10. Mai 2020 · 
Wirtschaft

Unterschiedliche Auflagen engen den Spielraum der Gastwirtschaft stark ein

Mit einer neuen, heute in Kraft tretenden Verordnung lockert die Landesregierung die bisherigen Beschränkungen für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben. Großveranstaltungen bleiben verboten, aber die 800-Quadratmeter-Obergrenze für die Geschäfte fällt weg, und auch die Gastronomie darf zaghaft ihren Betrieb wieder starten. Allerdings werden hier mehrere Beschränkungen eingeführt, wie aus einem verbindlichen „Hygienekonzept“ folgt, das die Abteilungsleiterin für Mittelstand im Wirtschaftsministerium, Claudia Simon, vorgestellt hat. Restaurants und Gaststätten dürfen nur die Hälfte der Sitzplätze, die sie vor Beginn der Corona-Krise hatten, belegen. Jeder Gast muss sich vorher anmelden und reservieren lassen, sein Name und seine Kontaktdaten müssen (wegen der möglicherweise nötigen Nachverfolgung bei Infektionen) vermerkt werden. Der Mindestabstand zwischen den Tischen muss zwei Meter betragen. Zwischen den Gästen muss ein 1,50-Meter-Abstand gewahrt bleiben. Selbstbedienungen an der Salatbar sind tabu, jedes Tellergericht wird serviert.
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Die Diskussion darüber hat schon eingesetzt, wie jüngst im Wirtschaftsausschuss des Landtags deutlich wurde – Detlev Schulz-Hendel (Grüne) und Jörg Bode (FDP) übten Kritik. Ein Hinweis lautet, dass die Inhaber größerer Restaurants benachteiligt werden, weil sie den Mindestabstand auch dann einhalten könnten, wenn sie nicht die Hälfte ihrer Sitzplätze opfern. Genau dazu, zur Begrenzung der Zahl der Plätze, werden sie aber verpflichtet. Das schmälert die Gewinnerwartung.

Keine Obergrenze bei Zusammenkünften zweier Haushalte

Auch über die sogenannten „Kontaktbeschränkungen“ gibt es heftige Debatten. Bisher gilt die Regel, dass sich Menschen, die in einem Haushalt leben, draußen nur mit maximal einer Person treffen dürfen – also gemeinsam etwas unternehmen können. Als Folge aus der Vereinbarung zwischen Kanzlerin und Ministerpräsidenten soll das nun auch in Niedersachsen gelockert werden: Nicht nur eine Person aus einem anderen Haushalt, sondern alle Personen aus einem einzigen anderen Haushalt dürfen zusammen unterwegs sein (und beispielsweise eine Gaststätte besuchen). Zuletzt war noch umstritten, ob man hier bei der Personenanzahl eine Obergrenze festlegen soll. Das ist aber in der am 11. Mai in Kraft tretenden Verordnung nun nicht vorgesehen. https://www.youtube.com/watch?v=DnONChMNCfM&feature=emb_title Sorgen von Hotels und Gaststätten: Viele Hoteliers sind verstimmt, weil sie zunächst nur einen Teil ihrer Zimmer vermieten dürfen – und jedes Zimmer auch nur in einer zeitlichen Mindestfrist von sieben Tagen. Die Gäste sind nicht verpflichtet, sieben Tage zu bleiben. Reisen sie eher ab, muss das Zimmer jedoch bis zum Ablauf des siebenten Tages frei bleiben. Für stornierte Buchungen muss das Hotel die eingegangenen Vorauszahlungen den Kunden erstatten, nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums entsteht daraus aber kein Entschädigungsanspruch gegenüber dem Land. Minister Bernd Althusmann sagte im Landtags-Wirtschaftsausschuss, er rechne für Mitte Juni mit einer „Neubewertung“, dann könnten die Beschränkungen womöglich weiter gelockert werden. Er ließ erkennen, dass die jetzt neu verhängten Auflagen für die Gastronomie in der SPD/CDU-Koalition nicht unumstritten waren. Forderung an Minister Altmaier: Althusmann möchte einen „Wiederaufbauplan“ bundesweit durchsetzen. Nach der Wiederöffnung der Geschäfte sei eine spürbare Kaufzurückhaltung zu bemerken, sagte er im Wirtschaftsausschuss des Landtags. Die Konjunktur werde „Anreizsysteme“ brauchen, „konjunkturstimulierende Schritte“. Dies müsse nicht zwingend eine Kaufprämie sein. Althusmann nannte neben der Autoindustrie den Einzelhandel, Gastronomie und Tourismus, die Werften und die Luftfahrtindustrie. Großes Interesse müsse die deutsche Wirtschaft daran haben, dass auch die Wirtschaft in Spanien, Italien und Frankreich wieder anlaufe. Der Landesminister sagte, er habe Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schon zweimal eindringlich gebeten, den vom Bund aufgelegten Rettungsfonds für Kleinbetriebe bis zehn Beschäftigte von Ende Mai (wie bisher vorgesehen) auf Anfang August auszuweiten. Von den 50 Milliarden Euro im Bundes-Rettungsschirm für die Kleinbetriebe seien 12 Milliarden ausgeschöpft, im Mai könne sich das noch verdoppeln. Der Rest könne für einen Gastronomie-Schutzschirm fließen, schlägt Althusmann vor. Falls der Bund hier „nicht um die Ecke komme“, müsse das Land selbst aktiv werden, da noch im Mai eine Insolvenzwelle bis zu ein Drittel der Gaststätten erfassen könne. Der Rest des übrigbleibenden Bundesgeldes könne auch für einen kommunalen Rettungsschirm bereitgestellt werden – indem die Corona-Kosten der Kommunen aufgefangen werden oder auch die Defizite der Busunternehmen abgedeckt werden. Digitalisierungsprogramm für Einzelhandel: Althusmann prüft nach eigenen Worten, ob es für die Einzelhandelsgeschäfte ein Zuschussprogramm zur Digitalisierung geben sollte. Nach einer Stichproben-Prüfung von 2017 hatten bis dahin nur ein Drittel der Betriebe, landesweit sind es 39.000, ein Online-Angebot im Laden bereits errichtet. Auch ein Programm für die Zoos und Tierparke, die Kosten für Verpflegung ohne Einnahmen der Besucherkarten hatten, sei in Vorbereitung. „Sonst müssten die Tiere notgeschlachtet werden.“ Das Land prüfe ebenfalls, wie ein Zuschussprogramm für die landesweit 7000 Unternehmen ausgerichtet werden kann, die zwischen 50 und 249 Mitarbeiter haben. Bisher gibt es für diese nur ein Kreditangebot, aber keine Förderung. Nach überschlägiger Prüfung habe man aber gesehen, dass ein solches Programm das Land mit einem dreistelligen Millionenbetrag belasten dürfte, also recht teuer wäre.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #088.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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