Dass man durch zu viel Fernsehen viereckige Augen bekommt, konnte wissenschaftlich nie nachgewiesen werden. Anders verhält es sich dagegen bei der Frage, ob zu viel Fernsehen dumm macht. Gestützt durch diverse Studien ging man lange Zeit davon aus, dass intensives Fernsehen tatsächlich mehr oder weniger zur Verblödung führt – zumindest bis vor Kurzem. „Halt‘ mal meine Fernbedienung, ich will das jetzt genau wissen“, sagte der Neurologe Matthias Nürnberger vom Universitätsklinikum Jena (UKJ) und fand heraus:  Wer sein Gehirn an die Grenzen der Leistungsfähigkeit bringen will, muss mehr und nicht weniger Zeit vor der Glotze verbringen.

Nürnberger und sein Team ließen 74 junge Erwachsene im Alter von 20 bis 30 Jahren einen Kurs im 10-Finger-Schreiben auf der Tastatur absolvieren – eine Fertigkeit, die sie vorher nicht beherrschten. Warum? Weil dabei motorische Fähigkeiten mit visueller Informationsverarbeitung verknüpft werden, sagen die Forscher. Dabei zeigte sich: Die Teilnehmer, die in einer kontrollierten Umgebung täglich acht Stunden vor dem Fernseher saßen, lieferten deutlich bessere Ergebnisse ab als die Probanden mit komplettem Fernsehentzug.

Das Ergebnis überraschte selbst die Neurologen: „Eigentlich gilt das Gehirn ab einem gewissen Alter als kognitiv austrainiert. Mit etwa 25 Jahren ist das Maximum an Synapsen erreicht und es ist sehr schwierig, diese Obergrenze zu verändern. Aber, und das legt unsere Studie nahe: Mit sehr viel visuellem Reiz ist es doch möglich, noch eine Verbesserung zu erzielen“, berichtet Nürnberger. Per MRT-Aufnahmen konnten er und sein Team nachweisen: „Fernsehen ist für unser Gehirn besser als sein Ruf.“

Im MRT sichtbar: Exzessives Fernsehen erhöht die Verknüpfung zwischen den visuellen und motorischen Lernnetzwerken im Gehirn. | Foto: UKJ

Wie sich Fernsehen auf die psychische Gesundheit auswirkt, will nun die Universität Osnabrück erkunden – und zwar anhand der Casting-Show „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM). „Aus der Forschung wissen wir, dass das Konsumieren von Medien, die ein schlankes Körperideal vermitteln, insbesondere auf Personen, die bereits eine Tendenz zu Körperunzufriedenheit haben, negative Einflüsse haben kann“, sagt Studienleiterin Friederike Holtmann.

Die Psychologin und ihr Team suchen für eine Online-Studie nun Teilnehmer mit und ohne Essstörung, die „die Sendung in ihrer Freizeit sowieso anschauen“. Warum diese Einschränkung? Eventuell hat es wissenschaftliche Gründe, vermutlich aber eher finanzielle. Bei vollständiger Teilnahme erhalten die Probanden der Online-Studie eine Vergütung in Höhe von 30 Euro. Müsste man die Studienteilnehmer auch noch dafür entschädigen, dass sie sich dieses Trash-TV-Format überhaupt anschauen, würde das vermutlich das gesamte Forschungsbudget des Landes Niedersachsen sprengen – selbst unter Berücksichtigung der Zusatzmillionen aus dem Porsche-Börsengang.

Wenn Sie sich auf diesem Foto irgendwie wiedererkennen, melden Sie sich doch für die Online-Studie der Uni Osnabrück unter kpp-bodyimg@uni-osnabrueck.de an. | Quelle: mit KI generiert

Positive Einflüsse auf die Psyche bei gleichzeitiger Weiterentwicklung der kognitiven Fähigkeiten bietet die heutige Rundblick-Ausgabe. Das sind unsere Themen:

• Es piept wohl: Wer nicht nur gerne angehende Topmodels betrachtet, sondern auch Uferschnepfen, Kiebitze und Weißstörche, darf sich über eine Intervention aus Brüssel freuen. Die EU-Kommission hat Niedersachsen freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass das Land bei der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie nachbessern muss.

• Wenn das der Kaiser wüsste: In Goslar tobt der Streit zwischen den Befürwortern und Gegnern eines Stadthallen- und Hotel-Komplexes neben der historischen Kaiserpfalz. Sogar der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel ist auf Zinne. Ein Bürgerentscheid soll jetzt wieder den Burgfrieden sichern.

• Ab in den Öko-Urlaub: In den 90er Jahren war er Büroleiter von Bundespräsident Roman Herzog, heute ist Thomas Ellerbeck der Nachhaltigkeitschef bei Tui und als solcher weiß er: Durch die Reisebranche muss ein Ruck gehen! Bei einem Besuch des Industrie-Clubs Hannover hat Ellerbeck verraten, warum Europas größter Touristikkonzern jetzt aus Überzeugung grün ist.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link