Dass Großunternehmen von Frauen geleitet werden, ist in Niedersachsen eine absolute Seltenheit. Und jetzt verlässt mit Enercity-Chefin Susanna Zapreva zum Jahresende auch noch die erfolgreichste Vorstandsvorsitzende das Land. Innerhalb von fast acht Jahren hat die gebürtige Wienerin alle Strategieziele weit übertroffen und das hannoversche Unternehmen in die Spitzengruppe der größten Energieunternehmen Deutschlands aufsteigen lassen. Zum Abschied zieht die 50-Jährige, die zu Österreichs führendem Energieunternehmen Verbund AG wechselt, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick eine Bilanz und gibt dem aufstrebenden Energieland Niedersachsen ein paar Tipps.

„Wir sind dabei, den Energieverbrauch in den nächsten Jahren um rund 40 Prozent zu reduzieren. Die Energie, die wir weiterhin brauchen werden, kommt derzeit aus 70 bis 80 Prozent aus fossilen Quellen – zukünftig werden sie nur aus erneuerbaren stammen. Diese zwei Dinge stellen enorme Transformationen dar und ich bin mir ziemlich sicher, dass auf diesem Weg auch Unternehmen von der Bildfläche verschwinden und neue entstehen werden“, sagt Zapreva. Enercity sieht die studierte Elektrotechnikerin und Betriebswirtin für diesen Wandel gut gerüstet. „Wir haben sehr viel an Fossilem aus den Büchern herausgebracht und uns zukunftsfähig aufgestellt. Mir war wichtig, dass ich keine Lasten und Risiken, sondern Chancen hinterlasse.“ Der endgültige Kohleausstieg des Unternehmens ist bis Ende 2026 geplant, bis 2035 soll sämtliche Energie klimaneutral produziert werden.
Neben Windkraft und Solarenergie gehören auch Fernwärme, Wärmepumpen und Elektro-Ladesäulen zu den schnell wachsenden Geschäftsfeldern von Enercity. Wasserstoff hat der Konzern dagegen vorerst noch ausgeklammert. „Ich hätte mich gefreut, wenn wir die Finanzmittel gehabt hätten, auch diesen Schritt zu machen. Aber wir investieren jetzt schon eine Milliarde Euro im Jahr und für uns ist es wichtig, dass die Verschuldung in Grenzen bleibt. Wenn man gute wirtschaftliche Kennzahlen haben möchte, muss man sich nach der Decke strecken und die Decke war nicht lang genug für Wasserstoff. Diese Aufgabe überlasse ich meiner Nachfolge“, sagt Zapreva. Wer die scheidende Enercity-Chefin beerben wird, ist derzeit noch unklar, die Findungskommission hat bislang keinen Kandidaten präsentiert. Bis auf weiteres werden daher Zaprevas Vorstandskollegen Prof. Marc Hansmann (Finanzvorstand) und Dirk Schulte (Arbeitsdirektor) die CEO-Aufgaben kommissarisch wahrnehmen.

Zapreva wird zwar nach Wien umziehen, mit der niedersächsischen Landeshauptstadt aber weiterhin verbunden bleiben. „Ich habe die letzten acht Jahre sehr viel von Deutschland gesehen und ich finde, dass Hannover eine sehr unterschätzte und tolle Stadt ist. Es gibt hier großartige Menschen und großartige Unternehmen, in denen auch gerade viele Generationenwechsel stattfinden. Viele dieser Unternehmen sind unsere Kundinnen und Kunden, daher weiß ich, dass da Dinge mit großem Potenzial entstehen“, sagt sie und empfiehlt den Hannoveranern mehr Licht auf die positiven Seiten ihrer Stadt scheinen zu lassen. „Energy flows where attention goes. Es liegt an jedem von uns, die Aufmerksamkeit auf die richtige Stelle zu lenken.“

Das gelte im Übrigen auch für das Land. „Niedersachsen hat eine super Ausgangsbasis, um das Energieland Nummer eins zu werden. Da muss man alles daran setzen, diese weiter auszubauen. Im Moment ist noch viel mehr Platz da als es Player gibt“, sagt Zapreva. „Was die politische Unterstützung angeht, ist Niedersachsen in dieser Hinsicht gut aufgestellt, da finden wir an vielen Stellen ein offenes Ohr – und das ist viel wichtiger als viele andere Dinge.“ Den Bedarf nach mehr finanzieller Unterstützung durch den Staat sieht sie nicht. „Alle schreien nach Förderungen, vielleicht ist das im Moment das größte Problem, das wir haben. Wenn man sich an gewisse Dinge gewöhnt hat, ist es sehr schwer, davon wegzukommen. Das nennt man Sucht.“
Kritisch sieht Zapreva auch die geplante Akzeptanzabgabe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde für neue Windkraft- und Solaranlagen in Niedersachsen. „Abgaben welcher Art auch immer führen dazu, dass der Preis für Energie weiter steigt. Das ist zu kurz gedacht. Wir schaffen es nur dann, den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten, wenn jeder Einzelne etwas hergibt – und wenn es nur Akzeptanz ist. Wir befinden uns in einer Transformation der gesamten Gesellschaft. Da muss jeder einen Beitrag leisten, nur dann wird es funktionieren“, sagt Zapreva und fordert auf dem niedersächsischen Weg zum Energieland Nr. 1 mehr Unternehmergeist: „Nicht die Pessimisten und Jammerer, sondern die Optimisten und Mutigen gestalten die Zukunft.“
