Rechnungshof übt scharfe Kritik: Koalition trifft keine Vorsorge für die Zukunft
Die Opposition im Landtag hat am Mittwoch Rückendeckung für ihre – unterschiedlich ausgeprägte – Kritik am Haushaltsplanentwurf der Großen Koalition erhalten. Im Haushaltsausschuss des Landtags erklärte Sandra von Klaeden, Präsidentin des Landesrechnungshofs: „Wir vermissen Mut und Engagement bei der Schuldentilgung.“ Niedersachsen habe in den vergangenen Jahrzehnten einen Schuldenberg von mehr als 60 Milliarden Euro angehäuft – und trotz der hervorragenden Einnahmesituation gebe es nur magere Versuche, einen Teil davon abzutragen. Das Land mache die Tilgung vom Verlauf der Haushaltswirtschaft in diesem Jahr abhängig, und das sei verkehrt. Ein hohes Risiko bestehe bei den hohen Schulden, weil jede Zinserhöhung sich sofort in erheblichen Mehrausgaben bemerkbar machen werde. Scharfe Kritik kam auch von Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund. Die Kommunalverbände zeigen sich „enttäuscht“, dass in der Finanzplanung für die nächsten Jahre immer noch kein Anzeichen erkennbar sei, das versprochene „Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro“ für die Kommunen zu verwirklichen.
Der Haushaltsausschuss des Landtags hat gestern die Beratungen zum Regierungsentwurf für den Etat 2019 aufgenommen. Zunächst trug Finanzminister Reinhold Hilbers Schwerpunkte vor, danach reagierte die Präsidentin des Landesrechnungshofs. Von Klaeden lobte zwar, dass die Regierung auf eine Neuverschuldung verzichte, Deckungslücken in Finanzierungen schließe und auf Einmaleffekte wie Vermögensverkäufe verzichte. Doch das Ergebnis sei „nicht Erfolg einer Konsolidierung“, sondern auf die hervorragende Einnahmesituation zurückzuführen. In der Landesregierung fehle offenbar der Wille, die Strukturen „dauerhaft zu konsolidieren“, damit verschiebe man Probleme auf die kommenden Generationen. Man verzichte beispielsweise darauf, Rücklagen für schlechtere Zeiten anzulegen. Auch die „umfassende Aufgabenkritik“ lasse immer noch auf sich warten – also die Analyse der Frage, wo die Verwaltung ihre Arbeit vereinfachen und entbürokratisieren kann, um als Gegengewicht zum Stellenaufbau etwa in den Schulen auch Stellen entbehrlich zu machen. Bis 2020 sehe der Rechnungshof eine Erhöhung der Personalkosten um 20 Prozent – größtenteils auf Besoldungserhöhungen und die wachsende Zahl an Pensionären zurückzuführen, teilweise auch auf Stellenzuwachs. So wächst der Landesetat 2019 nach Hilbers‘ Worten im nächsten Jahr um 1450 Stellen – davon 1000 Lehrer, 350 Richter und Justizbedienstete und umgerechnet die 500 Stellenhebungen von A9 auf A11 bei der Polizei. Von Klaeden wandte ein, dass ein gutes Drittel der Personalsteigerung der vergangenen Jahre auf neue Lehrer zurückzuführen sei – „und das in Zeiten sinkender Schülerzahlen“. Der Rechnungshof rate, die Schulstrukturen kritisch zu prüfen „mit Bezug auf die Inklusion und auf Kleinststandorte von Grundschulen“.
Lesen Sie auch:Rechnungshof besorgt: Die Schere zwischen den Kommunen wird immer größerKritik der Kommunen: Die Kommunalverbände forderten, die Verfassung zu ändern und das Land zu verpflichten, den Kommunen „die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel“ auch unabhängig von der eigenen Finanzlage zu geben. Man habe Sorge, dass das Land gegenwärtig mit drei Gesetzesvorhaben Löcher in die Kommunalhaushalte reiße – bei der Barrierefreiheit im Behindertengesetz, bei der Einführung der elektronischen Aktenverwaltung und bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Es fehlten zudem sechs Millionen Euro für Katastrophenschutzfahrzeuge, die Finanzierung der Landessprachkurse und der Integrationspauschale für Zuwanderer sei alles andere als sicher. Die Tarifsteigerung für kommunale Theater werde auch nicht aufgefangen. Finanzminister Hilbers sagte, in der Steuerverwaltung werde man die 12.000 Arbeitsplätze vom bisherigen Computersystem Linus auf Windows umstellen. Das koste Zeit, sei aber nötig, damit die Programme mit denen anderer Länder kompatibel werden. Wegen der „enormen Baukostensteigerungen“ habe er im Hochbauetat einen Vorsorgebetrag von 23 Millionen Euro verankert. Stefan Wenzel (Grüne) befürchtet, die Kosten für frühkindliche Bildung würden viel größer sein als befürchtet – auch deshalb, weil man keine qualifizierten Kräfte mehr finde. Christian Grascha (FDP) rügt den Stellenaufbau, der habe in der Ministerialverwaltung seit 2014 bei insgesamt 300 Stellen gelegen – ohne dass man sich bemühe, davon etwas abzubauen. Peer Lilienthal (AfD) sagte, er sei „erschrocken“ über den Mangel an Engagement beim Abbau der alten Schulden.
Neue Regel für Justizvollzug: Eine Änderung plant die Große Koalition für die rund 3500 Justizvollzugsbediensteten. Sie erhalten eine Zulage, sollen aber künftig – wie die Polizisten – erst mit 62 (für alle nach 1962 geborenen) in Ruhestand gehen können. Bisher liegt die Altersgrenze hier bei 60 Jahren.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #165.