Seit Anfang Juli gibt es im Bundestag keine Faxgeräte mehr. Nur dreieinhalb Jahre nach einem entsprechenden Beschluss des Ältestenrates ist das Parlament im 21. Jahrhundert angekommen. Warum hat es so lange gedauert, die ehemals 1600 Faxgeräte rauszuwerfen? „Diese Verwaltung hat ein großes Beharrungsvermögen, was Innovation betrifft“, verriet Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vergangene Woche beim Industrie-Club Hannover und sagte: „Es war ein Kraftakt. Es haben sich Menschen sprichwörtlich an dieses Gerät gekettet.“

Hier können Klimakleber noch etwas lernen: Innovationsresistente Verwaltungsmitarbeiter, die sich an Faxgeräte ketten, legen nicht nur den örtlichen Verkehr lahm, sondern gleich ein ganzes Land. | Quelle: mit KI generiert

Eine Faxnummer hat der Bundestag natürlich weiterhin, schließlich gibt es Breitband-Internet erst seit 25 Jahren in Deutschland (am 1. Juli 1999 wurden die ersten Anschlüsse freigeschaltet). Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom von Anfang 2024 nutzen immer noch 65 Prozent der Unternehmen regelmäßig das Faxgerät, um „rechtssicher“ mit Behörden zu kommunizieren.

Schade eigentlich, dass Volkswagen kein Telefaxgerätehersteller ist, denn dann hätte der Konzern quasi unbegrenzt viel Zeit für seine Transformation. Im schlimmsten Fall würden wir jetzt über staatliche Telefax-Kaufprämien und Strafzölle gegen Brother, Toshiba oder Panasonic diskutieren. Die Japaner wissen nämlich, wie man eine Zeitenwende erfolgreich verschleppt – auch bei der E-Mobilität. Wie das geht, verriet der japanische Automobil-Experte Prof. Hiroo Takahashi jüngst in der Tagesschau.

Während Volkswagen derzeit auf seinen reinen Elektroautos sitzen bleibt, finden die Hybridfahrzeuge von Toyota reißenden Absatz. Vier von zehn Autos, die Toyota verkauft, sind Hybride. Und die sind deswegen in Japan außerordentlich beliebt, weil es dort gar keine richtige Infrastruktur gibt, um Stromer zu laden, verrät Takahashi. Chinesische Billiganbieter wie BYD, MG und Nio kommen mit ihren E-Autos also gar nicht in den japanischen Markt. Zudem hat Japan für 2035 kein Verbrenner-Aus beschlossen, sondern nur das Ziel ausgegeben, dass ab dann jedes neu verkaufte Auto einen Elektromotor haben muss. „Genau in diesem Punkt unterscheidet sich die japanische Fahrzeugpolitik von der deutschen“, sagt Takahashi.

„Wir müssen auch wieder lernen, Mehrheitsentscheidungen zu respektieren“, sagt Bärbel Bas bei einer Veranstaltung des Industrie-Clubs in Hannover. | Foto: Link

Kommen wir aber nochmal auf Bärbel Bas und ihren Kurzabriss zum Thema „Verwaltungsmodernisierung“ zurück. „Die Leute, die sich nicht bewegen wollen, muss man überzeugen oder an andere Stellen setzen, wo sie kein Bremsklotz sind. Man muss Sachen einfach mal ausprobieren“, sagte die SPD-Politikerin im hannoverschen Sprengel-Museum.

Dieses Zitat hätte genauso auch einige Kilometer weiter auf dem Messegelände fallen können. Dort diskutierten Vertreter der Automobilindustrie zusammen mit FDP-Fraktionschef Christian Dürr darüber, ob man das Verbrenner-Aus aufweichen und die Flottenregulierung der Europäischen Union abschaffen sollte. „Im Cockpit sitzen Leute, die aufs Gas treten, aber die Regulatorik hat die Handbremse gezogen. Wenn wir die lösen, geht es mit Lichtgeschwindigkeit nach vorne“, sagte Dürr. Er meinte allerdings nicht die Bundestagsverwaltung, sondern die Autoindustrie. Die beiden sind sich gar nicht mehr so unähnlich.

In der heutigen Ausgabe geht es aber nicht nur um die Bundestagsverwaltung und die Krise der deutschen Automotive-Branche. Wir beschäftigen uns auch mit folgenden Fragen:

• Steht das Konzept der Museumsschule vor dem Aus? Der Arbeitskreis niedersächsische Kulturverbände („AKKU“) warnt vor Mittelkürzungen im Landeshaushalt.
• Brauchen wir mehr Einblicke in die Behördenabläufe? Anne-Beelte Altwig und Klaus Wallbaum streiten in einem Pro & Contra über ein Informationsfreiheitsgesetz für Niedersachsen.
• Wird es jetzt ernst für Jörg Mielke? Der Chef der Staatskanzlei muss heute erneut im Untersuchungsausschuss aussagen. Es geht um einen offenbar heiklen E-Mail-Verkehr zwischen Mitarbeitern.

Einen temporeichen Start in die Woche ohne Bremsklötze wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link