Darum geht es: Die Landesregierung hat den Gesetzentwurf für einen Richterwahlausschuss vorgelegt. Noch in diesem Jahr soll der Landtag darüber abstimmen. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Noch zu Beginn des Jahres konnte man sich nicht so sicher sein, dass der von Rot-Grün geplante Richterwahlausschuss in diesem Jahr noch Wirklichkeit werden wird. Nun hat Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz auf der Zielgeraden dieser Legislaturperiode doch noch den Gesetzentwurf vorgelegt, der im Juni im Landtag zum ersten Mal beraten werden soll. Mehr Transparenz und mehr demokratische Legitimation verspricht die Ministerin. Aber: Braucht es so einen neuen Ausschuss wirklich?
Schon über den Vorteil der demokratischen Legitimation ließe sich streiten. Rund 120 Entscheidungen werden die Abgeordneten, Richter, Staatsanwälte und der Rechtsanwalt jedes Jahr treffen müssen. Das hört sich eher nach Hauruck-Verfahren als nach ausgewogener Betrachtung jedes Einzelfalls an. Zudem geht immer ein Vorschlag des Justizministerium voraus, über den abgestimmt werden kann. Eigene Ausschussanhörungen wird es nicht geben. Deshalb heißt es in der Pressemitteilung auch, dass das Gremium „mitentscheiden“ kann. Eine Akte ist allerdings keine Entscheidungsfreiheit. Die Begriffe „Transparenz“ und „demokratische Legitimation“ sind deshalb wie so häufig ein wenig dick aufgetragen. In der Regel wird das Gremium voraussichtlich die Vorlagen des Justizministeriums abnicken.
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Die Aussage der Ministerin, dass mit dem neuen Verfahren auch Mauscheleien ausgeschlossen sind, ist fast schon komisch, wo doch die Politik häufig der Hort der Mauschelei schlechthin ist. Mit dem neuen Ausschuss wird die Justiz eher politiknäher als politikferner. Fakt ist: Die Entscheidungen über erstmalige Ernennungen zum Richter auf Lebenszeit werden voraussichtlich ablaufen wie bisher auch, bis auf den Unterschied, dass nun der Ausschuss zwischengeschaltet ist. Bei der Besetzung von herausgehobenen Ämtern geht die Mauschelei mit dem neuen Gremium vermutlich erst richtig los. Endlich gibt es das passende Gremium, in dem sich – vermutlich vor allem die beiden großen Parteien – über die Besetzung von Posten unter der Hand verständigen können. Deshalb bleibt abzuwarten, ob nicht schon in ein paar Jahren eher vom „Richtermauschelausschuss“ zu sprechen sein wird.
Es ist auffällig, dass sich weder die Landtagsopposition (über mehr Mitbestimmung) noch der Richterbund (über mehr Selbstverwaltung in der Justiz) freut. Auch wenn es bereits in neun anderen Bundesländern entsprechende Ausschüsse gibt, so bleibt die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Gremiums. Weil die Vorteile nicht gerade auf der Hand liegen, ist auch der weitere Zeitplan gar nicht so entscheidend. Sollte der Richterwahlausschuss in dieser Legislaturperiode durch Verzögerungen doch nicht beschlossen werden, müsste man konstatieren: es gäbe es Schlimmeres.
Mail an den Autor dieses KommentarsDieser Artikel erschien in Ausgabe #98.