"Können Sie Stellungnahme zur Inflation in Bezug auf die steigenden Dönerpreise nehmen?“ – Zum Ende der Veranstaltung „EU on Tour“ in der IGS Garbsen gab es für Bernd Lange und David McAllister noch eine richtig harte Nuss zu knacken. Nachdem die EU-Parlamentarier zuvor alle Schülerfragen zur internationalen Sicherheitspolitik von der Wahrscheinlichkeit eines Dritten Weltkriegs über das Selbstverteidigungsrecht Israels bis hin zur Kurdenfrage solide abgeräumt hatten, wirkten sie beim Dönerpreis-Problem leicht überrumpelt.
Dementsprechend war Langes Verweis auf die EU-Mindestlohnrichtlinie, wonach die Gehaltsuntergrenze künftig nicht weniger als 60 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten liegen soll, zwar sicher richtig. „Man muss von seiner Arbeit ein Leben finanzieren können – nicht nur wegen des Döners, sondern überhaupt“, sagte der EU-Handelsexperte. Für die 16-Jährigen, die erstmals bei der Europawahl im Juni ihre Stimme abgeben können, dürfte diese Antwort allerdings ziemlich unbefriedigend gewesen sein. Denn inwiefern Schüler und Azubis vom Mindestlohn profitieren, ist doch eher unklar. Und eine EU-Mindesttaschengeldrichtlinie ist meines Wissens derzeit nicht in Arbeit.

Laut den Politprofis aus Niedersachsen helfen da nur zwei Dinge: Wählen gehen oder besser noch selbst politisch aktiv werden. Europaministerin Wiebke Osigus verriet, dass ihre politische Karriere in der Schulzeit mit ihrem Protest gegen die Rechtschreibreform 1996 begann. „Das hat mich frustriert. Wenn ich damals hätte wählen dürfen, hätte ich mich anders positioniert“, sagte die SPD-Politikerin. Und auch Bernd Lange trieb der Frust in die Politik. Einfachere Rechtschreibung interessierte in den 1970er Jahren zwar niemanden, und der Döner hatte seinen Siegeszug als Grundnahrungsmittel der Deutschen auch noch nicht angetreten. Dafür war aber gerade der Vietnam-Krieg zu Ende gegangen. „Da habe ich mich für eine friedliche Welt engagiert und gesagt: So was wollen wir nie wieder“, erzählte Lange.
Zusammen mit seinem damaligen Juso-Kollegen und späteren Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke hatte der Jungpolitiker aber noch eine andere Agenda: Er kämpfte in Varel (Landkreis Friesland) für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, damit die hiesige Frank-Zappa-Coverband endlich einen Ort für ihre Konzerte bekam. „Die waren sehr laut und das war nicht so wohlgelitten“, berichtete der Vorsitzende des EU-Handelsausschusses, den Sie sich jetzt bitte mal alle in jungen Jahren vorstellen, wie er lauthals den Text von Frank Zappas „Bobby Brown (Goes Down)“ mitgrölt.
Weitere Gründe, warum man politisch aktiv werden sollte, finden Sie in der heutigen Rundblick-Ausgabe:
Viel Spaß beim Lesen und einen guten Start in die Woche wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link