21. Sept. 2016 · Inneres

Verfassungsschutz speicherte Safia S. auf einer Nebenliste

Der Islamismus-Untersuchungsausschuss hat gestern die Rolle des Verfassungsschutzes im Fall von Safia S. näher beleuchtet. Die damals 15-jährige Schülerin hatte am 26. Februar im hannoverschen Hauptbahnhof einen Polizisten mit einem Messer angegriffen. Schon einen Monat vor der Tat war Safia, die islamistisch radikalisiert war, nach einer Türkei-Reise von der Polizei auf dem Flughafen empfangen worden, ihr Handy wurde beschlagnahmt. Da aber die arabische Kommunikation auf dem Mobiltelefon nicht ausgewertet wurde, entging den Ermittlern eine Drohung, die Safia S. dort zurückgelassen hatte. Außerdem wurden Kontakte des Mädchens zu anderen islamistischen Jugendlichen in Hannover nicht aufgehellt. Noch einen Tag vor dem Anschlag gab das Landeskriminalamt nach einer Anfrage des BKA im Fall von Safia S. Entwarnung. Im Untersuchungsausschuss wurde jetzt Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger eingehend zu Safia S. befragt. Jens Nacke (CDU) und Jörg Bode (FDP) wollten wissen, warum das Mädchen nach der Rückkehr aus der Türkei Ende Januar nicht in der Datei des Verfassungsschutzes gespeichert wurde, obwohl doch aus ihrem Umfeld schon Hinweise auf eine Radikalisierung vorgelegen hatten. Brandenburger sagte, dies habe zum einen daran gelegen, dass die Polizei erklärt habe, Safia weiter im Blick zu haben. Dann sei es auch um die „Verhältnismäßigkeit“ gegangen – schließlich sei Safia minderjährig gewesen und ein eindeutiger IS-Bezug habe damals nicht vorgelegen. CDU und FDP vermuten, der Verfassungsschutz habe das Mädchen deshalb nicht registriert, weil die Landesregierung seit 2013 der Überwachung von Minderjährigen generell skeptisch gegenübergestanden hätte. Das wies Brandenburger zurück: Eine Anweisung, 15-Jährige nicht zu speichern, habe sie nie gegeben – und auch nicht erhalten. Wie sich in der Befragung herausstellte, wurde Safia S. wenige Wochen vor ihrem Attentat doch beim Verfassungsschutz gespeichert, allerdings in einer Nebendatei, der sogenannten „Syrien-Liste“, die gemeinsam von Verfassungsschutz und Landeskriminalamt angelegt wurde. Die Opposition im Landtag zieht daraus den Schluss, dass Brandenburgers Behörde diese Liste anlegte, um ein in der politischen Spitze unerwünschtes Speichern von Jugendlichen beim Verfassungsschutz zu umgehen. Widersprüche tauchten im Ausschuss zu der Frage auf, wann Innenminister Boris Pistorius und Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz nach Safias Attentat davon erfuhren, dass das Mädchen schon vor Jahren in Videos gemeinsam mit dem salafistischen Prediger Pierre Vogel aufgetreten war. Brandenburger erklärte, sie habe davon am 3. März 2016 erstmals erfahren. Nach Regierungsangaben hatten aber Pistorius und Niewisch-Lennartz bereits zwei Tage vorher Kenntnis davon. Auf welchem Weg sie das erfuhren, bleibt bisher unklar.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #170.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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