18. Aug. 2023 · 
TagesKolumne

TagesKolumne: KI statt Kabinett

Liebe Leserinnen und Leser,

die Geräuschkulisse in diesem Land wird langsam unerträglich. Mittlerweile rufen nicht nur der Berg, der Sonnenschein, die weite See und die Pflicht, sondern auch noch die Führungselite des Mittelstands. "Der Ruf aus der Wirtschaft nach mehr Rationalität in der Politik ist unüberhörbar", berichtete gestern Andreas Renner, Akademischer Direktor der Steinbeis Augsburg Business School, in einer Pressemitteilung. Anlass dafür war eine aktuelle Umfrage der Wirtschaftsakademie "unter mehr als 100 Top¬managern aus vorwiegend mittelständischen Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz" zur Künstlichen Intelligenz (KI).

Das Ergebnis der Studie, an der auch die UNO-Denkfabrik "Diplomatic Council" mitgewirkt hat: Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) hält eine KI-Unterstützung politischer Entscheidungen für wünschenswert. Ein Drittel der Führungskräfte ist sogar fest davon überzeugt, dass durch Künstliche Intelligenz mehr Logik und Vernunft in die Politik einziehen würden. Als sinnvolle Einsatzszenarien für KI in Politik und Verwaltung nannten die Mittelstandsmanager die Sicherheit im öffentlichen Raum (72 Prozent), den Klima- und Umweltschutz (78 Prozent) sowie den Bürokratieabbau (85 Prozent).

Die Vorteile eines KI-Einsatzes in der niedersächsischen Landespolitik liegen auf der Hand: Die Landesregierung könnte wesentlich schneller performen, wenn sie eine entsprechende Software mit dem Koalitionsvertrag füttern würde, die dann selbstständig Gesetzesvorschläge und Verordnungen generiert. Vermutlich bräuchte man nicht einmal mehr ein Kabinett, sondern nur noch Ministerpräsident Stephan Weil und einen Chatbot. In der Rundblick-Redaktion sehen wir solche Überlegungen allerdings kritisch, denn wie sollen wir unsere beliebte Rubrik "Personen & Positionen" füllen, wenn der Großteil der niedersächsischen Entscheidungsträger erst mal durch Künstliche Intelligenz ersetzt wurde?


RegierungGPT macht's möglich: Per Knopfdruck setzt Stephan Weil die Energiewende in Niedersachsen in Gang, den Rest macht die Künstliche Intelligenz. | Foto: Ideen-Expo, Staatskanzlei, Montage: Link

In der Verwaltung wäre so ein bisschen KI-Unterstützung dagegen nicht verkehrt. Zumindest hätte das Land Niedersachsen dadurch fristgerecht alle ausstehenden Grundsteuererklärungen an die Finanzbehörden übermitteln oder zumindest ausführlich auf eine entsprechende Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Ulf Thiele antworten können. Wie Sie hier nachlesen können, ist aber offenbar beides nicht geschehen. Immerhin: Thiele wurde nicht etwa von einem Chatbot abgefrühstückt, sondern wenigstens von Finanz-Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette persönlich.

Weil wir auch beim Rundblick keine KI haben, haben wir stattdessen Klaus Wallbaum mit den Daten zur Linkspartei gespeist. Unser ChefredakteurGPT hat daraufhin drei Szenarien ausgespuckt, wie es mit der arg zerstrittenen Partei weitergehen könnte. Welche das sind, erfahren Sie hier.

Und dann ist da noch der Deutsche Evangelische Kirchentag, der 2025 in Hannover stattfinden wird. Wie sich die Landeshauptstadt und die Landeskirche auf das Event vorbereiten, verrät Ihnen Niklas Kleinwächter. Nur ein Detail kennt auch unser Kirchenexperte noch nicht: Die "Losung", unter der das Programm stehen wird. Die muss nämlich noch in einem Auswahlverfahren festgelegt werden, das allerdings unnötig umständlich anmutet. Ich empfehle dem Kirchentag-Präsidium das Anlegen eines ChatGPT-Accounts, denn dann ist der passende Bibelspruch innerhalb weniger Sekunden gefunden.

Viel Spaß beim Lesen,
Ihr Christian Wilhelm Link


Dieser Artikel erschien am 18.8.2023 in Ausgabe #139.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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