Kennen Sie diesen tollen Sketch von Loriot, in dem Evelyn Hamann eine Politesse spielt und einem Falschparker einen Strafzettel hinter die Windschutzscheibe klemmen will? Es kommt zum Streit, da der Falschparker sich ungerecht behandelt fühlt und bestreitet, nicht genügend Geld in die Parkuhr gesteckt zu haben. Ein Wort gibt das andere, am Ende kommt die Polizei. Ihr gegenüber muss sich die Politesse rechtfertigen und zitiert dann die umständlichen Vorschriften, um die angebliche Schuld des Autofahrers zu belegen:

„Nach Einwurf der Münze in den für den Münzeinwurf bestimmten Münzeinwurf und Zurückrasten der im Sichtfenster sichtbaren roten Kontrollscheibe war der Fahrzeughalter des ordnungswidrigen Unterlassens des rechtzeitigen Münzeinwurfs in den für den Münzeinwurf bestimmten Münzeinwurf hinreichend überführt.“

„Wenn die rote Kontrollscheibe im Sichtfenster sichtbar wird, ist die Parkzeit überschritten“, weiß die Politesse (gespielt von Evelyn Hamann). | Screenshot/Dailymotion

Ein fürchterlicher Satz, dessen Aussprechen bei der Politesse am Ende dazu führt, dass sie völlig verwirrt ist und von der Polizei abgeführt werden muss, während der Falschparker unbehelligt bleibt. Das ist also ein Sieg des Bürgers über einen Kontrollbeamten, der an der Kompliziertheit der Verwaltungssprache schier verzweifelt. Ein unrealistischer Fall, weil sonst immer der Staat über den Bürger obsiegt? Oder unrealistisch deshalb, weil es doch derartige Auswüchse in der Verwaltungssprache gar nicht (mehr) gibt?

Zumindest der zweite Punkt entspricht nicht der Wirklichkeit. Denn wer die neuesten „Verwaltungsvorschriften zur nachhaltigen Beschaffung“ des Wirtschaftsministeriums genau liest, stößt auf interessante Hinweise. Abgekürzt wird die Vorschrift mit „RdErl. d. MW v. 8.11.2023“, und unter Punkt 4.2. mit der Bezeichnung „Beschaffungsbeschränkungen“ gibt es eine Aufzählung. Eingeleitet wird der Passus mit den Worten: „Folgende Leistungen dürfen, auch im Wege des Direktauftrages, nicht beschafft werden, sofern eine Beschaffung nicht aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist:“ An achter Stelle heißt es dann:

„Geräte, die ausschließlich der Zubereitung von Heißgetränken durch Befüllung mit Lebensmittelportionen, die für den Endverbraucher nur als einzeln verpackte Einheiten in mehrere dieser Einheiten enthaltenden Verkaufsverpackungen erhältlich sind, dienen.“

Aha. Was genau darf hier also von allen Landesbediensteten in Niedersachsen künftig nicht mehr gekauft werden? Versuchen wir mal, uns dem Thema schrittweise zu nähern. Es geht um Geräte, die Heißgetränke herstellen – zu Deutsch also Kaffeemaschinen und Teemaschinen. Aber nicht alle diese Maschinen sind betroffen, sondern nur solche, die mit „Lebensmittelportionen befüllt werden“. Damit sind wohl Geräte gemeint, in die Kapseln oder Kaffeepads eingelegt werden müssen.

Geht es also um alle Kapsel-Kaffeemaschinen? Nein, nicht um alle. Bedingung ist, dass diese Kapseln im Supermarkt „nur als einzeln verpackte Einheiten“ gekauft werden können, und zwar in Verpackungen, in denen sich mehrere dieser einzeln verpackten Einheiten befinden. Alles klar? Die Formulierung ist nicht weit entfernt von Loriots „für den Münzeinwurf bestimmten Münzeinwurf“ an der Parkuhr. Im Versuch, es möglichst genau zu beschreiben, überschlägt sich die Sprache.

Hat Loriot, der ungeschlagene Meister des deutschen Humors, also ein Weiterleben in der niedersächsischen Landesverwaltung? Das wäre eine Erklärung für manche Merkwürdigkeit im Behördenleben und auch dafür, dass sich die rot-grüne Landesregierung so beharrlich weigert, eine gründliche Aufgabenkritik als Vorstufe einer Entschlackung des Vorschriften- und Behördenwustes in Niedersachsen in Gang zu bringen. Nur wo reichlich Wirrwarr herrscht, vor allem auch in der Formulierung der Vorschriften, findet einer wie Loriot noch genügend Stoff für seinen Humor – übrigens auch noch mehr als zwölf Jahre nach seinem Tod. Entlarvung ist unsterblich.

Mit seiner skurrilen Situationskomik und seinem unnachahmlichem Wortwitz hat Vicco von Bülow alias Loriot die deutschsprachige Kultur des 20. Jahrhunderts geprägt wie kaum ein anderer. | Quelle: ARD/SWR/Hugo Jehle

In den Themen des heutigen Rundblicks sind bestimmt auch noch einige Ansatzpunkte für derlei Stilblüten enthalten:

Wir widmen uns der Frage, warum die versprochene Amtszeit-Verlängerung für Bürgermeister und Landräte immer noch auf sich warten lässt. Wir schauen nach Göttingen, wo es neue Verwaltungsstrukturen gibt, die sich an Menschen wenden, die Diskriminierung spüren. Und wir untersuchen, warum es im Landtag eine Vielfalt an Anträgen gibt, die sich mit der Queer-Politik beschäftigen. Ist das vielleicht ein Zeichen dafür, wie schwer die Lager zueinander finden? Eine spannende Justiz-Personalie haben wir auch noch zu bieten.

Zurück zu Loriot: Wenn die Autoren der niedersächsischen Verwaltungsvorschriften nun befürchten, mit dem neuen Kaffeemaschinen-Kauf-Verbot zum Gespött der Bürger zu werden, gibt es immerhin einen Trost für sie: Noch hat sich die Landesregierung Gott sei Dank nicht entschieden, die Gender-Sprache mit Sternchen oder anderen Ulk-Zeichen einzuführen. Man stelle sich mal vor, dies hätte man in der Vorgabe der Beschaffungsliste auch noch berücksichtigen müssen, wie hätte das dann geklungen?

„Geräte, die ausschließlich der Zubereitung von Heißgetränken durch Befüllung mit Lebensmittelportionen, die für den/die Endverbraucher/innen nur als einzeln verpackte Einheiten in mehrere dieser Einheiten enthaltenden Verkaufsverpackungen erhältlich sind, dienen.“

Von Glück können wir hier sagen, dass es „das Gerät“, „das Heißgetränk“ und „die Einheit“ und „die Verkaufsverpackung“ heißt. Wie klänge es, wenn diese Substantive maskuline Artikel haben müssten? Allein bei der Vorstellung fühlt man sich wie Evelyn Hamann am Ende des Sketches mit dem Münzeinwurf.

Ich wünsche Ihnen einen verwirrungsfreien Tag mit vielen Erinnerungen an Loriot

Klaus Wallbaum