Fürst: Druck ist völlig unangebracht
Sehr nachdrücklich trat in der Anhörung Michael Fürst vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hannover auf. Er habe den Eindruck, die Abgeordneten seien vom Entwurf der Landesregierung „fehlgeleitet“ worden – da dort etwa erwähnt werde, die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sei für den Reformationstag. Diese Darstellung bezweifelt Fürst. Wenn Juden, Muslime und Katholiken gegen den Reformationstag seien, dann hätten wichtige Gruppen der Gesellschaft ihr Nicht-Einverständnis klar signalisiert. Fürst sagt, er hätte in dieser Gemengelage von der evangelischen Kirche erwartet, dass sie von sich aus auf ihren Wunsch nach dem arbeitsfreien Reformationstag verzichtet. Dass SPD und CDU jetzt Druck ausübten, möglichst schnell über den neuen Feiertag zu entscheiden, sei völlig unangebracht – „der Reformationstag ist der falscheste, den sie auswählen können“. Der Buß- und Bettag, sagt Fürst, sei doch viel geeigneter.Lesen Sie auch: Artikel: Weil wirbt mit drei Argumenten für den Reformationstag Kolumne: 3 neue Vorschläge für neue Feiertage
Sprecher von Organisationen der katholischen Kirche unterstützen diese Hinweise von Fürst. Prälat Felix Bernard vom katholischen Büro sieht im 31. Oktober „keinen Tag zum Feiern“, da er für die Kirchenspaltung stehe. Auf den Buß- und Bettag, der nicht an Luthers Wirken erinnere, sondern an Umkehr, Versöhnung und Einkehr, könne man sich überkonfessionell viel leichter verständigen – dieses Datum Mitte November sei sehr viel weniger belastet. Das gelte umso mehr, als die CDU im Landtag schon vor mehr als 20 Jahren gefordert habe, alsbald wieder zu einem arbeitsfreien Buß- und Bettag zurückzukehren – sobald eine alternative Finanzierung für die Pflegeversicherung geschaffen werde. Ulrike Jureit vom Hamburger Institut für Sozialforschung ergänzte das katholische Nein zum Reformationstag noch mit ein paar Hinweisen: Das Erbe der Reformation sei nicht etwa Glaubensfreiheit und Toleranz, da Luther dies nicht im Sinn gehabt habe – es sei auf seiner Grundlage später den Fürsten als Landesherren ermöglicht worden, für ihre Untertanen die Konfession festzulegen. Die von der Reformation begünstigte Kirchenspaltung habe dann auch noch den Dreißigjährigen Krieg ausgelöst, und so stehe die Reformation nicht etwa für den Beginn der Aufklärung, sondern „für die bestürzend gewalthafte religiöse Konfliktgeschichte“.
Fülle von Bedenken
Ergänzt wurden die Bedenken von jüdischen, katholischen und humanistischen Organisationen noch von kritischen Hinweisen der Wirtschaft. Susanne Schmitt von der IHK Niedersachsen meinte, sie rechne mit einem Schaden für die niedersächsische Volkswirtschaft von 260 Millionen Euro jährlich bei Einführung eines neuen arbeitsfreien Feiertages bei vollem Lohnausgleich. Volker Müller von den Unternehmerverbänden klagte: „Man schafft einen freien Tag - aber die Party sollen andere bezahlen, nämlich die Arbeitgeber in Niedersachsen.“ Ähnlich argumentiert Benjamin Sokolovic vom Gesamtverband Verkehrsgewerbe.Möchten Sie den Inhalt von www.facebook.com laden?
Angesichts dieser Fülle an Bedenken und Einwänden gegen den Reformationstag gerieten die Vertreter der evangelischen Kirche während dieser Anhörung leicht in die Defensive. Dabei betonte Prof. Christiane Tietz von der Bonhoeffer-Gesellschaft, gerade die Ambivalenz der Figur Luther biete Gelegenheit, am Reformationstag „über Leistungen wie Gefahren von Religion nachzudenken, über menschliches Gelingen und Scheitern“.
Auch der evangelische Landesbischof Ralf Meister hob hervor, dass man den Reformationstag stets als Feiertag für den Dialog der Religionen nutzen werde. Kein anderer Tag biete im Übrigen die Gewähr, im ganzen Land und auch in den kleinsten Orten begangen zu werden. 2050 Kirchengemeinden habe die evangelische Kirche – und überall werde man dann einen „weltoffenen“ Tag begehen. „Das gehört dann zur DNA dieses neuen Feiertags.“ Da klang der Landesbischof ganz so, als sei es schon beschlossen. (kw)
