Was zu tun ist, müsste eigentlich jedermann klar sein. Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, brauchen wir mehr Rückzugsräume der Natur, weniger CO2-Ausstöße und mehr Möglichkeiten, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden. Dazu sind die Moore ideal – und überall dort, wo es solche Flächen gegeben hat und wo sie wieder entstehen könnten, müsste man das konsequent fördern. Man müsste es.
Aber was passiert? Wenden wir uns heute mal dem Steinhuder Meer zu, dem größten See Nordwestdeutschlands, nicht weit entfernt von Hannover gelegen. Für ein konsequentes Naturschutz- und Moorschutzprogramm gibt es hier ideale Bedingungen. Diese Region könnte zum Mekka der Naturschützer werden, zu einem Ausflugsziel erster Güte, das den Schutz der Natur verknüpft mit Angeboten, die Rückzugsräume der Vogelwelt aus sicherer Entfernung beobachten zu können.

Aber was geschieht? Es müsste mehr Projekte der Moor-Wiedervernässung am Steinhuder Meer geben. Stattdessen läuft der Torfabbau in Neustadt noch. Der Abbau wird zwar rücksichtsvoll und kontrolliert organisiert, es besteht auch ein enger Austausch zwischen Ökologen und dem Unternehmen.
Aber trotzdem: Er läuft ja noch. Dabei müsste man doch eigentlich die Torfrechte aufkaufen und Pläne für intensiveren Naturschutz betreiben. Konsequente Wiedervernässung wäre hier angesagt. Man müsste, doch es passiert nicht. Das ist nicht das einzige Defizit. In der heutigen Ausgabe des Politikjournals Rundblick äußert sich der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann, der selbst in der Nähe des Steinhuder Meeres aufgewachsen ist, über seine Erfahrungen. Buschmann sagt zur aktuellen Lage am Steinhuder Meer:
„Auf Biegen und Brechen wird von mehreren Seiten versucht, die Errungenschaften des Naturschutzes, die für eine Verbesserung der Lebenssituation von Fauna und Flora gesorgt haben, zu Gunsten anderer Interessen aufzuweichen.“
Wer sind denn diese „anderen Interessen“? Da gibt es die Segler, die gern ihren Freizeitsport auf dem Meer treiben wollen. Nichts gegen diesen Sport, Bewegung tut ja auch gut. Aber kann es richtig sein, die Grenzen des Sports immer stärker auszudehnen zu Lasten der Gebiete, die eigentlich als Schutzraum für die Vogelwelt dienen sollten?
Der Nabu-Vorsitzende nennt mehrere konkrete Beispiele, in denen in diesem Interessenkonflikt die Natur den Kürzeren zog. Dann gibt es die Landwirte, die beispielsweise gegen die Moor-Vernässung große Vorbehalte haben, da sie ihre Flächen in Mitleidenschaft gezogen sehen. Man müsste mit den Bauern verhandeln, einen Ausgleich erzielen. Doch Voraussetzung wäre zunächst einmal, dass man überhaupt das Interesse an mehr Naturschutz am Meer hat, dass man am Status quo etwas ändern will.

Diese Kolumne steht aber unter der Überschrift „Das vergessene Meer“. Welch großartiger Naturraum hier vorhanden ist, der gepflegt, geschützt und massiv unterstützt werden müsste, wird einem kaum bewusst. Man hat den Eindruck, dass dieser Naturschatz eher versteckt als hervorgehoben wird. Dass die Steinhuder und Mardorfer womöglich lieber „Mallorca-Partys“ feiern, statt den Naturraum selbst in den Vordergrund zu stellen. Dass die lokale Wirtschaft mehr auf die Freizeitsportler und Segler baut, statt auf die Naturliebhaber. Dass die lokale und regionale Politik lieber an all diesen Zuständen nicht rührt, um den Interessenkonflikt nicht anzuheizen. Aus Sorge vor…, ja vor wem oder wovor eigentlich? Morgen ist eine große Konferenz in Neustadt, es soll ein „Kodex Steinhuder Meer“ unterzeichnet werden. Wir dürfen gespannt sein, ob darin auch folgende Fragen berührt werden:
Ist eigentlich klar, was alles in das Meer eingeleitet wird? Gehören auch belastete Abwässer dazu?
Gibt es eigentlich ein Konzept für die Moor-Renaturierung am Steinhuder Meer – und wie ehrgeizig ist dieses?
Bekommen die Naturschutzverbände eigentlich ausreichend Gehör, wenn sie – wie jetzt Buschmann – über den schleichenden Veränderungsprozess am Meer klagen?
Wir warten mal ab. Ihre Meinung dazu interessiert uns: Schreiben Sie uns hier.
Das Politikjournal Rundblick befasst sich heute noch mit der Windenergieplanung in Niedersachsen und dem Stand der Ausbauziele. Außerdem beschreibt der Sozialverband Deutschland an Beispielen, auf welch hohe bürokratische Hürden Menschen stoßen, die Unterstützung benötigen. Und dann geht es noch um aktuelle Überlegungen in der SPD, trotz des Karlsruher Urteils Freiraum für kräftige staatliche Investitionen zu schaffen. Im Rechtsausschuss des Landtags gab es derweil gestern einen Eklat…
Ich wünsche Ihnen einen entspannten Donnerstag – und genießen Sie die Natur in Ihrer Umgebung. Sie braucht unseren Schutz.
Klaus Wallbaum