Seit Mitte der 1990er Jahre pflegt das Land Niedersachsen eine Partnerschaft mit der Region Eastern Cape in Südafrika. Ging es dabei zu Beginn fast ausschließlich um Austausch in den Bereichen Wirtschaft und Landwirtschaft, spielt seit nunmehr zehn Jahren auch der Gesundheitsschutz eine größere Rolle. Insbesondere beim Kampf gegen das HI-Virus und die Immunschwächekrankheit Aids wollen die beiden Regionen voneinander lernen. Regelmäßiger Austausch, wie es ihn insgesamt zehnmal und zuletzt in der vergangenen Woche gegeben hat, spielt dabei eine besondere Rolle.

Von Sonntag bis Sonnabend besuchten Vuyisa Dayile, Otto Tamela und Melikhaya Lusiti vom semi-staatlichen „Eastern Cape Aids Council“ die niedersächsische Landeshauptstadt. Finanziert aus den Partnerschaftsmitteln der Landesregierung, rühmt sich der „Landesverband Sexuelle Gesundheit Niedersachsen“, die frühere Aidshilfe, bundesweit der einzige Verband unter dem Dach der Deutschen Aidshilfe zu sein, der ein solches internationales Austauschprogramm mit Afrika betreibt.
Lernen sollen dabei ausdrücklich beide Partner voneinander. Südafrika gehört zwar zu den Ländern mit der höchsten HIV-Infektionsquote, Deutschland rangiert am anderen Ende der Skala. Beim Erreichen der drei Zielmarken vom Aids-Programm der Vereinten Nationen, sei Südafrika aber zumindest in einem Feld besser, weiß Christin Engelbrecht vom „Landesverband Sexuelle Gesundheit“ zu berichten. Angestrebt war ursprünglich, bis Januar 2020 90 Prozent der HIV-Träger zu diagnostizieren, davon wieder 90 Prozent zu behandeln und wiederum bei 90 Prozent die Viruslast unter die Nachweisgrenze zu bringen.
Beim Diagnostizieren habe Südafrika Deutschland überholt, sagt Engelbrecht, was auch daran liege, dass es dort das größte Test-Programm der Welt gebe. „Die Antwort für Niedersachsen kann nun natürlich nicht sein, alle zu testen“, sagt die Geschäftsführerin des Landesverbands im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Es müssten aber mehr Tests angeboten und vor allem die „Hotspots“ in den Fokus genommen werden, etwa Gefängnisse. Das neue Ziel, bis 2025 mindestens 95 Prozent der HIV-Träger getestet zu haben, sei nach aktuellem Stand nicht zu schaffen, prognostiziert sie. Ein anderer Aspekt, bei dem die Südafrikaner ein Vorbild sein können, betrifft Frauen mit HIV. Während diese Zielgruppe in Deutschland noch wenig im Fokus steht, richtete sich das Angebot im Eastern Cape schon längst auf diese Bevölkerungsgruppe, berichtet Engelbrecht.
Die südafrikanische Delegation wiederum ist am Sonnabend mit konkreten Eindrücken im Gepäck wieder in die Heimat zurückgeflogen:
Nach Gesprächen mit „Pro Familia“ und „La Strada“, der Anlauf- und Beratungsstelle für drogengebrauchende Mädchen und Frauen in Hannover, berichtete Otto Tamela, dass in Südafrika Sexarbeiterinnen und Menschen, die Drogen konsumieren, als getrennte Zielgruppen angesprochen würden. Die kombinierte Ansprache betrachte sie aber als sinnvoller, berichtet Tamela. Es gehe auch darum, die Betroffenen mit Materialien wie sauberen Spritzen zu versorgen, um Ansteckungen zu verhindern. Melikhaya Lusiti erklärte, in Südafrika sollte man künftig auch die Ausbreitung von Hepatitis stärker in den Blick nehmen, wie es in Deutschland bereits geschehe.

Dass die Aufklärung über HIV/Aids in Niedersachsen zum Schulstoff gehört, nimmt Vuyisa Dayile, „Head of Secretariat“ des Eastern Cape Aids Council, als gutes Beispiel mit nach Südafrika. Viele Eltern würden sich dort noch gegen Sexualaufklärung im Unterricht sträuben. Dass in der Schule Kondome ausgegeben werden, sei aktuell noch undenkbar, sagt er.
Positiv beeindruckt war die Delegation von der politischen Beachtung, die ihnen auf ihrer Reise zuteilwurde. So wurden sie nach ihrer Reise von der zuständigen Referatsleiterin aus der Staatskanzlei begrüßt. Aus dem niedersächsischen Landtag trafen sie Julia Retzlaff und Marten Gäde von der SPD-Fraktion. Der Kampf gegen HIV/Aids habe früher einen höheren Stellenwert in der südafrikanischen Politik gehabt, berichtet Dayile. Inzwischen hätten aber die Themen Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und Kriminalität die Gesundheitspolitik von der Agenda verdrängt. Wo die Aufmerksamkeit fehlt, fehlt schnell auch das Geld. Engelbrecht sagt, bei der Welt-Aids-Konferenz im Juli in München wolle man helfen, Ressourcen für Südafrika zu mobilisieren.
Eine Herausforderung, die beide Länder teilten, sei der Umgang mit illegalen Migranten, die ihren Lebensunterhalt mit Sexarbeit erwirtschafteten. Anders als in Deutschland würden sich die Betroffenen in Südafrika aber seltener registrieren, weil sie Sanktionen fürchteten. Sexarbeit sei in Südafrika hochgradig stigmatisiert. Dass sie in Deutschland nicht mehr kriminalisiert sei, betrachten Tamela und Dayile als ausgesprochen großen Vorteil. Dass just parallel zum Pressegespräch am Freitag im Bundestag über die Einführung des „nordischen Modells“ debattiert wurde, also eine mögliche Kriminalisierung der Freier aber nicht der Prostituierten, kommentierten die Gäste aus Südafrika mit: „Wo ist der Unterschied?“