Warum im Landtag zu wenig Frauen sitzen
Von Isabel Christian
Ein Gesetz sollte mehr Frauen in die Landesparlamente bringen, doch die Frauenquote fand in der vergangenen Legislaturperiode keine Mehrheit. Jetzt dürfte die Debatte wieder neu angefacht werden, denn dem neuen Landtag gehören weniger Frauen an als in den fünf Jahren zuvor. Von 31,3 Prozent ist der Anteil der weiblichen Abgeordneten auf 28,5 Prozent gefallen. Doch woran liegt es, dass offenbar immer mehr Frauen eine politische Karriere scheuen? Der Rundblick hat bei vier neuen Frauen im Parlament nachgefragt.
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Thordies Hanisch (Uetze, SPD) glaubt, dass viele Frauen sich eine Karriere in der Politik nicht zutrauen. „Wenn man als Frau in einer Gruppe ist, die hauptsächlich aus Männern besteht, tritt man ganz anders auf, um sich Gehör zu verschaffen“, sagt sie. „Aber es ist nicht gut, wenn Frauen sich wie Männer verhalten müssen, um Erfolg haben zu können.“
Die Zeit für politisches Engagement nimmt sie sich zwischen dem Halbtagsjob als Stadtplanerin und der Betreuung des elfjährigen Sohns. „Mein Mann arbeitet als Key Account Manager und ist flexibel, sodass wir die Erziehung und den Haushalt unter uns aufteilen können.“ Sie selbst bezeichnet ihren Mut als ihre beste Eigenschaft. Aufgewachsen mit zwei älteren Brüdern, ist sie die Konkurrenz mit Männern gewohnt. „Ich nehme kein Blatt vor den Mund“, sagt die heute 37-Jährige.
Doch um mehr Frauen für ein politisches Engagement begeistern zu können, müsse es mehr Vorbilder geben. „Es muss vorstellbarer werden, dass man als Frau in der Politik auch in wichtige Ämter kommen kann.“ Hanisch glaubt, dass eine Quote dabei helfen würde. „Mit einer Quote müssten die Parteien Frauen stärker fördern.“ Und wenn die Parlamente zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestünden, könnten Frauen auch wie Frauen agieren, ohne anzuecken.
Laura Rebuschat (Hildesheim, CDU) hatte ein Vorbild: die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen. Vor ein paar Jahren, während des Politikstudiums, hat sie bei der heutigen Verteidigungsministerin ein Praktikum gemacht. „Ich bin bis heute beeindruckt von ihr, denn in dieser Zeit habe ich erfahren, dass sie als Frau ganz schön viel Gegenwind bekommt und auch viel Neid und Missgunst aushalten muss“, sagt Rebuschat.
Die 27-Jährige interessiert sich schon seit ihrer Schulzeit für Politik, war Mitglied in einer CDU-Studentenorganisation, arbeitete für zwei Landtagsabgeordnete und wurde schließlich Geschäftsführerin der CDU-Stadtratsfraktion in Hildesheim. „Durch die Zeit bei von der Leyen wurde ich in meiner Entscheidung für die Politik bestärkt. Frauen ,dürfen‘ stark sein und werden in der Politik dringend gebraucht, um Vorurteile abzubauen.“
Mit einer Quote manifestiert man Frauen in einer Minderheiten-Rolle.
