Von Isabel Christian

Unscheinbar wirkt die Technik, die die erneuerbaren Energien endgültig zum Status Quo machen soll. In Katharina Schafners Labor sind es nur zwei Glasflaschen, gefüllt mit einer tiefdunkelblauen Flüssigkeit. Durch Schläuche sind sie mit einem Konstrukt aus dünnen schwarzen Platten verbunden, die durch zwei Plexiglasscheiben zusammengepresst werden. Redox-Flow heißt die Technik und sie beschreibt das Speichern von Strom durch die Umwandlung in chemische Stoffe. Das größte Problem, vor dem Energiekonzerne und Netzbetreiber zurzeit stehen, ist die Unberechenbarkeit der erneuerbaren Stromquellen. Mal weht der Wind und das Windrad dreht sich, mal weht der Wind nicht, und manchmal weht er so heftig, dass das Windrad abgeschaltet werden muss, damit das Stromnetz nicht zusammenbricht. Der Strom ist dann verschenkt, obwohl er an anderer Stelle so gut gebraucht würde. Oder zu einer anderen Zeit.

Das Problem der Zeit soll unter anderem die Redox-Flow-Batterie lösen. Sie macht es möglich, große Mengen Strom in einer chemischen Lösung zu speichern. Erst vor kurzem gab der Energiekonzern EWE bekannt, in einem unterirdischen Salzstock nahe der ostfriesischen Gemeinde Jemgum bei Leer die größte Redox-Flow-Batterie der Welt einrichten zu wollen. Die Technologie ist zwar marktreif und wird von einigen großen Unternehmen genutzt, doch richtig durchsetzen konnte sie sich bisher nicht. Dabei eignet sich die Technik nicht nur für energieintensive Industrien, sondern auch für das Eigenheim.

Die Gründe dafür kennt Thomas Turek. Er ist Chemieingenieur und leitet am Energie-Forschungszentrum Niedersachsen in Goslar eine Gruppe, die die Redox-Flow-Technik verbessern soll. „Die Batterien müssen effizienter werden, aber gleichzeitig preiswerter in der Herstellung“, sagt Turek. Katharina Schafner ist Mitarbeiterin in seinem Team und forscht für ihre Doktorarbeit an der Verbesserung der Redox-Flow-Batterie. Die Grundidee dafür stammt bereits aus Niedersachsen. Mitte der fünfziger Jahre entwickelte ein Professor in Braunschweig ein Verfahren, elektrische Energie durch sogenannte Elektrolyte in einer chemischen Lösung zu binden und wieder freizusetzen. Dazu zirkulieren die Lösungen mit den positiven und negativen Ionen in zwei getrennten Kreisläufen. In Schafners Labor sind die Tanks mit den Lösungen die beiden Glasflaschen, die Schläuche leiten die Flüssigkeit in die sogenannte Galvanische Zelle. Hier wird es interessant, denn zwischen den Kunststoffplatten liegen Kohlenstoffelektroden, an denen eine elektrochemische Reaktion abläuft. Dazwischen liegt eine Membran, durch die Ionen in den Kreislauf der jeweils anderen Flüssigkeit wechseln und dadurch den Stromkreis schließen können.

Die Redox-Flow-Technologie hat drei wesentliche Vorteile. „Man kann sie beliebig groß bauen und damit die Speicherkapazität nahezu unbegrenzt erhöhen“, sagt Turek. Einschränkend wirken bisher nur die benötigten Bauteile. So sind die benötigten, mit Kohlenstoff gefüllten Kunststoffplatten bisher nur in bestimmten Größen erhältlich. Dazu kommt die Langlebigkeit der Batterie. „Es gibt keine sensiblen Bauteile, die Flüssigkeit verursacht wenig Abnutzung“, sagt Turek. Zehn bis 20 Jahre sei die Redox-Flow-Batterie also einsatzfähig. Der dritte Punkt verschafft der Technik einen Vorteil gegenüber der momentan schärfsten Konkurrenz; der Lithium-Ionen-Batterie. Denn bei der Redox-Flow-Technik gibt es kein Risiko, dass die Batterie sich entzündet und ein Feuer auslöst. „Die Energie verteilt sich auf ein größeres Volumen und die Flüssigkeit nimmt die bei der Vermischung der Flüssigkeiten entstehende Wärme auf“, erklärt Turek.

Allerdings hat die Redox-Flow-Technik auch Nachteile. Vor allem die hohen Kosten für den Bau der Batterie sind der Grund, warum sich Redox-Flow am Markt bisher nicht durchsetzen konnte. Insbesondere das Vanadium treibt den Preis nach oben, denn das Metall ist selten. Es wird aber als Bestandteil der chemischen Flüssigkeit gebraucht, damit der Ionenaustausch überhaupt funktioniert. „Bei der Membran dagegen kann man preislich noch einiges herausholen, je nachdem, was für ein Material man verwendet“, sagt Doktorandin Schafner. In ihrer Forschung befasst sie sich damit, ein möglichst effektives, aber nicht teures Material für die Membran zu finden. Insgesamt aber muss für die Redox-Flow ein gewisser Preis gezahlt werden, denn die einzelnen Materialien sind nicht beliebig günstiger zu machen. „Pro Kilowatt Leistung kann man etwa 650 Euro rechnen“, sagt Professor Turek. Dazu kämen noch rund 300 Euro pro Kilowattstunde für die Tanks. „Auf lange Sicht rechnet sich das, aber ob sich das als Technologie für den Haushalt durchsetzt, entscheidet der Markt“, sagt Turek.

Er geht jedoch davon aus, dass sich Redox-Flow wegen der riesigen Speicherkapazitäten in der Industrie durchsetzt. Schon jetzt nutzen einige Konzerne wie Thyssen Krupp die Technik und betreiben mehrere miteinander verbundene Redox-Flow-Batterien. „Damit lässt sich Strom mehrere Stunden bis einige Tage lang speichern“, sagt Turek. Auf diese Art der Nutzung wird es seiner Ansicht auch hinauslaufen, denn um Strom etwa eine Woche zu speichern, bräuchte man riesige Tanks. Oder einen Salzstock. Als Tagesspeicher jedoch eignen sie sich gut, um überschüssigen Strom so lange zu lagern, bis der Markt wieder Bedarf hat. „Oder man nutzt sie in Verbindung mit einem Solarpanel als Ladestationen für Elektroautos an Orten, die schwer zugänglich sind. Als sich selbst versorgende Tankstelle sozusagen“, schlägt Turek vor.

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Damit sich Redox-Flow in der Industrie aber durchsetzen kann, müsse die Politik eingreifen. „Die Anschaffung der Technik wird viel Geld kosten, selbst mit preiswerten Materialien“, sagt Turek. Die Technik sei aber eine der ausgereiftesten und daher die derzeit beste Lösung, um die Energiewende voranzubringen. „Die Wirtschaft muss also Anreize bekommen, in Speicher wie Redox-Flow-Batterien zu investieren.“