein-Trägerschaft Niedersachsens, Sachsen-Anhalts und des SVN für die Nord/LB wohl nicht zum Nulltarif machbar. Es muss damit gerechnet werden, dass die Fides-Gesellschaften ihren Abschied von der Nord/LB finanziell versüßt haben möchten.
Bisher ist nicht vorgesehen, dass die Landesregierung zu diesem Thema in der heute startenden Landtagswoche die Abgeordneten unterrichten will.