Rebuschat ist davon überzeugt, dass die Parteien viele Beispiele brauchen, um nicht nur Frauen, sondern auch junge Menschen für sich zu gewinnen. „Gerade in Zeiten, in denen Bindungen an Orte und Gruppen immer weiter abnehmen, ist es wichtig, dass es Leute gibt, die zeigen, dass politisches Engagement Spaß macht und leicht ist.“ Vor allem junge Menschen bräuchten einen Bezugspunkt. Wenn sie Freunde hätten, die sich politisch engagieren, oder mit Abgeordneten ins Gespräch kämen, sei es viel leichter für sie vorstellbar, selbst in die Politik zu gehen. Von einer Quote dagegen ist sie nicht überzeugt. „Damit manifestiert man Frauen in einer Minderheiten-Rolle.“
Imke Byl (Gifhorn, Grüne) musste sich im Wahlkampf ihre Jugend vorwerfen lassen. „Der Großteil fand es gut, dass sich eine junge Frau traut, für den Landtag zu kandidieren“, sagt sie. „Aber es gab auch einige, die gesagt haben, ich sei jünger als 30 Jahre, was könnte ich schon für Erfahrungen haben?“ Fehlende Erfahrungen seien für junge Politiker vor allem dann ein Problem, wenn es ums Netzwerke knüpfen geht. „Es ist einfach schwierig für junge Menschen, in diese Zirkel hineinzukommen“, sagt Byl. Das betreffe aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer.
Frauen müssen auch die gleichen Chancen wie Männer auf Positionen haben, in denen sie was zu sagen haben.
Byl engagiert sich schon seit langem in der Grünen Jugend, neben ihrem Studium. Bis zu ihrer Wahl als Abgeordnete hat sie in Oldenburg Umweltmodellierung studiert, ein Fach, das viel mit Mathematik und Informatik zu tun hat. Byl glaubt, dass ihre Kandidatur jungen Politikinteressierten Mut gemacht und ihnen gezeigt hat, dass sie Chancen auf politische Ämter haben. „Aber das muss auch von den Parteien weiter vorangetragen werden“, sagt sie. Es sei schlimm, wenn Parteien sagten, sie hätten ja gern junge Bewerber und Frauen, aber es gebe keine oder niemanden, der geeignet sei. Eine Frauenquote hält sie für unverzichtbar, aber noch nicht ausreichend. „Frauen müssen auch die gleichen Chancen wie Männer auf Positionen haben, in denen sie was zu sagen haben.“
Susanne Schütz (Braunschweig, FDP) engagiert sich schon seit über 30 Jahren in ihrer Partei. Vorgedrängelt habe sie sich nie, sie habe da mitangepackt, wo gerade Bedarf ist. „Die meisten Frauen sind Teamplayer und harmoniebedürftig“, sagt sie. In der Politik herrsche aber das Bild vor, dass man mit Ellenbogen kämpfen müsse, um aufzusteigen. Und das werde eher Männern zugeschrieben. „Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Männer Frauen auch motivieren.“
Die 51-Jährige plädiert dafür, statt einer Quote Frauen besser durch Mentoring zu fördern. „Dafür muss es aber verschiedene Angebote geben, die nicht nur einen Ansprechpartner bieten.“ Denn wenn die Chemie zwischen dem Coach und der Frau nicht stimme, bringe das Programm gar nichts. „Es muss niedrigschwellige Angebote geben, am besten schon ab der Schule.“
Schütz hat bisher als Hauptschullehrerin gearbeitet und die Erfahrung gemacht, dass es in vielen Elternhäusern entweder gar kein oder nur wenig politisches Interesse gibt. „Bei mir war das anders, schon meine Großmutter hat sich engagiert. Damit sich Frauen aber nicht nur für Politik interessieren, sondern auch daran teilnehmen, müsse sich ihrer Meinung nach noch etwas anderes ändern: „Die Mehrfachbelastung durch Erziehung, Haushalt und Beruf hält viele Frauen von einem Engagement ab.“ Auch sie hatte oft Schwierigkeiten, ihre zahlreichen Aufgaben mit ihrem Engagement zu verbinden. Sie hat einen Sohn und eine Tochter, ihr Mann ist selbstständig und oft nicht zu Hause. „Ich bin sicher, dass der Alltag von vielen Frauen so aussieht, deshalb wird alles, was Frauen mehr Zeit verschafft, dazu nutzen, das politische Engagement von Frauen zu verbessern.“