Wahlkämpfer, aufgepasst! Eine Parole auf einem Plakat soll Diskussionen auslösen, deshalb sind oft viele schräge Sprüche zu lesen. Über manche kann man sich so richtig aufregen – und das soll ja auch so sein. Dieser Europa-Wahlkampf liefert uns dafür viele Beispiele. Etwa die FDP: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Spitzenkandidatin, bekennt auf der neuesten Plakatlinie: „Ich nerve so lange, bis sich was ändert“. Das klingt sehr nach Nörgelei, nach Oppositionsverhalten – und passt doch irgendwie gut, denn unter den politisch interessierten Menschen in Deutschland sind sehr viele, die Strack-Zimmermann für eine Nervensäge halten. Das greift die FDP auf und wendet es in eine Sympathie-Werbung. Aber im Ernst: Will man jemanden wählen, der seine Kompetenz aus dem Dasein als ständiger Widersacher ableitet?

„Ich werde nerven, bis sich was ändert“, verspricht Marie-Agnes Strack-Zimmermann. | Foto: Wallbaum

Schauen wir weiter in die Runde. Die CDU hat in den ersten Wochen vor der Wahl auf ihre Großflächen nur Begriffe gepackt wie „Sicherheit“ oder „Freiheit“. Personen waren auch zu sehen, oft aber nur im regionalen Zusammenhang. Es gab schon Hinweise, die Christdemokraten würden ihre mächtigste Frau in Europa, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, „verstecken“. Seit gestern wissen wir: Das ist nicht so. Jetzt sind auch Köpfe auf den Großflächen zu sehen, nämlich die von Parteichef Friedrich Merz (tritt nicht zur Europawahl an) und von Ursula von der Leyen (tritt auch nicht zur Europawahl an, ist aber die zentrale Figur dieser Wahl). So richtig gelungen aber sind die neuen CDU-Plakate auch nicht, denn die Parole „Gemeinsam für Deutschland und Europa“ wird sicherlich niemals einen Preis für Originalität und Humor gewinnen.

„Gemeinsam für Deutschland und Europa“: Die CDU verzichtet auf jedwede Kontroverse. Bei den Grünen sieht das anders aus. | Foto: Wallbaum

Da ist es bei den Grünen schon anders. Passend zu den laufenden Feiern des 75. Grundgesetz-Geburtstags spielt die Partei mit den drei Hauptbegriffen der Nationalhymne „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Aber darf man das, mit einem nationalen Symbol spielen? Auf den neuesten Grünen-Plakaten wird daraus: „Einigkeit – gegen Rechts – für Freiheit“. Das ist in der Tat gewöhnungsbedürftig, denn aus dem Recht wird mal eben „rechts“, kombiniert wird es mit einer Ablehnung. Man kann annehmen, dass mit „rechts“ hier „rechtsradikal“ gemeint ist – eine gängige kommunikative Verkürzung in bestimmten Kreisen, die alles rechts der Mitte für ablehnungsbedürftig erklären. Unterm Strich wirkt der neue Dreiklang der Grünen um keinen Deut besser als der inhaltsleere Spruch der CDU.

„Für Alt, Jung und gutes Klima“: Diese Auswahl der SPD wirkt etwas beliebig. | Foto: Wallbaum

Kommen wir zur SPD, die auf kleineren Plakaten zunächst sonderbare Botschaften ausgesendet hat, etwa: „Für Jung, Alt und gutes Klima“. Das ist eine merkwürdige Kombination, könnte man doch auch schreiben „Für Sonne, Wind und eine warme Mahlzeit“. Spannender noch sind die SPD-Großflächen, auf denen vor rotem Hintergrund die Köpfe von Katarina Barley (tritt zur Europawahl an) und Olaf Scholz (tritt nicht zur Europawahl an) zu sehen sind – in unterschiedlichen Positionen, mal zu- und mal abgewandt, mal ein großer Olaf und eine kleine Katarina, mal umgekehrt.

Zum Nachdenken regt nun der Spruch an, der unter den beiden Köpfen zu lesen ist: „Auf Katarina Barley und den Kanzler kommt es an“. Das klingt erst mal gut, aber stimmt es? Der deutsche Kanzler ist sicher eine einflussreiche Persönlichkeit in der europäischen Politik, nämlich kraft Amtes. Und Frau Barley? Sie ist immerhin Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Allerdings gibt es insgesamt 14 dieser Vizepräsidenten, und das relativiert die Rolle der SPD-Spitzenkandidatin schon wieder.

Außerdem sollte man vorsichtig sein mit Hinweisen auf Wahlplakaten zu der Frage, auf wen es am Ende wirklich ankommt. Man denke an die Bundestagswahl 1969, da trat die CDU schon mal mit dem Spruch auf „Auf den Kanzler kommt es an“. Katarina Barley war damals noch nicht mal ein Jahr alt, sie spielte keine Rolle. Die CDU aber wollte die Stärke des von ihr gestellten Kanzlers herausstreichen, das war Kurt Georg Kiesinger. Das Ende vom Lied: Kiesinger, damals drei Jahre im Amt, verlor die Wahl – auf ihn war es eben nicht angekommen. Olaf Scholz ist in diesem Jahr dann auch drei Jahre im Amt…

Links ein aktuelles Wahlplakat der SPD, rechts die Wahlwerbung der CDU mit Kurt Georg Kiesinger zur Bundestagswahl 1969. | Fotos: Wallbaum, Konrad-Adenauer-Stiftung/KAS/ACDP 10-001:1300/CC-BY-SA 3.0 DE

Das Politikjournal Rundblick befasst sich heute nicht näher mit dem Wahlkampf. Wir streifen andere Themen:

• Umweltminister Christian Meyer erläutert, welche Lehren das Land aus der Hochwasserlage zu Weihnachten und zum Jahreswechsel gezogen hat.
• Die Ideen-Expo erläutert knapp zwei Wochen vor dem Start, was wir erwarten können.
• Das Startzeichen für ein neues Bürgerradio in der Region Hannover ist gegeben. Anne Beelte-Altwig beschreibt, welche Akteure und welche Konzepte eine Rolle spielen.

Allen Leserinnen und Lesern einen schönen Dienstag und viel Freude beim Betrachten der Wahlplakate,
Klaus Wallbaum