Das Mittelalter war schon eine komische Zeit. Menschen, die noch nie in ihrem Leben ein exotisches Tier gesehen hatten, wurden dazu genötigt, für ihren Lehnsherrn einen Löwen aufs Wappenschild zu pinseln – und blieben trotz völliger Ahnungslosigkeit unwidersprochen. Die Ergebnisse sind teils ebenso bizarr wie komisch und haben dank übereifriger Heraldiker sowie dem Preußischen Staatsministerium, das in den 1920er- und 1930er-Jahren jedes noch so hässliche Wappen durchwinkte, bis in unsere Gegenwart überdauert.

Auf dem Gebiet des früheren Fürstentums Lüneburg sind so einige besonders skurrile Interpretationen des Welfen-Löwen erhalten geblieben – mal gelb, mal blau, aber immer ziemlich schräg. Mit herausgestreckter Zunge, wirrem Gesichtsausdruck und von roten Herzchen umringt, wirken die Wappentiere nicht gerade majestätisch, sondern eher wie verliebte Fabelwesen mit ernsthaften Dehydrationsproblemen.

Löwen, wie man sie in freier Wildbahn selten trifft: Die Wappen der Landkreise Lüneburg (von links), Heidekreis, Winsen/Luhe, Northeim und Harburg. | Bilder: Wikipedia

Während der Landkreis Celle es vor einiger Zeit schaffte, sein historisches Wappen im alltäglichen Gebrauch durch den Logoentwurf eines farbbegeisterten Grundschülers zu ersetzen, erntete der benachbarte Landkreis Gifhorn für einen weit harmloseren Vorstoß jüngst einen regelrechten Shitstorm. Wie es in Zeiten sozialer Medien üblich ist, entlud sich der Protest unverzüglich online. „Braunschweiger Vereinswappen!“, „Erinnert an eine Versicherung“ oder „Keine Liebe zum Detail“ schimpften die Kommentatoren über den Neuentwurf. Manche witterten Traditionsbruch und fragten sich besorgt, was das neue Design gekostet habe. Der Landkreis Gifhorn erklärte, dass die Überarbeitung der Website nötig geworden sei, weil der bisherige Dienstleister gekündigt hatte, und dass die Gesamtkosten unter 50.000 Euro netto lägen.

Der Landkreis Celle hat sein historisches Wappen (oben links) im Alltagsgebrauch schon längst gegen ein moderneres Logo eingetauscht. Jetzt zieht der Landkreis Gifhorn nach. | Bilder: Landkreise Celle und Gifhorn

Der Landtagsabgeordnete und AfD-Kreisfraktionschef Stefan Marzischewski-Drewes vermutete sogar einen Verstoß gegen die Hauptsatzung des Landkreises Gifhorn. Doch die Behörde widersprach: Weil das historische Wappen nach wie vor bei hoheitlichen Anlässen verwendet werde, sei kein Kreistagsbeschluss nötig gewesen.

Landrat Tobias Heilmann bleibt bei all der Aufregung gelassen und stellt fest, Design sei eben Geschmackssache: „Ich kann gut verstehen, dass es nicht jedem auf Anhieb gefällt oder unterschiedliche Assoziationen hervorruft. Kontroversen sind wichtig und nützlich.“ Als moderner Designer blickt man da vermutlich neidvoll in die Vergangenheit: Wer nie einen echten Löwen gesehen hat, konnte ihn nach Herzenslust frei erfinden. Diese kreative Freiheit dürfen wir uns auch heute nicht nehmen lassen.

Aber natürlich zieht nicht nur ein frisch designter Löwe die Blicke auf sich. Auch andernorts macht Niedersachsen auf sich aufmerksam – und was da alles passiert, lesen Sie in der heutigen Ausgabe:

■ Hochwasserhilfen: Wer denkt, eine Flutkatastrophe vom vorletzten Jahr sei mittlerweile längst abgehakt, irrt gewaltig. In Niedersachsen wird noch fleißig auf Finanzhilfen gewartet, während Ausschussmitglieder sich fragen, ob das Geld in einer Kanalverstopfung versackt ist.

■ Abtreibung legalisieren?: Rot-Grün möchte der Strafandrohung Lebewohl sagen, die Opposition kontert mit Skepsis. Im Landtag dreht sich die Debatte um Selbstbestimmung, ärztliche Gewissensfragen und weite Fahrten zur nächsten Klinik.

■ Schwarzmarkt & Glücksspiel: Ein neuer Favorit für die Disziplin „Schattenwirtschaft“ sind manipulierte Automaten und Hinterzimmer-Pokerrunden. Während Polizei und Zoll regelmäßig ganze Spielhöllen hochnehmen, wird die Branche nicht müde zu betonen, dass die strengen Regeln fürs legale Zocken erst recht zu dunklen Machenschaften verleiten.

Mit einem herzlichen Fauchen und den besten Löwengrüßen,
Ihr Christian Wilhelm Link