Es ist wieder die Zeit des Jahres, in der eine über 2000 Jahre alte Geschichte unsere Herzen erwärmt. Man denkt sofort an unverhofften Lichterglanz in dunkelster Nacht, ein Neugeborenes und strahlende Gesichter, frohlockende Heerscharen des Himmels und verängstigte Hirten, die neuen Mut fassen.
Doch am Anfang dieser Geschichte, die alle kennen, stehen eigentlich Behördenwillkür und bürokratischer Wahnsinn, eine beschwerliche Reise, auf die niemand gehen wollte, und eine Gesellschaft ohne Platz in der Herberge. Die Weihnachtsgeschichte – sie passt gut in diese Zeit.

Nach langem Ringen haben sich die EU-Institutionen in der Nacht zu Mittwoch auf eine Reform der europäischen Asylpolitik verständigt. Anerkennungsverfahren sollen beschleunigt und schon an der EU-Außengrenze abgewickelt werden. Der Eintritt soll erschwert, die unkontrollierte Weiterreise verhindert und Rückführungen erleichtert werden.
Worin die einen nun den weiteren Aufbau einer Festung Europas und eine herzlose Politik gegen Schutzbedürftige sehen, erkennen andere einen Durchbruch nach jahrelanger Hängepartie und sprechen von Humanität durch Ordnung: Ohne geregelte Verfahren kann es auch keinen Schutz für jene geben, die ihn wirklich brauchen.
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Der Rundblick-Jahresrückblick 2023
Auch wenn die Wächter der EU die Tür zur Herberge nun zuschlagen mögen, findet sich in Notfällen noch etwas Platz in Niedersachsens Kirchen. Die Nachfrage nach Kirchenasyl scheint zuletzt zumindest gestiegen zu sein. Befragt zur Bedeutung des Kirchenasyls verriet mir der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Bischof Thomas Adomeit, dass diese Praxis für die Kirche „etwas ganz Grundlegendes“ sei, das „zu unserer christlichen DNA untrennbar dazugehört.“ Außerdem erläuterte er:
„Menschen, die sich in Fluchtsituationen befinden, die unter Gewalt und Unterdrückung leben, begegnen uns im Alten wie im Neuen Testament. Zugespitzt könnte man sagen: Die biblische Grundlage vieler theologischer Fragestellungen geht zurück auf Menschen, die selbst Migrationserfahrungen hatten.“
Stehen uns nun Weihnachtsgottesdienste bevor, in denen von der Kanzel herab eine Umkehr in der Asyl- und Flüchtlingspolitik gepredigt wird? Wer weiß – finden wir es doch heraus!

Insgesamt lässt sich mit der Bibel allerdings eher schlecht Politik machen (was Adomeit im Übrigen auch nicht tut). Mit dem Rundblick in der Hand klappt das natürlich deutlich besser. Deshalb haben wir heute, in der vorletzten Ausgabe des Jahres, folgende Themen aufbereitet:
• Kirchenasyl: Kirchenvertreter bangen um das Grundrecht auf Asyl und betonen die Bedeutung des Kirchenasyls als Notlösung. Konflikte mit dem Staat drohen darüber aber offenbar keine.
• Enercity: Susanna Zapreva verlässt Hannover zum Ende des Jahres und geht zurück nach Wien. Im Gespräch mit meinem Kollegen Christian Wilhelm Link verrät die Enercity-Chefin, welche Chancen der Energieversorger in Zukunft hat.
• Provenienz: In den Archiven und Sammlungen deutscher Museen und Universitäten lagern unzählige menschliche Überreste aus kolonialen Raubzügen. Nach und nach werden die finsteren Ecken ausgeleuchtet.
• Asylpakt: Lena Düpont (CDU) hat in Brüssel für ihre Fraktion die neue EU-Asylpolitik mitverhandelt. Über den nächtlichen Durchbruch freut sich die Politikerin aus Gifhorn.
• Wolf: Die EU-Kommission hat neue Pläne zum Umgang mit dem Beutegreifer. Es geht voran, aber nicht rasch.
Ich wünsche Ihnen einen behüteten Donnerstag
Ihr Niklas Kleinwächter