29. Mai 2022 · Finanzen

SPD-Arbeitskreis regt an: Land soll eine Gesellschaft gründen und Kredite aufnehmen

Der „Gesprächskreis nachhaltige Industriepolitik“ des niedersächsischen Landesbüros der Friedrich-Ebert-Stiftung beschreibt in seinem neuesten Positionspapier ein Dilemma: Auf der einen Seite gebe es einen enormen Nachholbedarf bei staatlichen Investitionen in Niedersachsen, das betrifft sowohl den Verantwortungsbereich des Landes wie den der Kommunen. Auf der anderen Seite aber zwingen die Regeln der Schuldenbremse, die sowohl im Grundgesetz wie auch in der Landesverfassung verankert ist, zu strikter öffentlicher Sparsamkeit.

Und da die Schuldenbremse im Bundestag wie im Landtag nur mit Zweidrittelmehrheit geändert oder aufgehoben werden könnte, sind die Aussichten dafür eher mager – denn zumindest aus den Reihen der CDU und der FDP wird dieses verfassungsmäßige Kreditaufnahmeverbot (mit Einschränkungen) im Prinzip verteidigt. Von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist der Satz überliefert, er sei „nie ein Freund der Schuldenbremse“ gewesen. Im Wahlprogramm der SPD für die Landtagswahl wird allerdings hinzugefügt, dass man Regeln für Investitionen anstrebe, die mit den geltenden Verfassungsnormen vereinbar sind.

Positionspapier skizziert mögliche Regeln für Investitionen

Wie solche Regeln aussehen könnten, skizziert in Teilen das neue Papier des „Gesprächskreises nachhaltige Industriepolitik“, zu dessen Teilnehmern der Lüneburger Ökonom Arno Brandt und der hannoversche Volkswirtschaftler Torsten Windels gehören. Zunächst analysiert der Arbeitskreis die Lage im Bundesvergleich: Seit 2009 liege die niedersächsische Investitionsquote des Landeshaushalts im Schnitt um drei Prozentpunkte unter der in Baden-Württemberg und sogar um sechs Punkte unter der in Bayern. Diese Darstellung wird indes auch bestritten, da die Vergleiche wegen der länderspezifisch unterschiedlichen Einteilung in Haupt-, Sonder- und Schattenhaushalten variieren.

Trotzdem schlussfolgert der Gesprächskreis, dass Niedersachsen auf Basis der 2020er Etatzahlen jährlich bis zu zwei Milliarden Euro mehr hätte investieren können, wenn die Investitionsquote süddeutsches Niveau gehabt hätte. Nun listet der Gesprächskreis der Friedrich-Ebert-Stiftung mehrere Varianten auf, mit denen die Schuldenbremse einerseits eingehalten, andererseits dann aber auch staatliche Investitionen über Kredite ermöglicht werden könnten:

Niedersachsenfonds: Rechtlich selbstständige staatliche Fonds wie der vom DGB vorgeschlagene „Niedersachsenfonds“ sind aus Sicht des Gesprächskreises mit der Schuldenbremsen-Regel vereinbar – „wenn deren Aufgabe nicht rein finanzieller Art ist und der Zweck hinreichend konkret ist“. Wie stark die Bedingungen eingehalten werden, dürfte umstritten sein.

Landesbeteiligungen: Eine Alternative zu einer solchen Fonds-Lösung wäre aus Sicht des Gesprächskreises der Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen, „da den Finanzierungskrediten der Beteiligungswert gegenübersteht“. Ein Beispiel sei die Nord/LB. Aber auch eine Landesbeteiligung an kommunalen Versorgungsbetrieben oder Wohnungsbaugesellschaften (etwa über eine Landeswohnungsgesellschaft) wäre laut Gesprächskreis ein Weg, eine im Sinne der Schuldenbremse erlaubte Kreditaufnahme des Landes zu ermöglichen.

Kommunalaufsicht: Da die Kommunen bei der Berechnung der Länder-Verschuldung ausgeklammert werden, könnten auch sie sich stärker verschulden, meint der Gesprächskreis. Bedingung sei nur, dass die Kommunalaufsicht im Innenministerium „Spielräume lässt, um Investitionen anzustoßen“ – also beide Augen zudrückt, wenn eine überschuldete Kommune weitere Kredite aufnehmen will.

Landes-Stahl-Gesellschaft: Der Gesprächskreis schlägt die Gründung einer „Entwicklungsgesellschaft zur Umstellung der Stahlproduktion auf grünen Wasserstoff“ an. Diese soll Fördermittel einwerben und Kredite aufnehmen, die Finanzierung laufe dann über Nutzungsentgelte der Industrie.

Landesgesellschaft für Dienstwagen: Angeregt wird eine Landesgesellschaft, die für die energetische Sanierung der Landesgebäude und für die Anschaffung klimaneutraler Fahrzeuge des Landes zuständig ist.

Contracting-Gesellschaft: Für die Wärmeversorgung mit Wärmepumpen und Sonnenwärme im Mietwohnungsbau könnte auch eine Landesgesellschaft gegründet werden – diese solle den Photovoltaik-Anlagenbau vorfinanzieren über Kredite, Energieabnahmeverträge der Mieter stünden dann zur Refinanzierung bereit.

Dieser Artikel erschien am 30.5.2022 in Ausgabe #100.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail