TagesKolumne: Menschliches, Allzumenschliches
Manche Medien sind einfach näher dran. Während sich ganz Niedersachsen noch fragt, was Stephan Weil nach seinem angekündigten Rückzug eigentlich so vorhat, liefert die Onlineausgabe der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ bereits intime Einblicke. Gut sichtbar, direkt unter der Rücktrittsmeldung „Stephan Weil gibt alle Ämter ab: Was hat er nun vor?“ verlinkt die NOZ zum Artikel „Sex im Alter: 4 häufige Probleme – und wie Paare sie lösen.“ Ein zärtlich-lächelndes Rentnerpaar illustriert das alles auf Augenhöhe mit dem Noch-Ministerpräsidenten.

Nun kann es natürlich Zufall sein, dass Rückzug und Ratgeber so eng beieinanderstehen. Möglich ist aber auch, dass der Algorithmus verstanden hat: Der Weg vom Koalitionskrach zum Beziehungskrach ist ein kurzer – und auch nach dem Ausscheiden aus der Politik gilt es, Konflikte zu moderieren. Nur eben nicht mehr in der Staatskanzlei oder in der Partei, sondern im heimischen Wohnzimmer. Denn hinter jeder Rücktrittserklärung steckt auch ein Mensch mit Bedürfnissen. Oder auch mal zwei.
Es bleibt die tieferliegende Erkenntnis: Auch Ministerpräsidenten sind irgendwann einfach nur Menschen mit Freizeit. Statt Ausschusssitzung geht es um die Frage, wer den Müll runterbringt. Statt Kabinettsklausur gibt es einfach einen Nachmittag auf dem Sofa. Und statt einer Regierungserklärung muss man eine Rechtfertigung abgeben, warum man die Spülmaschine noch nicht ausgeräumt hat. Der Wechsel von der großen Politik zur großen Pause im Hause Weil hat begonnen – und die NOZ macht es uns mit ihrem tiefsinnig-philosophischen Site-Management mehr als deutlich.
Nicht nur für Stephan Weil, sondern auch für Niedersachsen beginnt eine Phase der Neuorientierung. Nachdem die Frage geklärt wurde, wer künftig die Katze in der Staatskanzlei füttert, müssen nun noch andere wichtige Stellen besetzt und Aufgaben verteilt werden. Dazu berichten wir in der heutigen Ausgabe:
■ Kabinettsumbau: Olaf Lies richtet sich schon mal gedanklich in der Staatskanzlei ein. Wer sein bisheriges Amt im Wirtschaftsministerium übernimmt, ist offen. Namen kursieren viele, offizielle Bewerbungen eher nicht.
■ Düngerecht: Statt Zweisamkeit geht es in der Agrarpolitik um Einzelhaft: Die Landwirte sollen für Nitratbelastung künftig individuell zur Verantwortung gezogen werden – mit Hilfe von Enni, einem digitalen Beziehungsratgeber für Böden und Behörden.
■ Industriepolitik: Sigmar Gabriel empfiehlt Paartherapie für den Standort Deutschland – weniger Vorschriften, mehr Vertrauen in die Unternehmen. Ganz nach dem Motto: Wer sich liebt, braucht keine Arbeitszeitverordnung.
Kommen Sie gut in den Donnerstag oder in die nächste Lebensphase!
Ihr Christian Wilhelm Link
Dieser Artikel erschien am 03.04.2025 in der Ausgabe #064.