„Schneller, einfacher, günstiger“: Weil will Experimentierklauseln durchsetzen
Vor einem halben Jahr hatte die rot-grüne Landesregierung in ihrer Klausurtagung verabredet, eine Entbürokratisierungsprogramm auf den Weg bringen zu wollen. „Wir möchten schneller, einfacher und günstiger werden“, erklärte jetzt, nach sechs Monaten, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei der Vorstellung eines ersten Zwischenberichtes. In einer 15 Seiten starken Pressemitteilung werden aus mehreren Ministerien Einzelvorhaben aufgelistet – zumeist in Form einer Bilanz über bereits beschlossene und intensiv diskutierte Gesetzesvorhaben. So werden ausführlich die Reform der Bauordnung und die Schritte zur erleichterten Planung von Windkraft-Anlagen erläutert, die in den vergangenen anderthalb Jahren ausgiebig die Landespolitik beschäftigt hatten.
Ministerpräsident Stephan Weil wurde bei der Vorstellung der Zwischenergebnisse von den Ministern Julia Hamburg (Kultus), Olaf Lies (Wirtschaft) und Christian Meyer (Umwelt) begleitet. Der Regierungschef erklärte, er wolle sich im Kabinett dafür einsetzen, dass es künftig „mehr Experimentierklauseln“ gibt – also Möglichkeiten der Abweichung von Vorschriften. So könnte es beispielsweise Kommunen gestattet werden, in bestimmten Bereichen vorübergehend und zu Forschungszwecken auf staatliche Vorgaben zu verzichten. Zwischen 2006 und 2009 hatte es unter der damaligen CDU/FDP-Regierung ein „Modellkommunen-Gesetz“ gegeben, das genau diesen Weg vorsah. In der Amtszeit von Weil gab es solche Vorstöße bisher nicht. Der Regierungschef sprach sich auch dafür aus, die hohe Zahl von Projektförderungen, die bisher oft auf ein Jahr befristet sind, künftig auszuweiten – beispielsweise auf zwei Jahre. Das verringere den Verwaltungsaufwand und schaffe bei den Empfängern mehr Zufriedenheit.
An einigen Beispielen erläuterten die Minister ihre Absichten und Beweggründe:
- Kultusministerin Julia Hamburg: Sie lobt das neue Kindergarten-Gesetz, das Standards etwa bei Vertretungskräften senkt – und damit den Kindergärten mehr Flexibilität verleiht, ohne die der Betrieb oft nicht mehr aufrechtzuhalten wäre. Demnächst will sie den Schulen „mehr Spielräume und Freiheiten“ geben. Hamburg betont dabei, dass der Verzicht auf konkrete Vorgaben und Kontrollen immer auch bedeute, dass man anderen Ebenen mehr Vertrauen entgegenbringen muss. Ein Beispiel für Entbürokratisierung sei die Sprachförderung: Bisher mussten Schulen Anträge stellen und begründen, wenn sie Unterstützung des Landes haben wollen. Künftig werde das Ministerium die Hilfen von sich aus organisieren – anhand der bereits vorliegenden Statistik über den „Sprachstand“ der Schüler.
- Wirtschaftsminister Olaf Lies: Er kündigt für den Herbst eine Novelle der Bauordnung an. Das sei nötig, da die gerade erst im Landtag beschlossene und im Juli in Kraft getretene Änderung so fix habe geschehen müssen, „dass wir viele gute Vorschläge gar nicht aufnehmen konnten“. Die Energiestandards bei Bauvorhaben, die bundesweit vorgegeben seien, würden jedoch nicht abgesenkt. „Dabei würde ich mir wünschen, wir hätten Standards, die sich an der größtmöglichen CO2-Vermeidung ausrichten und nicht an der größtmöglichen Energieeinsparung“, betont Lies. Im Herbst solle es darüber hinaus noch eine Veränderung des Vergabegesetzes geben – mit einer Minderung von Standards und einer Erhöhung der Wertgrenzen bei Ausschreibungspflichten. Darüber sei man „mit Verbänden und Gewerkschaften im Gespräch“.
- Umweltminister Christian Meyer: Die Südlink-Stromtrasse sei nun inzwischen vollständig genehmigt – und für 2028 rechne Tennet mit einer Fertigstellung. Bei Vorliegen aller nötigen Unterlagen könne in Niedersachsen ein neues Windrad schon in 3,5 Monaten genehmigt werden – das sei viel schneller als in anderen Ländern. Vom Zeitpunkt der Antragstellung her dauere es jedoch noch 17 Monate.
Dieser Artikel erschien am 21.08.2024 in der Ausgabe #142.
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