Die mexikanische Wirtschaft wächst rasant. Das Bundesamt für Statistik rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt von Mexiko in den nächsten fünf Jahren um 20,44 Prozent steigen wird. Vor Kurzem kündigte der taiwanesische Chip-Gigant Foxconn eine 500-Millionen-Dollar-Investition in Chihuahua an. Insbesondere der zollfreie Zugang zum US-Markt durch das Freihandelsabkommen USMCA macht Mexiko für viele internationale Unternehmen zu einem interessanten Standort – von günstigen Strompreisen ganz zu schweigen.

Auch die niedersächsischen Unternehmen würden gerne an diesem Aufschwung teilhaben, doch das bisherige Handelsabkommen zwischen der EU und der lateinamerikanischen Bundesrepublik bremst speziell Investitionen aus dem Mittelstand aus. Wie wichtig beiden Seiten das Zustandekommen dieser Vereinbarung ist, machten nun gleich zwei mexikanische Botschafter und der EU-Handelsausschussvorsitzende Bernd Lange im niedersächsischen Wirtschaftsministerium deutlich.
In der deutschen Außenhandelsbilanz landet Mexiko nur auf Platz 21 der wichtigsten Handelspartner, in der niedersächsischen Statistik rangieren die Lateinamerikaner aber fünf Plätze höher. Das liegt zum einen an den Exporten aus Niedersachsen nach Mexiko, bei denen es sich überwiegend um Fahrzeugteile handelt. Zum anderen an der riesigen Menge von Autos und Wohnmobilen, die über die Nordseehäfen nach Niedersachsen importiert werden. „Wir haben ein besonderes Interesse an dem Handelsabkommen, der Nutzen für uns ist immens groß“, sagt der niedersächsische Wirtschaftsstaatssekretär Frank Doods. „Es sind über 2100 Unternehmen mit deutschem Kapital in Mexiko registriert“, ergänzt EU-Handelsexperte Lange.

Ein Drittel davon hat sogar eigene Produktionsstätten vor Ort – vorneweg die Autozulieferer Continental (27.000 Mitarbeiter), Bosch (16.000) und Leoni (13.000) sowie die Volkswagen AG (15.000). Das deutsche Investment könnte aber noch deutlich größer sein, denn für Firmen, die ihre Lieferketten sicherer aufstellen wollen, wird das Land immer interessanter. Während chinesische Unternehmen bereits Milliarden in Mexiko investieren, scharren die Mitbewerber aus Europa allerdings noch mit den Hufen.
„Wir haben die Situation, dass sich viele Investitionen in der Schwebe befinden“, weiß Lange. Neben der Automobilbranche sollen von dem modernisierten Handelsabkommen auch der Maschinenbau sowie die Agrar-Branche profitieren. „Mexiko und die EU sind bereits sehr wichtige Handelspartner, durch das neue Abkommen wird sich diese Beziehung noch einmal vertiefen“, bestätigt Francisco Quiroga, mexikanischer Botschafter in Berlin.
„Seitdem das USMCA in Kraft getreten ist, haben wir eine steigende Nachfrage von Unternehmen aus Niedersachsen, die in der Region investieren wollen."
Tilman Brunner, IHK Niedersachsen
Mexiko gilt als das Land mit den meisten Freihandelsabkommen der Welt, wobei das USA-Mexiko-Kanada-Abkommen (USMCA), das 2020 seinen Vorgänger NAFTA abgelöst hat, von herausragender Bedeutung ist. „Seitdem das USMCA in Kraft getreten ist, haben wir eine steigende Nachfrage von Unternehmen aus Niedersachsen, die in der Region investieren wollen. Und das geht schon seit ein paar Jahren so“, erzählt IHKN-Außenhandelsexperte Tilman Brunner. Für viele heimische Unternehmen werde der Erfolg das Zünglein an der Waage sein, ob sie in den USA oder in Mexiko verstärkt investieren. Und auch Doods rechnet damit, dass das neue Handelsabkommen viele Investitionen aus Niedersachsen auslösen wird.
Bei den Verhandlungen für das Abkommen stehen die Diplomaten allerdings unter Druck: Die Legislaturperiode des Europäischen Parlaments endet im kommenden Sommer. „Es bleibt wenig Zeit, um das Abkommen in Brüssel abzustimmen und auch in Mexiko stehen 2024 wieder Wahlen an“, erläutert Doods. „Die Uhr tickt“, sagt Lange.
Mexikos EU-Botschafter Rogelio Granguillhome Morfín, der seit 1980 die internationalen Beziehungen seines Landes in verschiedenen Ämtern mitgestaltet, gibt sich fest entschlossen: „Wir werden tun, was auch immer nötig ist, um noch im Dezember 2023 zu einer Einigung zu kommen“, sagt er. Morfín betont vor allem die Chancen, die das Abkommen für neue Kooperationen im Bereich der Elektromobilität mit sich bringt.

Das passt zu den Plänen des Wolfsburger Automobilherstellers, seine beiden mexikanischen VW-Werke noch weiter auszubauen. Aber hat das Land auch genug Fachkräfte, um dem internationalen Ansturm gerecht zu werden? „Man hat niemals genug, die Verfügbarkeit von Fachkräften stellt immer ein Flaschenhals dar“, sagt Quiroga. Ein Fachkräftemangel sei aber nicht in Sicht, zumal Aus- und Weiterbildung einen Schwerpunkt der mexikanischen Politik darstellen würden. Als Vorbild dient laut Quiroga dabei das deutsche System der Dualen Ausbildung.