Niedersachsens Kultusministerium plant eine Überarbeitung des Kerncurriculums für die Fächer Politik/Wirtschaft beziehungsweise Gesellschaftslehre. Ziel dieser Maßnahme sei eine Stärkung der Demokratiebildung, erklärte Kultus-Staatssekretär Marco Hartrich am Donnerstag bei der Herbsttagung des Schulleitungsverbands Niedersachsen (SLVN) in Celle. Außerdem kündigte er eine neue Fachberatung bei den Regionalen Landesämtern für Schule in Bildung an. Diese solle die Schulen bei der Umsetzung des Erlasses zur Demokratiebildung unterstützen, so Hartrich weiter. Zum demokratiefördernden Angebot des Kultusministeriums zählte er außerdem noch eine Fachveranstaltung für Lehrkräfte, die sich mit der Rolle und Funktion von Medien beschäftigt und im kommenden Jahr auch für Schüler angeboten werden soll. „Demokratiebildung ist eine wichtige Institution der resilienten Demokratie“, sagte der Staatssekretär. Er reagierte damit auf die Ausführung des Verbandsvorsitzenden René Mounajed, Schulleiter der Tellkampfschule in Hannover. Er hatte in seiner Rede zuvor die Sorge um den Zustand der Demokratie zu einem „Kennzeichen einer neuen historischen Ära“ bezeichnet und sagte: „Schulen sind Orte der Demokratie und der Demokratie-Erziehung“.

„Demokratie muss gelernt werden“, sagt der SLVN-Vorsitzende René Mounajed. | Foto: Kleinwächter

Angegriffen sieht Mounajed die Demokratie vor allem durch die AfD, die er als „Sammelbecken rechtsextremer Ansichten“ bezeichnete. Als weiteren Beleg für die Gesinnung der AfD zählte er den Versuch von AfD-Politikern, Schülervertretungen mit Briefen einzuschüchtern oder mithilfe von Online-Meldeportalen auf den Schulbetrieb Einfluss zu nehmen. Der SLVN-Vorsitzende erklärte Demokratiebildung zur Querschnittsaufgabe für den gesamten Schulbetrieb und setzte sie auf eine Stufe mit den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen. „Demokratie muss gelernt werden“, zitierte der Schulleiter den Philosophen Oskar Negt. Dazu gehöre es, Konflikte mit Argumenten auszutragen und das Miteinander in einer durch ihre Vielfalt auch komplizierter gewordenen Gesellschaft zu lernen. Der Verbandschef konstatierte zudem, dass das Schulsystem noch immer Ungleichheiten verfestige oder gar verschärfe. „Eine solche Gruppe der Abgehängten können wir uns aber nicht leisten, weder wirtschaftlich noch demokratisch.“ Deshalb brauche es sowohl andere Strukturen als auch mehr Ressourcen, um die Demokratiebildung effektiv zu verbessern, so Mounajed.

Neben dem Demokratie-Schwerpunkt sprach der SLVN-Vorsitzende weitere Themen an:

  • Überbordende Bürokratie: Das Kultusministerium habe Bürokratieabbau versprochen, gekommen sei stattdessen aber neuer „Bürokratiewahnsinn“, klagte Mounajed. Dazu zählte er die Abfrage der Lehrergehälter, mit der die Schulleitungen zu Beginn des neuen Schuljahres überrascht worden seien. Eine Besserung sei zudem bei der Ausschreibungspflicht für Klassenfahrten noch immer nicht eingetreten. Die Pflicht gelte nach wie vor ab Reisekosten in Höhe von mehr als 1000 Euro, weil die beschlossenen Änderungen noch nicht umgesetzt seien. Neue Verwaltungsaufgaben kämen auf die Schulen zudem im Zuge des neuen Startchancen-Programms zu. Staatssekretär Hartrich versicherte den Schulleitungen, ihren Aufwand gering halten zu wollen. Das zuständige Bundesbildungsministerium habe bei den Berichtsfristen nicht mit sich verhandeln lassen. Das Kultusministerium wolle nun aber zumindest mit zwei zusätzlichen Anrechnungsstunden den Mehraufwand an den betreffenden Schulen abfedern. Den versuchsweisen Einsatz von Verwaltungsassistenten in 20 ausgewählten Schulen lobte Mounajed zwar, wünschte sich diese zusätzlichen Fachkräfte aber an allen Schulen.
  • Vorgelagerte Qualifizierung: Mounajed wiederholte den Wunsch des Verbandes nach einer besseren Ausbildung für neue Schulleiter. Im Idealfall solle diese wie in Nordrhein-Westfalen vor der Übernahme der neuen Aufgabe stattfinden und nicht erst im Anschluss. Gewünscht wird vom SLVN auch eine eigene Fachkräfteakademie für Schulleitungen analog zur Polizeiakademie. Bei der Weiterentwicklung des bestehenden Fortbildungsangebots des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) befürchtet Mounajed allerdings eine Verschlechterung. Er kritisierte konkret den Vorschlag, die Fortbildungsmodule nicht mehr nach Ämtern zu trennen und zunehmend virtuelle Kurse anzubieten. „Flexibilität ist schön, aber wir brauchen auch eine Peer-Group über die Maßnahme hinaus, mit der wir uns austauschen und wo wir Expertise einholen können.“
  • Fehlende Unterstützung: Die Aussage von Staatssekretär Hartrich, wonach das Kultusministerium multiprofessionelle Teams stärken wolle, wurde vom Auditorium mit höhnischem Gelächter quittiert. Schließlich läuft die Finanzierung von 2400 pädagogischen Mitarbeitern zum Jahresende aus, wie SLVN-Chef Mounajed noch einmal mit Bedauern feststellte. Hartrich meinte, das Kultusministerium verfolge die Strategie, die entsprechenden Stellen nun gezielter dorthin zu bringen, wo sie gebraucht würden. Doch Mounajed sagte, dass nur rund 20 Prozent der pädagogischen Mitarbeiter auch ab 2025 noch erhalten bleiben, alle anderen hätten sich einen anderen Job gesucht und verließen nun den Schulbetrieb. Hartrich verwies noch auf die Möglichkeit der Schulen, über ihr eigenes Schulbudget die Arbeitskräfte zu halten. Dazu sei geplant, die Schulbudgets landesweit ab dem kommenden Jahr noch einmal um 17,5 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt aufzustocken.