Schmutziger Kampf um Wahlkreis 26
Die hannoversche SPD kann manchmal ein unruhiges Pflaster sein. Das wird auch elf Monate vor der nächsten Bundestags- und 15 Monate vor der nächsten Landtagswahl deutlich. Zwei Landtagswahlkreise liegen derzeit im Fokus: Nummer 28, Hannover-Mitte, und Nummer 26, Hannover-Linden. In beiden Wahlkreisen gibt es derzeit Abgeordnete, bei denen interessierte Kreise in der Partei verbreiten, ihre Nominierung für die nächste Landtagswahl im Januar 2018 sei unsicher.
Seit 2013 sitzt Michael Höntsch für die SPD im Landtag. Er hat eine bewegte Parteigeschichte. Von 1985 bis 2004 war er Mitglied der SPD. Dann trat er wegen der Agenda 2010 aus der Partei aus und bei der Linken ein. 2009 wollte er für die Linke als Direktkandidat in den Bundestag einziehen, unterlag aber der SPD-Mitbewerberin Kerstin Tack. 2010 kehrte er in die SPD und zurück und zog 2013 als Direktkandidat in den Landtag ein. Um Höntschs Wahlkreis Hannover-Mitte ist ein schmutziger Kampf entbrannt. Dabei dreht sich vieles um einen Wahlkreisbüro-Mitarbeiter von Höntsch. Der musste 2013 nach einem parteiinternen Verfahren wegen sexueller Belästigung seine Parteimitgliedschaft für drei Jahre ruhen lassen. Er soll nicht nur einem weiblichen SPD-Mitglied am Wahlkampfstand den Rock hochgezogen, sondern sich auch sonst gegenüber Frauen sexistisch verhalten haben.
In diesen Tagen endet die Drei-Jahres-Frist und schon taucht ein anonymer Brief in den Zeitungsredaktionen auf. In dem Schreiben, das auch dem Rundblick vorliegt, wird Höntsch unter anderem zum Vorwurf gemacht, den Wahlkreismitarbeiter weiter beschäftigt zu haben. Denjenigen, die härtere Konsequenzen gegen den Mitarbeiter forderten, drohe Höntsch „mit dem Platzen der rot-grünen Mehrheit im Landtag“. Der Mitarbeiter selbst wird als „Sextäter“ bezeichnet.
Nicht wenige denken, dass Philipp Le Butt Verfasser des anonymen Briefes sein könnte. Le Butt hat selbst eine zweifelhafte Vergangenheit – so geriet der damalige Juso-Ortsvorsitzende im Mai 2013 in die Schlagzeilen, als er am Rande des Christopher-Street-Days in Hannover ein Lied mit der Textzeile „Wir füllen unser Schwimmbad mit dem Blut der FDP“ skandierte. Er habe nicht zu Gewalt gegen die FDP und ihren Mitgliedern aufrufen wollen, entschuldigte sich Le Butt anschließend kleinlaut, als in sozialen Medien und in der Presse heftige Kritik an seinem Verhalten laut geworden war. Dennoch wurde damals deutlich: Le Butt kann auch schmutzig kämpfen – macht er das gerade wieder?
Sollte Le Butt dahinterstecken, bleibt die Frage, was ihn treibt? Hat er eigene Karrierepläne oder versucht er, den Weg für einen anderen Kandidaten zu bereiten? Manche SPD-Funktionäre glauben, dass sich Le Butt maßlos überschätzt, sollte er eine eigene Kandidatur anstreben. Und einige sind sauer über den schmutzigen Kampf, der dort losgetreten wurde mit dem Ziel, den Abgeordneten Michael Höntsch zu beschädigen. Das beschädigt die ganze Partei, schimpft ein altgedienter Sozialdemokrat aus der Führungsebene. Im Internet werde dadurch eine Unruhe dargestellt, die nicht der Realität entspreche. Die SPD ist konservativer, als manch einer glaubt. „Die Genossen mögen so etwas nicht“, sagen andere.
Einige Genossen mögen auch keine zu laute Kritik. Die SPD-Landtagsabgeordnete Thela Wernstedt, Wahlkreis 28, hatte vor fast genau zwei Jahren mit ihrem Ortvorstand in einem offenen Brief an Hannovers SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok die Verteilung der Flüchtlinge kritisiert. Einige tragen ihr das möglicherweise immer noch nach. Bei der vergangenen Kommunalwahl gab es im Ortsverein dann Ärger um die Liste für den Stadtrat. Im Mittelpunkt dabei: Ratsherr Lars Kelich, der Wernstedt zuvor im Streit um den offenen Brief verbal in die Nähe von Rechtspopulisten gerückt hatte. Thela Wernstedt hat es nicht immer leicht in ihrem Ortsverband. Die Ärztin und Tochter des ehemaligen Kultusministers und Landtagspräsidenten Rolf Wernstedt hat ihren eigenen Kopf. Zu eigen für mache Sozialdemokraten?
Die von einigen Kreisen innerhalb der Partei verbreitete Unruhe führt automatisch zu der Frage nach dem Cui bono? Gegen Wernstedt will wie bereits 2012 Philipp Schmalstieg, Sohn des langjährigen hannoverschen Bürgermeisters, kandidieren. Keine schönen Aussichten, war doch schon damals in lokalen Medien von einer „Schlammschlacht“ die Rede. Ein weiterer Name, der hier und da fällt, ist Alptekin Kirci. Manche sagen dem hannöverschen SPD-Vorsitzenden das Interesse nach, seine Karriere ab 2018 als Landtagsabgeordneter fortzusetzen.
Und wenn alles so bleibt, wie es war? Wenn Michael Höntsch, der wieder kandidieren will, und Thela Wernstedt auch bei der Landtagswahl 2018 antreten? Dann gäbe es da noch ein mögliches Ticket nach Berlin. Edelgard Bulmahn hatte vor zwei Wochen angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Auch hierfür kursieren natürlich schon die ersten Namen. Darunter sind die ehemalige SPD-Generalsekretärin und jetzige Staatsekretärin Yasmin Fahimi sowie die Unternehmerin Jasmin Arbabian-Vogel. Die hannöversche SPD bleibt vorerst ein unruhiges Pflaster. (MB.)