21. Aug. 2023 · 
Wissenschaft

Warum einige Hochschulen pfiffiger sind als andere, wenn es um Start-ups geht

Wenn es um die Frage geht, wie stark Wissenschaft und Wirtschaft miteinander vernetzt sind, dann können die Unterschiede ganz schön gravierend sein. Die Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften mit ihren Standorten Wolfenbüttel, Wolfsburg, Suderburg und Salzgitter hat jetzt gemeinsam mit der TU Braunschweig eine vergleichende Untersuchung vorgelegt. 14 Hochschulen in Niedersachsen wurden daraufhin überprüft, wie gut sie Bedingungen gewährleisten, die es Start-ups leicht machen. Mit anderen Worten: Wie gut ist die wissenschaftliche Einrichtung aufgestellt, damit möglichst viele Studienabgänger später neue Firmen gründen und sich auf den Weg machen, Innovationen zu entwickeln und zu verbreiten. Die Ergebnisse hat jetzt Prof. Reza Asghari, Leiter des „Entrepreneurship-Hubs“ der beiden Hochschulen, in einem umfangreichen Bericht vorgelegt.

Foto: Marco VDM via GettyImages

Neben allerhand Detailuntersuchungen und -vergleichen gibt es im Mittelteil des 100 Seiten umfassenden Konvoluts eine interessante These: Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) solle geändert werden, damit ein Hochschulinstitut oder eine Tochtergesellschaft eines solchen Instituts sich an Start-ups beteiligen kann. Dann wäre es möglich, dass die Umgebung derer, die nach Ende ihres Studiums neue Firmen gründen, in diesen Prozess stärker einbezogen wird. Asghari meint, damit könnten dann auch positive finanzielle Effekte verknüpft werden. Eine wechselseitige Unterstützung wäre denkbar – die Start-up-Gründer bekämen eine finanzielle Absicherung und die laufende wissenschaftliche Hilfestellung, die Hochschulen selbst könnten auch von den Einnahmen der Start-ups, sofern sie erfolgreich sind, profitieren. Man könne sich viel vorstellen, auch die Gründung von gemeinsamen Unternehmen mit den Akteuren der regionalen Wirtschaft.

Prof. Reza Asghari | Foto: TU Braunschweig

Der Leiter des Entrepreneurship-Hubs sieht hier in Deutschland, und eben auch in Niedersachsen, einen großen Reformbedarf: „Derzeit ist es rechtlich nicht zulässig, wenn private Unternehmen die Labore der Universitäten nutzen. In den USA hingegen ist das überhaupt kein Problem.“ Er fügt hinzu, dass die Gründer des Weltkonzerns Google anfangs auch nicht einmal das Geld für den eigenen Server gehabt hätten und eben auf Begleitung wohlhabender Stellen angewiesen gewesen seien. Daher solle das NHG gelockert werden und Kooperationen erleichtern. „Das ist auch im Interesse des Landes“, sagt Asghari. Bei Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) rennt er damit offene Türen ein – denn der Sozialdemokrat erklärte, dass ein wichtiges Ziel der Regierung „die Verbreitung einer Entrepreneurship-Kultur und die Unterstützung von Gründungen aus Hochschulen“ seien.

Neben der Änderung der gesetzlichen Regeln empfiehlt Asghari noch weitere Schritte. Einige betreffen diejenigen Professuren und Dozentenstellen, die sich intensiv mit der Start-up-Unterstützung befassen und die Gründung von solchen Unternehmen aktiv fördern. Hier sei zur langfristigen Sicherstellung der Angebote eine Entfristung der entsprechenden Stellen an den Lehrstühlen nötig. Bisher sei es oft so, dass Projekte auslaufen – und dann wegen fehlender Anschlussregeln die Fachleute abwandern. Nötig sei zudem ein Überblick über solche Angebote an den einzelnen Hochschulen. Sobald auffalle, dass irgendwo ein Mangel drohe, könne man einschreiten und diesen beheben.

