26. Mai 2025 · 
TagesKolumne

TagesKolumne: Standortfaktor Wehrwirtschaft

Manche Sätze entfalten ihre Wirkung erst mit Verzögerung – so wie Olaf Lies’ scheinbar harmlose Bemerkung über die „riesige wirtschaftliche Chance für Niedersachsen“ durch das Rüstungsprogramm der Bundesregierung. Gesagt hat er sie in einem FAZ-Interview vom 7. April. Am vergangenen Donnerstag schlug das BSW deshalb Alarm. „Die wirtschaftspolitischen Ideen der Landesregierung tragen mittlerweile Züge einer Kriegswirtschaft“, erklärte der niedersächsische BSW-Landesvorsitzende Holger Onken. Und er ergänzte: „Die zivile Wirtschaft und Infrastruktur – Häfen, Hochschulen, die Automobilindustrie – werden schleichend militärisch umgewidmet; das verändert die gesamte Gesellschaft zum Schlechteren.“

Besonders kritisch, so Onken, sei die Tatsache, dass Arbeitnehmer vor eine fatale Alternative gestellt würden: Waffen bauen oder arbeitslos werden. In der BSW-Erzählung reicht offenbar ein Bauteil mit Bundeswehrbezug – und schon wird aus dem Industriearbeiter ein Erfüllungsgehilfe der Militarisierung.

Ich sehe förmlich die BSW-Dramaturgie vor mir: Olaf Lies, wie er im Emder Hafen mit dem Stahlhelm unter dem Arm den Umbau der Werft zum U-Boot-Stützpunkt begutachtet. Hinter ihm marschieren Ingenieure im Gleichschritt, während bei VW ein ganzer Zug voll Elektro-Kampfpanzerwagen verladen wird. In der IHK laufen die Vorbereitungen für den Zertifikatskurs „Gefechtsfeldlogistik“, an der Universität Oldenburg wird bereits über die Umbenennung nachgedacht – von Clausewitz statt Ossietzky, mit Schwerpunkt auf Panzerbau statt Friedensforschung. Beim Zukunftstag fräsen Schüler Zielfernrohre oder kalibrieren Nachtsichtgeräte. Im Jobcenter fragt man derweil ganz ungerührt: „Schon mal was geschweißt, das explodiert?“

Die zivile Infrastruktur, so das BSW, werde „schleichend militarisiert“. „Schleichend“ ist dabei das entscheidende Wort – denn aus meiner Sicht geht das so langsam vor sich, dass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist. Wo Olaf Lies von Industriepolitik spricht, halluziniert das BSW ein Bedrohungsszenario – mit Nebelmaschine, dramatischem Lichtwechsel und aufziehender Ouvertüre. Wer in ein paar Sätzen über Standortpolitik schon den ersten Akt zur totalen Mobilmachung erkennt, sollte vielleicht nicht in der Landespolitik, sondern im Dramaturgiestudium weitermachen.

Raum A108: Anmeldung für den Zertifikatskurs „Gefechtsfeldlogistik (kaufmännisch)“. Bitte Waffenschein bereithalten. | Foto: Link/mit KI generiert

Und damit zurück in den zivilen Alltag. Im Rundblick geht es heute um ganz reale Frontlinien:

◼ Der Richterbund Niedersachsen schießt scharf gegen die E-Akte: Das System ist längst eingeführt, funktioniert aber nach Ansicht vieler Juristen wie ein schlecht abgestimmter Schnellschuss.

◼ Bei Vonovia rollt der Bagger wieder an: Der Konzern finanziert Neubauten direkt aus der Bilanz – während andere Entwickler schon am Grundstücksrand scheitern.

◼ Und Olaf Lies? Der wird einfach immer weiter gewählt. Nach der Nominierung zum Spitzenkandidaten und der Wahl zum Ministerpräsidenten hat ihn die SPD nun auch noch zum Landesvorsitzenden gemacht. Regierungsverantwortung und Parteiführung – künftig alles in einer Hand. Auch das ist eine Form der Bündelung sicherheitspolitischer Kompetenzen.

Ich wünsche einen guten Start in die Woche – und dass Ihnen niemand die Lage dramatischer erklärt, als sie ist.
Ihr Christian Wilhelm Link

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #097.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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