Taktverdichtung auf der Schiene soll Fahrgastzahlen bis 2040 verdoppeln
Die Züge in Niedersachsen sollen 50 Prozent häufiger fahren, damit sich die Fahrgastzahlen bis 2040 verdoppeln: Diese Rechnung steht hinter der neuen Strategie für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV), die Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) gestern in Hannover vorgestellt hat. „Niedersachsen will in den kommenden 20 Jahren Schritt für Schritt mehr und längere Züge im Nahverkehr einsetzen“, sagte Lies. Die Fahrgastzahlen auf der Schiene sollen von derzeit rund 120 Millionen Menschen pro Jahr auf 240 Millionen steigen, die Zahl der Zugkilometer soll von 39 auf 60 Millionen anwachsen.
Wie genau sich die zuständige Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) diese Taktverdichtung vorstellt, hat sie in einer virtuellen Karte unter www.lnvg.de detailliert aufgeschlüsselt: Für alle 60 SPNV-Linien im LNVG-Bereich sind hier der Ist-Zustand sowie die geplanten Ausbaustufen ab 2030 und 2040 zu sehen. „Auf fast allen schnellen Regionalexpresslinien und auf S-Bahnstrecken wollen wir ganztags einen Halbstundentakt fahren“, sagte LNVG-Geschäftsführerin Carmen Schwabl. Eine entsprechende Taktverdichtung ist auch für mehrere stark nachgefragte Regionalbahnen (RB) geplant.
Einige ausgewählte Regionalbahnen wie etwa zwischen Lüneburg und Dannenberg sowie zwischen Bremen und Uelzen sollen sogar trotz einer derzeit schwachen Nachfrage ein Upgrade auf einen Stundentakt erhalten. „Dichtere Takte ziehen auch eine entsprechende Nachfrage nach sich“, bestätigte Ulf-Birger Franz, Verkehrsdezernent der Region Hannover. Aus seiner Sicht sei es deswegen auch „überraschend“, dass der Direktzug zwischen der niedersächsischen Landeshauptstadt und Hamburg über Uelzen derzeit nur alle zwei Stunden fährt. Laut der neuen SPNV-Strategie soll sich das spätestens ab 2030 ändern.
Damit die Taktverdichtung wie geplant stattfinden kann, muss aber auch die Deutsche Bahn mitspielen. „Die Infrastruktur ist die große Achillesferse unseres Eisenbahnsystems“, sagte Franz. Die Leistungsfähigkeit des Netzes müsse erhöht werden damit tatsächlich auch mehr Züge fahren können. Der Ausbau der Verkehrsknoten – insbesondere rund um Hannover – spiele dabei eine zentrale Rolle.
„Die Investitionen in die Schiene waren zuletzt nicht auf Erhalt ausgelegt, sondern da ist auf Verschleiß gefahren worden“, kritisierte Lies. Der Verkehrsminister erwartet nicht nur mehr Engagement vom Infrastrukturträger, der immerhin für die Streckennutzung bezahlt wird, sondern auch mehr Geld vom Bund über die sogenannten Regionalisierungsmittel. „Die Finanzierung ist noch nicht ausreichend, wenn wir wollen, dass die Schiene eine herausragende Rolle spielen soll“, sagte Lies.
„Damit mehr Menschen den ÖPNV nutzen, brauchen wir Verbesserungen in allen Bereichen: bessere Taktungen, mehr Personal, mehr Qualität, mehr Komfort, mehr Infrastrukturausbau, mehr Digitalisierung – und das kostet“, ergänzte Ralf Sygusch vom Regionalverband Großraum Braunschweig. Für den Verbandsdirektor ist klar: „Wir haben kein Erkenntnis- oder konzeptionelles Problem, es fehlt an Planungssicherheit und finanziellen Zusagen.“
Neubau von Schienen ist kein Thema
Der Verkehrsminister räumte zwar ein, dass es in Niedersachsen insbesondere an Ost-West-Zugverbindungen mangelt. Dem Neubau von Schienenstrecken erteilte Lies jedoch allein schon aus finanziellen Gründen eine klare Absage. „Da, wo es heute keine Schienen gibt, werden wir auch in Zukunft keine Schienen bauen können“, stellte er klar. Um dennoch ein möglichst flächendeckendes Angebot zu schaffen, setzt Lies auf den Ausbau der Landesbuslinie, die bislang allerdings nur sehr vereinzelt in Niedersachsen zu finden ist.
CDU fordert mehr Geld vom Land
„Es fehlt eine solide Finanzierung. Die Landesregierung muss endlich mehr eigene Mittel für die niedersächsische Infrastruktur bereitstellen“, kommentierte der CDU-Landtagsabgeordnete Marcel Scharrelmann. Weder für die geplanten Streckenreaktivierungen noch für die Sanierung und Ausbau der Gleise habe Rot-Grün im Haushalt genügend Geld eingeplant. „Der ständige Fingerzeig nach Berlin ist ermüdend“, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte.
Dieser Artikel erschien am 12.06.2024 in der Ausgabe #107.
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