Asghari möchte zudem die Anreize für Professoren, die sich um die Start-up-Ausgründungen bemühen, verstetigen und verbessern. Das fange beim Zulagensystem an und gehe über die Würdigung ausgezeichneter Leistungen. Man könne auch besonderes Engagement mit einem Preis auszeichnen – und damit allgemein ein Bewusstsein dafür schaffen, dass hier eine wichtige Zukunftsaufgabe liegt. Zu einer solchen Strategie müsse es auch gehören, dass Startup-Gründer und ihre Unterstützer selbstverständlich für ihre Arbeit auch Zugang zu den Hochschulangeboten bekommen sollen – nicht nur zu Laboren, sondern auch zu anderen Einrichtungen. Dies müsse auch rechtlich abgesichert werden.

„Derzeit ist es rechtlich nicht zulässig, wenn private Unternehmen die Labore der Universitäten nutzen. In den USA hingegen ist das überhaupt kein Problem.“

Was diese Forderungen noch abrundet, ist ein landesweiter Überblick über die Aktivitäten auf diesen Feldern. Mit seiner vergleichenden Untersuchung hat Asghari damit schon begonnen, aber aus seiner Sicht muss das künftig jedes Jahr aktualisiert werden – und automatisch geschehen. Im nächsten Schritt sollten alle Einrichtungen, die auf gleichem Gebiet unterwegs sind, ein Netzwerk aufbauen und enger kooperieren.

Betrachtet haben Asghari und seine Kollegen landesweit 15 Verbünde, die sich beim Thema Entrepreneurship engagieren. Von der Größe nach sind das der Verbund der TU Braunschweig und der Ostfalia-Hochschule (31.000 Studenten), die Uni Göttingen (30.900 Studenten), die Leibniz-Uni in Hannover (27.500 Studenten), die Uni Oldenburg (15.900 Studenten), die Uni Osnabrück (14.000 Studenten), die Hochschule Osnabrück (14.300 Studenten), die Leuphana-Uni in Lüneburg (9800 Studenten), die Uni Hildesheim (8500 Studenten), die Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth (6500 Studenten), die Hochschule Emden/Leer (4500 Studenten), die TU Clausthal (3700 Studenten), die Private Hochschule Göttingen (4100 Studenten), die Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig (1000 Studenten) und die Hochschule 21 (980 Studenten). Die Teilnehmer an der Untersuchung, also die entsprechenden Entrepreneurship-Abteilungen, sind stark unterschiedlich. Sie reichen von 11,6 Prozent bei der Leuphana über 1,9 Prozent (Leibniz-Uni Hannover) und 0,98 Prozent (Verbund Braunschweig) bis 0,19 Prozent an der Uni in Osnabrück.

Leuphana Universität Lüneburg | Foto: Kleinwächter

Bei den Resultaten sticht laut der Untersuchung die Leuphana-Uni in Lüneburg (s. Foto) heraus, die Bedingungen für Start-up-Gründer sind dort sehr gut. Auch die Private Hochschule Göttingen schneidet gut ab. Bei den Gründungsvorhaben und der Bewilligung von Förderanträgen liegt die Hochschule Emden/Leer auf Rang drei. Gute Ergebnisse hat die Leibniz-Uni Hannover bei Gründungsvorhaben und der Braunschweiger Verbund bei Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Die Uni Hildesheim liege im unteren Mittelfeld, dort landet auch die TU Clausthal. Die Uni Osnabrück schneidet nach den Resultaten dieser Untersuchung unterdurchschnittlich ab.

Dieser Artikel erschien am 22.8.2023 in Ausgabe #141.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Auf einen Sturz sollte man reagieren: mit Training für Muskelkraft und Gleichgewicht | Foto: vlada_maestro via GettyImages
Universität Oldenburg entwickelt jetzt ein tragbares Gerät zur Sturzprävention
2. Juni 2025 · Anne Beelte-Altwig3min
Olaf Lies gibt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten ein erstes Pressestatement ab. | Foto: Link
Wirbel um Beamtengehälter: Lies sieht keinen Grund, Heeres neuen Erlass zu kippen
3. Juni 2025 · Klaus Wallbaum3min
Einbeck ist für sein Fachwerk, seine Oldtimer und sein Bier bekannt. In dieser Woche treffen sich dort die Aktionäre der Einbecker Brauerei. | Foto: TMN/Udo Haafke
Die Woche in Niedersachsen (KW 23)
1. Juni 2025 · Christian Wilhelm Link3min