Ist Computerspielen ein Sport, der gefördert werden sollte? Zunehmend wird diese Frage unter Politikern diskutiert. Erst kürzlich hatte sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) dafür entschieden, sogenannte „eSports“ nicht als reguläre Sportarten anzusehen und daher auch nicht finanziell zu unterstützen. Der Landtag in Sachsen-Anhalt dagegen hat 15.000 Euro für „eSport“ bereitgestellt. Der bayerische Fußballverband hat erst kürzlich bekannt gegeben, ein Projekt rund um das Computerspiel „FiFa“ aufbauen zu wollen.

Knapp 34 Millionen Menschen in Deutschland spielen am Computer – Foto: sezer66

Auch in Niedersachsen ist „eSport“ Thema, etwa bei den Grünen. Deren sportpolitischer Sprecher Belit Onay und die Fraktionsvorsitzende Anja Piel hatten kürzlich zum Diskussionsabend eingeladen, weil sie ausloten wollen, wie die Parteibasis dazu steht. „630.000 Menschen in Deutschland spielen Fußball, aber knapp 34 Millionen Menschen Computer“, sagt Piel. Die meisten davon beschränkten sich natürlich aufs „daddeln“, aber zehn Prozent davon seien Spieler, die höchst anspruchsvolle Videospiele im Hinblick auf Konzentration, Teamarbeit, Schnelligkeit und Ausdauer auf Wettkampfniveau beherrschten. „Mit dem klassischen Bild vom ,Couchpotato‘ hat das nichts mehr zu tun“, sagt Piel. Sportliche Wettkämpfe fänden längst nicht mehr nur auf dem Rasen statt, sondern eben auch auf dem Computerbildschirm.

Extreme Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen haben ergeben, dass Neuntklässler täglich im Schnitt 96 Minuten Computer spielen. Etwa ein Zehntel sind exzessive Spieler, die länger als vier Stunden am Tag spielen. Allerdings gibt es extreme Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Mädchen spielen durchschnittlich nur etwa eine halbe Stunde lang, Jungen dagegen im Schnitt etwa drei Stunden pro Tag. Nichtspieler gibt es unter Jugendlichen kaum, bei den Erwachsenen dagegen nutzt knapp ein Drittel keine Computerspiele. Reinhard Rawe, Vorstandsvorsitzender des Niedersächsischen Landessportbunds, hatte die Hand gehoben, als es in der Abstimmung beim DOSB darum ging, „eSport“ nicht als richtigen Sport anzuerkennen. „Für uns hat Sport etwas mit motorischer Bewegung zu tun, mit ethischem Handeln und mit Gemeinwohlorientierung.

Das ist aus meiner Sicht mit Computerspielen wie dem Egoshooter ,Counterstrike‘ nicht zu vereinbaren.“ Allerdings könnten Simulationen von Sportarten wie etwa das Fußball-Computerspiel „FiFa“ durchaus dazu animieren, Fußball auch im realen Leben zu spielen. Aus Rawes Sicht ist die Debatte um „eSport“ auch eine Modeerscheinung. So habe man schon diskutiert, ob Gardetanz, Mixed Martial Arts oder Segelfliegen ein Sport sei. Dennoch rate er den Vereinen, sich mit „eGaming“ wie er es nennt, zu beschäftigen. „Nur weil wir die Notwendigkeit, eine eigene Sparte für ,eGaming‘ im Sportbund einzurichten, nicht feststellen können, heißt das nicht, dass wir diesen Teil der Alltagskultur vieler Menschen einfach ignorieren können.“

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Aus der Sicht von Kevin Rudolf, Sportwissenschaftler an der Sporthochschule Köln, ist „eSport“ tatsächlich geeignet, um zum Sporttreiben in der Realität zu animieren, und das nicht nur durch Simulationen. „Wir müssen wegkommen von der Frage, ob ,eSport‘ nun Sport ist oder nicht, und den Fokus darauf lenken, wie wir beides verbinden können.“

Denn seine Forschung habe ergeben, dass leistungsfähige „eSportler“ gleichzeitig auch eine gewisse körperliche Fitness mitbringen müssen. Im „Gaming“ werde aber immer noch nach dem Prinzip „Viel hilft viel gearbeitet“. Wer besser werden wolle, müsse möglichst viel spielen. „Aber das stimmt nicht. Die mentale Ausdauer lässt sich zum Beispiel auch hervorragend mit klassischem Ausdauertraining steigern.“ Eine körperliche Fitness verbessere die Reaktionszeit und die Aufmerksamkeit. Martin Müller Vizepräsident des „eSport-Bundes Deutschland“, unterstützt das.

Allerdings sieht er noch viel mehr Potenzial für „eSport“-Vereine. „Gamer sind keine asozialen Menschen. Sie wollen sich über ihr Hobby austauschen, sich vernetzen, Wettkämpfe austragen und für ihre Leistungen gelobt werden“, sagt er. Müllers Sparte verwehrt sich gegen die Ansicht des DOSB, „eSport“-Vereine seien nicht gemeinnützig. Er will erreichen, dass „eSport“ neben klassischen Sport existiert und ehrenamtliches Engagement in „eSport“-Vereinen gefördert wird. Aus Sicht von Belit Onay könnte es trotz Absage des DOSB irgendwann dazu kommen. „Der klassische Sport ist skeptisch, aber er hat die Tür nicht ganz zugeschlagen.“ Onay fügt hinzu: „Entscheidend ist, wie wir das Phänomen Gaming, mit dem sich Millionen Menschen befassen, in unsere Gesellschaft einbetten können.“