8. Juni 2020 · 
Bildung

Reicht den Studenten die Corona-Hilfe noch nicht?

Bundesweit sollen knapp eine Million Studenten aufgrund der Corona-Pandemie in eine existenzielle Not geraten sein. Diese Zahl hat zumindest der „Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften“ (fzs) ermittelt und schlägt deshalb nun Alarm. Unter seiner Leitung hat ein breites Bündnis aus verschiedenen Hochschulgruppen und Studentenausschüssen zu Demonstrationen in Hannover, Potsdam, Dresden, Mainz, Wiesbaden und Bonn aufgerufen. Gefolgt sind diesem Ruf in Hannover gestern allerdings nicht allzu viele. Eine kleine Gruppe von etwas mehr als zehn Studenten versammelte sich am Montagvormittag auf dem Hannah-Arendt-Platz vor dem Landtag und forderte eine Soforthilfe für Studenten. [caption id="attachment_51117" align="alignnone" width="780"] Nur wenige Studenten kamen zum Landtag, um für eine Soforthilfe zu demonstrieren. - Foto: nkw[/caption] Spricht das geringe Interesse an der Demo nun dafür, dass die Not doch gar nicht so groß ist? Daryoush Danaii, Asta-Sprecher aus Lüneburg, kann für seine Hochschule berichten, dass dort knapp 16 Prozent der Studenten aufgrund der aktuellen Lage in finanzielle Not geraten seien. Im Asta der Uni Hannover berichtet man von mehr als 300 E-Mails, die zu dieser Thematik eingegangen seien. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass hinter jeder dieser Nachrichten eine Notlage steckt, machen 300 Nachfragen bei über 28.000 eingeschriebenen Studenten nur einen verschwindend kleinen Prozentsatz aus. Der Asta der Uni Osnabrück möchte derweil noch keine Einschätzung abgeben. Dort läuft gerade eine Befragung in der Studentenschaft, die in ein paar Tagen valide Zahlen zur momentanen Situation liefern soll.

Mehr als zwei Drittel haben Nebenjob

Weil die eindeutigen Zahlen fehlen, verweisen die Demonstranten auf die allgemein schwierige Lage und eine statistische Größe. „Studierende befinden sich grundsätzlich in einer prekären Situation“, bemängelt der studentische Wortführer Danaii am Montag vor dem Landtag. So gebe es aufgrund der Freibetrags-Grenze insgesamt immer weniger Bafög-Berechtigte in Deutschland. Und nun komme durch die Corona-Pandemie noch hinzu, dass zahlreiche 450-Euro-Jobs weggefallen sind. https://twitter.com/fzs_ev/status/1269887378845548550 Die Initiatoren der Proteste verweisen auf eine Erhebung des Deutschen Studentenwerks, der zufolge mehr als zwei Drittel aller Studenten einem Nebenjob nachgehen. Immerhin 59 Prozent der Befragten hatten in der Erhebung zudem angegeben, auf die Einnahmen aus dem Mini-Job angewiesen zu sein. Deshalb fordern die Studenten, dem Vorschlag des Deutschen Studentenwerks zu folgen und einen Bund-Länder-Studierendenfonds einzurichten.

Zinsloses Darlehen und Nothilfe vom Bund

In Niedersachsens Wissenschaftsministerium verweist man darauf, dass die Ausgestaltung des Hilfsprogramms für Studenten bei der Bundesregierung liege. Bereits seit Anfang Mai stellt der Bund über die KfW insgesamt eine Milliarde Euro für zinslose Darlehen zur Verfügung. Darüber hinaus hat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ihrerseits einen 100 Millionen Euro Notfallfonds ins Leben gerufen, der nun über die Studentenwerke betreut wird. „Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung ein Hilfsprogramm für Studierende aufgelegt hat. Allerdings hätten wir uns bei der Ausgestaltung des Nothilfeprogramms weniger Bürokratie und mehr Flexibilität gewünscht“, erklärt Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) auf Rundblick-Nachfrage. „Wir unterstützen die Studentenwerke wo wir können – insbesondere unterstützen wir die Gespräche des Bundesvorstands der Deutschen Studentenwerke mit dem Bund.“ Die Studentenvertreter halten von dem aktuellen Förder-Modell allerdings nicht viel, da anspruchsberechtigt nur ist, wer nachweislich weniger als 500 Euro auf dem Konto hat – und über den Notfallfonds soll dann auch nur so viel Geld gefördert werden, dass der Kontostand auf genau 500 Euro angehoben werden kann. Die Studentenvertretung fzs zeigte sich schockiert, als diese Regelung bekannt wurde, da viele Studenten allein für ihre Miete schon 500 Euro zahlen müssten.

Studenten fordern: Mehr Bafög, weniger Gebühren

Die Studenten fordern nun von Karliczek, das Bafög zumindest während der Corona-Krise anzupassen. Die Höchstförderdauer soll um mindestens ein Semester angehoben werden. Verzögert sich nun das Studium, soll das die Studenten nicht mehr kosten. Auch bei den freiwilligen Krankenversicherungen für Studenten soll das Jahr 2020 nicht mitgezählt werden. Darüber hinaus fordern sie einen Anspruch auf Sozialhilfe auch für Studenten, denn es habe angeblich immer wieder Fälle gegeben, in denen sich Studenten exmatrikuliert hätten, nur um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu erhalten, heißt in einer Mitteilung der Demo-Initiatoren. Von den Ländern fordern die Aktivisten, Langzeit- oder Zweitstudium-Studiengebühren auszusetzen beziehungsweise zurückzuzahlen. Auch Semesterbeiträge, die die Universitäten festlegen und einziehen, sollen zurückgezahlt werden, wenn die entsprechenden Leistungen wie etwa der Besuch der Mensa gar nicht in Anspruch genommen werden können. Zu guter Letzt sollen die Länder sogar die Mietkosten für Unterkünfte der Studentenwerke übernehmen, schlägt die Studentenvertretung fzs vor.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #107.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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