Rot-Grün in Niedersachsen ohne Mehrheit
Die Einstimmenmehrheit von SPD und Grünen im Landtag ist gebrochen. Am Freitag hat die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten aus Rotenburg, die im Mai von ihrer Partei nicht wieder für die Landtagswahl 2018 aufgestellt wurde, ihren Austritt aus der Grünen-Fraktion erklärt. Die 54-Jährige will sich der CDU anschließen, schon in der kommenden Woche könnte sie dann ordentliches Mitglied der CDU-Landtagsfraktion werden.
Das hat für die rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Stephan Weil dramatische Konsequenzen: Da nun plötzlich die parlamentarische Basis für die Regierung weggebrochen ist, könnte es zur Selbstauflösung des Landtags kommen, die mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen wäre. CDU und FDP könnten auch versuchen, über ein konstruktives Misstrauensvotum den CDU-Kandidaten Bernd Althusmann zum neuen Ministerpräsidenten zu wählen – ein Schritt, der in geheimer Wahl geschehen müsste.
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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat sich inzwischen für eine zügige Selbstauflösung des Landtags und schnelle Neuwahlen ausgesprochen. Das wolle er heute noch der SPD-Landtagsfraktion vorschlagen. „Die Wähler in Niedersachsen sind die einzigen, die die Mehrheit im Landtag bestimmen dürfen“, sagte der Ministerpräsident. „Jetzt haben die Wähler das Wort, das ist das Gebot der Stunde.“
Einen Rücktritt lehnte Weil ab. „Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen. Aber ich werde einer Intrige nicht weichen.“ Scharfe Kritik übte Weil an Twesten. „Wenn eine Abgeordnete des Landtags aus ausschließlich eigennützigen Gründen die Fraktion wechselt und damit die von den Wählern gewollte Mehrheit verändert, halte ich das persönlich für unsäglich und sehr schädlich für unsere Demokratie. Für die CDU gilt das gleiche, wenn sie sich dieses Verhalten aktiv zu eigen macht“, sagte Weil.
Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen. Aber ich werde einer Intrige nicht weichen – Stephan Weil
Die Nachricht vom Übertritt Twestens war am Freitag im Landtag wie ein Bombe eingeschlagen. Obwohl die Entfremdung zwischen Twesten und den Grünen schon seit Monaten greifbar wurde und sie das auch nach ihrer Niederlage bei der Aufstellung im Wahlkreis Ende Mai gegenüber dem Rundblick offen erklärte, war es in den vergangenen Wochen ruhig um die Abgeordnete geworden. Gestern sagte sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit CDU-Fraktionschef Björn Thümler, das ausschlaggebende Moment sei die Entscheidung der jetzigen Grünen-Direktkandidatin im Wahlkreis Rotenburg gewesen, sich nicht für die Landesliste der Grünen bewerben zu wollen. „Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich empfinde es als verantwortungslos, nicht jede Chance zu nutzen, den eigenen Wahlkreis im Landtag zu vertreten“, erklärte Twesten am Freitag.
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CDU-Landtagsfraktionschef Thümler erklärte, er befürworte nun den Weg, dass der Wähler so schnell wie möglich neu über die Zusammensetzung des Landtags entscheide. Er könne sich jedenfalls „nicht vorstellen, dass eine rot-grüne Minderheitsregierung bis zum regulären Landtagswahltermin im Januar amtieren kann“.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel forderte Twesten auf, ihr Mandat zurückzugeben. In diesem Fall würde jemand anders für die Grünen nachrücken und die rot-grüne Einstimmenmehrheit wäre wiederhergestellt. Dies hat Twesten allerdings nicht vor. Mit dem Verlust der rot-grünen Mehrheit lassen sich mehrere große Vorhaben, die das Parlament noch nicht beschlossen, hat nicht vernanschieden – so das Gleichberechtigungsgesetz, das Transparenzgesetz, das Polizeigesetz, die Richterwahlausschüsse, das Großprojekt Uni-Klinikneubau.
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CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann wollte nicht kommentieren, welche Variante er präferiert. „Ich stelle mir die Situation für eine Landesregierung schwierig vor. Der Ball liegt jetzt aber im Feld der niedersächsischen Landesregierung.“ Althusmann sprach von einer „bedeutsamen Krise“ von Rot-Grün. „Mit dem Schritt endet ein langfristiger politischer Prozess. Es gab erkennbare Vorboten des Scheiterns. In den vergangenen Monaten hat die Regierung mutlos und kraftlos gehandelt“, so der CDU-Landesvorsitzende. Der Schritt Twestens müsse akzeptiert und respektiert werden, schließlich sei der Vorgang nicht ungewöhnlich. Althusmann verwies auf die Abgeordnete Swantje Hartmann, die im Jahr 2009 aus der SPD ausgetreten und habe bei der CDU eine neue politische Heimat gefunden.
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Niedersachsens FDP-Chef Stefan Birkner sagte, nach dem Rot-Grün in Schleswig-Holstein und NRW abgewählt worden sei, sei das Bündnis auch in Niedersachsen erkennbar am Ende. „Wir brauchen jetzt stabile politische Verhältnisse. Deshalb müssen wir die Wahlen so schnell wie möglich durchführen“, so Birkner.
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