Nach der Vorstellung einer aktuellen Studie zur Flüchtlingskriminalität hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) politische Konsequenzen gefordert. Es müsse konsequenter abgeschoben werden, aber auch die Integration solle verstärkt werden. Das gelte vor allem für Afghanen, die die drittgrößte Gruppe unter den in den vergangenen Jahren Eingewanderten stellen. Afghanen hätten kaum eine Bleibeperspektive und bekämen deshalb nur selten intensive Sprachkurse oder Weiterbildungsangebote für eine spätere Eingliederung in die Arbeitswelt. „Integrationshilfe zu verwehren ist aber ein Fehler, denn wir müssen davon ausgehen, dass viele dieser Menschen durch Duldung über Jahre hierbleiben“, sagte Weil. Man dürfe nicht, wie noch in den Neunzigern, davon ausgehen, dass alle Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive Deutschland in absehbarer Zeit wieder verlassen. „Das ist die Lebenslüge der deutschen Einwanderungspolitik“, fügte der Ministerpräsident hinzu.

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Die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studie unter der Leitung des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer hatte untersucht, welche Auswirkungen der Zuzug der Flüchtlinge in den Jahren 2014 bis 2016 auf die Kriminalität in Deutschland hatte. Als Basis dienten die vom niedersächsischen Landeskriminalamt bereitgestellten Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik aus den jeweiligen Jahren. Pfeiffer und seine Kollegen, die Kriminologen Dirk Baier und Sören Kliem, kamen zu dem Schluss, dass die Zahl der Verbrechen um 10,4 Prozent zugenommen habe – und das fast ausschließlich wegen der Flüchtlinge. Vor allem junge männliche Nordafrikaner wie Tunesier, Marokkaner und Algerier fielen als Tatverdächtige auf – obwohl sie nur knapp ein Prozent der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge ausmachen. Für Pfeiffer gibt es dafür eine einfache Erklärung: „Jungen Nordafrikanern wird von vornherein klargemacht, dass sie keine Chance haben, bleiben zu dürfen.“ Diese Hoffnungslosigkeit führe zu Frust und die wiederum zu Aggression. Pfeiffer empfiehlt deshalb, auch jene Flüchtlinge durch Integrationsangebote zu fördern, die gar keine Chance auf Asyl in Deutschland haben. „Sich zu kümmern ist immer richtig, egal, ob die Menschen bleiben oder nicht“, sagt der Kriminalwissenschaftler im Gespräch mit dem Rundblick.

Mit der Studie gebe es jetzt einen nachweislichen Zusammenhang zwischen der Bleibeperspektive und dem Verhalten von Flüchtlingen im Alltag, sagt Hans-Joachim Heuer, Leiter der Abteilung „Migration und Generationen“ im niedersächsischen Sozialministerium. „Das unterstreicht, dass wir bei unseren Integrationsbemühungen alle Flüchtlinge in den Blick nehmen müssen.“ Dazu zähle etwa der Familiennachzug. Unter den Flüchtlingen sind überproportional viele Männer im Alter zwischen 14 und 30 Jahren, in dieser Altersgruppe ist das Aggressionspotenzial mehreren Studien zufolge besonders hoch. „Familien haben eine ganz andere Bindung zueinander als eine Gruppe Gleichaltriger. Familie wirkt zivilisierend“, sagt Heuer. Daher müsse man, wenn man über Familiennachzug diskutiert, auch die Bedeutung von Familie für das Gelingen von Integration beachten.

Pfeiffer geht davon aus, dass künftig viel mehr Integrationsaufwand betrieben werden muss als bisher, und das sei nicht nur auf Deutschland beschränkt. Ein Schwerpunkt sieht er etwa in der Entwicklungshilfe für die Wirtschaft in Nordafrika. „Deutsche Firmen könnten dort zum Beispiel Niederlassungen gründen und Einheimische einstellen, die als Flüchtlinge Deutsch gelernt haben.“  Aus seiner Sicht sollten zudem alle Flüchtlinge Sprachkurse angeboten bekommen. „Wer Deutsch spricht, kann möglicherweise auch so im Heimatland leichter einen Job finden, zum Beispiel im Tourismus“, erläutert Pfeiffer. In Niedersachsen gibt es das Projekt „Wegweiser“, das Flüchtlingen in den Erstaufnahmezentren Basiswissen über Deutschland und auch erste Kenntnisse der deutschen Sprache vermittelt. Zusätzlich bieten die Volkshochschulen sogenannte Basissprachkurse an, die jedem Flüchtling offenstehen. Allerdings sind beide Angebote bislang keine Pflicht, sondern basieren auf freiwilligem Interesse.