Wie ist es eigentlich in Niedersachsen um den Naturschutz bestellt? Dieser Frage ist das Umweltministerium nachgegangen und hat eine umfangreiche Broschüre mit dem Titel „Niedersächsische Naturschutzstrategie“ erstellt. Es ist eine Rückschau auf die Maßnahmen, die es schon gibt, und eine Vorschau, welche Probleme angegangen werden müssen. Die Themen sind in 14 Leitziele, 13 strategische Ziele und 28 Schwerpunktziele gefasst und sollen der Politik und den Naturschützern als Leitfaden dienen. Vor allem sollen sie die Akteure dazu bringen, zusammenzuarbeiten. Doch konkrete Gesetzesvorhaben enthält die Strategie nicht.

 

„So transparent und umfangreich gab es noch keinen Überblick über den Naturschutz in Niedersachsen“, sagte Umweltminister Stefan Wenzel gestern bei der Präsentation der Strategie im Garten des Gästehauses der Landesregierung. Er hoffe nun, dass das Papier möglichst viele Akteure an einen Tisch bringt und die Kooperation im Umweltschutz zwischen ihnen intensiver wird. „Es reicht nicht, wenn sich nur Interessierte in eigenständigen Projekten bemühen“, sagte Wenzel. Der Naturschutz müsse auch in die Breite der Gesellschaft getragen werden. Deshalb werde es bald ein „Fachkonzept Naturschutz“ geben, das allen im Naturschutz tätigen Akteuren wie Stiftungen, Verbänden und Behörden Ideen und Informationen über den aktuellen Entwicklungsstand der Natur an die Hand geben soll.

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Zwei Brennpunkte im Naturschutz hob der Umweltminister besonders hervor. Zum einen den Rückgang der Feldvogelarten, zum anderen das Insektensterben. „35 Prozent unserer Nahrung ist davon abhängig, dass Insekten die Pflanzen bestäuben. Es hätte gravierende Folgen, wenn diese selbstverständliche Leistung der Natur plötzlich nicht mehr da wäre“, sagte Wenzel. Er bezog sich auf eine Studie des Entomologischen Vereins Krefeld, der in einer Langzeitstudie herausgefunden hatte, dass 2013 im nordrhein-westfälischen Naturschutzgebiet Orbroicher Bruch teilweise 75 Prozent weniger Insekten lebten als noch 1989. Auch in Niedersachsen berichten Forscher von deutlichem Insektenschwund. „Die Studie war Anlass für uns, eine Expertengruppe ins Leben zu rufen“, sagte Wenzel. Diese habe Anfang der Woche zum ersten Mal getagt. Ihre Aufgabe sei, sich einen Überblick über den Handlungsbedarf zu verschaffen und anschließend Partner für gemeinsame Maßnahmen zu gewinnen.

Unter den 28 Schwerpunktzielen sind landesweite Vorhaben genauso aufgeführt wie regionsspezifische Programme. Etwa der Masterplan Ems 2050, die Nationalparks Wattenmeer und Harz oder das Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“. In Stichpunkten wird jeweils die Ausgangslage beschrieben, die abgeschlossenen und laufenden Projekte genannt sowie die Vorhaben für die kommenden Jahre. Diese geben zwar die Ziele vor, enthalten aber keine konkreten Maßnahmen. „Die Strategie hilft dabei, den bestehenden, gesetzlichen Rahmen einzuhalten“, sagte Wenzel dazu. Allerdings solle sie auch ein Anreiz sein, mehr Naturschutz über die Muss-Vorgaben der Gesetze hinaus zu betreiben.

Holger Buschmann, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Niedersachsen, zeigte sich zufrieden mit dem Strategiepapier. Allerdings müsse das Ministerium mehr tun als bloß Ziele zu formulieren. „Wenn ausreichend finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, kann die Niedersächsische Naturschutzstrategie eine Erfolgsstory werden. Anderenfalls wird sie ein Papiertiger“, sagte er. Derzeit investiert Niedersachsen rund 2,2 Millionen Euro jährlich in die Schutzgebiete, weitere zwei Millionen Euro in die Unteren Naturschutzbehörden und ihre Aufgaben sowie eine Million in Artenschutzmaßnahmen.